Officium Beatae Virginis Mariae

Officium Beatae Virginis Mariae

Marientiden ist ein niederdeutscher Ausdruck. Er bedeutet Marienzeiten und bezeichnete ein eigenes marianisches Stundengebet zu Ehren der Mutter Gottes.

Inhaltsverzeichnis

Officium Beatae Virginis Mariae

Der Kern der Marientiden war das auch vielen Stundenbüchern zugrundeliegende Officium Beatae Virginis Mariae mit acht Stundengebeten, in denen die Psalmen, Responsorien etc. jeweils in besonderer Weise auf Maria bezogen waren. Ursprünglich ein dem offiziellen Stundengebet nachgebautes Nebenoffizium, erlangte es als selbständiges Stundengebet, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert eine große Beliebtheit in West- und Norddeutschland, vor allem unter den gebildeten Laien in den Städten. In vielen Städten gründeten sich Bruderschaften zu seiner Pflege. Dazu wurden oft besondere Marientidenkapellen eingericht oder angebaut und Vikarien und mitunter ganze Sängerchöre gestiftet.

In der Reformationszeit wurden die Marientiden abgesetzt; das oft nicht unbeträchtliche Vermögen der Stiftungen wurde zur Armenfürsorge und zum Unterhalt von Kirchen und Schulen verwendet.

In der römisch-katholischen Kirche wurde das Offizium in den Brevier-Reformen des Tridentinums nicht mehr als verpflichtend angesehen. Als Offizium parvum wurde es aber von vielen neuzeitlichen weiblichen Gemeinschaften als Pflichtgebet für ihre Mitglieder übernommen. 1953 wurde es grundlegend überarbeitet. Ein eigenständiges marianisches Stundengebet wird nach wie vor von den Kartäusern verrichtet.

Marientidenkapellen

Nach dem Vorbild der Lady Chapel in englischen Kathedralen befand sich die Marientidenkapelle oft am Chorscheitel, dem Ostende der Kirche.

Antwerpener Retabel von 1518 in der Marientidenkapelle der Lübecker Marienkirche

In der Lübecker Marienkirche wurden die Marientiden 1462 mit einer Stiftung von 40 Personen eingerichtet. Die zugehörige Kapelle am Chorscheitel, die auch Sängerkapelle genannt wurde, erhielt 1491 ein reich geschnitztes Schrankenwerk (1942 verbrannt), und 1521 ein neues Gestühl (Reste erhalten) sowie ein bis heute erhaltenes Antwerpener Retabel. Die Marientidenkapelle des Lübecker Doms wurde im frühen 18. Jahrhundert zur fürstbischöflichen Grabkapelle umgestaltet. Auch die der Ägidienkirche und der Jakobikirche wurden zu privaten Grabkapellen, letztere später zum Heizraum.

Weitere Marientidenkapellen finden sich in Kirchen vieler norddeutscher Städte wie beispielsweise in der Rostocker Marienkirche (bei der Astronomischen Uhr), der Stralsunder Marienkirche (Chorscheitelkapelle), sowie in Stendal und in Wismar. Hier stiftete der Schweriner Bischof Nikolaus Böddeker 1464 eine reich ausgestattete Kapelle im Turm der Georgenkirche.

Siehe auch

Literatur

Ausgaben

  • Officium parvum beatae Mariae Virginis. Hrsg. von Augustin Bea. Editio amplior (Lat./Deutsch), Ratisbonae [Regensburg]: Pustet 1953

Sekundärliteratur

  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992. ISBN 3910179061
  • Johannes Baltzer und Friedrich Bruns: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Herausgegeben von der Baubehörde. Band III: Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche. Verlag von Bernhard Nöhring: Lübeck 1920. Unveränderter Nachdruck 2001: ISBN 3-89557-167-9
  • Antje Grewolls: Die Kapellen der norddeutschen Kirchen im Mittelalter. Architektur und Funktion. Kiel: Ludwig 1999 ISBN 3-9805480-3-1
  • Officium parvum, in: Adolf Adam, Rupert Berger: Pastoralliturgisches Handlexikon Freiburg: Herder 1980, S. 370f.

Weblinks


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