Prognosemarkt

Prognosemarkt
Beispiel-GUI eines webbasierten Wertpapiermarktes

Prognosemärkte sind virtuelle Marktplattformen, die den Ausgang von Ereignissen vorhersagen. Prognosemärkte existieren in Form von Online-Wettbörsen oder virtuellen Wertpapiermärkten, die jeweils auf einer elektronischen Plattform implementiert werden und über einen eigenen Quoten- beziehungsweise Preisfeststellungsmechanismus verfügen. Sie werden als Konkurrenzsystem zu anderen Prognoseinstrumenten genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Arten von Prognosemärkten

Virtuelle Wertpapiermärkte

Virtueller Wertpapiermarkt am Beispiel der Eidgenössischen Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», abgestimmt am 27. November 2005.
1. Nachfragen (Ask)
2. Angebote (Bid)
3. Letzter gehandelter Kurs. Liefert die Prognose des Abstimmungsausgangs.
4. Portfolio (Eine Ja- und Nein-Aktie zum Fixpreis von 100)

Auf virtuellen Wertpapiermärkten werden im Unterschied zu Finanzmärkten keine signifikanten Geldbeträge oder Rechtsansprüche gehandelt. Eine virtuelle Aktie stellt ein zukünftiges Ereignis oder einen Marktzustand dar (zum Beispiel Absatzzahlen eines Produkts im Monat Dezember oder geschossene Tore in einem Fußballspiel). Der Endwert der Aktie hängt jeweils vom tatsächlichen Ausgang des Ereignisses ab, das heißt beispielsweise 1 (virtueller) Euro pro 100 Stück Absatz. Auf Basis dieses Zusammenhangs können dann Teilnehmer ihre Einschätzungen handeln. Im Unterschied zu Börsenspielen, die den Kurs realer Börsen übernehmen, werden Kauf- und Verkaufsaufträge an einem Prognosemarkt über einen eigenen Handelsmechanismus ausgeführt.

Wettbörse

Siehe auch Wettbörse.

Auf Online-Wettbörsen platzieren Teilnehmer Wetten auf den Ausgang sportlicher Wettbewerbe sowie gesellschaftlicher oder politischer Ereignisse. Im Unterschied zu virtuellen Wertpapiermärkten wird hier mit realen Geldbeträgen auf den Ausgang von Ereignissen gewettet. Eine platzierte Wette hat den Gewinn beziehungsweise den Verlust realen Geldes zur Folge. Ein besonderer Unterschied zur traditionellen Wette besteht bei Online-Wettbörsen darin, dass die Wett-Teilnehmer gegeneinander wetten und nicht gegen einen Buchmacher.

Ökonomik

Eine zentrale Erklärung für die Präzision von Prognosemärkten ist das Anreizsystem: Akteure, die billig kaufen und teuer verkaufen, werden so für die Verbesserung der Vorhersage finanziell belohnt. Akteure, die teuer kaufen und billig verkaufen, werden so für die Verschlechterung der Vorhersage finanziell bestraft.

Die theoretische Begründung für die Informationseffizienz dieser Märkte liefert die Hayek-Hypothese, die besagt, dass durch den Wettbewerb auf einem Markt die asymmetrisch verteilten Informationen der Marktteilnehmer am effizientesten aggregiert werden können.

Einsatzgebiete

Prognosemärkte können praktisch überall eingesetzt werden, wo es um die Vorhersage von ungewissen Ereignissen geht. Forscher betonen das Potential, politische und privatwirtschaftliche Entscheidungen zu verbessern. Bisher wurden Prognosemärkte vom US-Verteidigungsministerium zur Vorhersage von Terroranschlägen, in der Gesundheitsindustrie zur Vorhersage von Grippeausbrüchen und der Wirksamkeit neuer Medikamente, sowie von Unternehmen wie Eli Lilly, General Electric, Google, France Telecom, Hewlett Packard, IBM, Intel, Microsoft, Siemens und Yahoo zur Vorhersage von Umsatzzahlen oder Produktqualitäten verwendet. Auch könnten Prognosemärkte die Präzision von Vorhersagen von Umweltkatastrophen verbessern.[1] Robin Hanson befürwortet eine Futarchie, in der Politikinstrumente auf Prognosemärkten festgelegt werden.

Beispiele Politische Wahlen

Dass Prognosemärkte genauere Vorhersagen liefern können als Meinungsumfragen, zeigte sich bei der Bundestagswahl 2005: Die Online-Wahlbörse Political Stock Market sagte voraus, dass die CDU/CSU-Fraktion mit 38,5 Prozent der Stimmen gewinnen würde. Dieses Ergebnis ist deutlich näher an dem amtlichen Endergebnis von 35,2 Prozent als die durchschnittlich vorhergesagten 40 Prozent der Meinungsumfragen [2].

Die Ergebnisse der amerikanischen Wahlbörse Iowa Electronic Market zeigen ebenso, dass Prognosebörsen sehr verlässliche Vorhersagen liefern. Bei den vier US-Präsidentschaftswahlen im Zeitraum von 1988 bis 2000 prognostizierte der Iowa Electronic Market den Stimmenanteil von Republikanern und Demokraten genauer als die renommiertesten Meinungsumfragen. Vorhersagen des Iowa Electronic Market wichen 150 Tage vor der Wahl nur noch fünf Prozentpunkte vom amtlichen Endergebnis ab. In der Woche unmittelbar vor der Wahl lag der Vorhersagefehler bei nur 1,5 Prozent. Im Gegensatz dazu irrte sich beispielsweise das Gallup-Institut in den jeweils letzten Umfragen um durchschnittlich 2,1 Prozentpunkte [3].

Rechtliches und Legalität

Der Einsatz von Prognosemärkten wird durch gesetzliche Einschränkungen der jeweiligen Länder eingeschränkt. Dabei ist der Kernpunkt die Einordnung des Systems als Geschicklichkeitsspiel im Gegensatz zum Glücksspiel. In jedem Land gelten dazu andere rechtliche Rahmenbedingungen oder es fehlt an einer speziellen Klärung zur Frage der Einordnung.

Renommierte Wissenschaftler wie Kenneth Arrow, Robert Forsythe, Robin Hanson, Saul Levmore, Paul Milgrom, Thomas Schelling, Robert Shiller, Vernon Smith, Cass Sunstein, Philip Tetlock, Hal Varian und Justin Wolfers fordern eine Aufhebung der gesetzlichen Einschränkungen, da Prognosemärkte großes Potential hätten, die soziale Wohlfahrt zu erhöhen.[1]

Abgrenzung

Folgende Abgrenzung kann vorgenommen werden: [4]

Abgrenzung zum allgemeinen Glücksspiel

  • Der Gewinn oder Verlust beruhen auf Kenntnisstand der Händler und deren Fähigkeiten
  • Einige Betreiber konzipieren das System als ein Nullsummenspiel für den Betreiber
  • Die Betreiber können Gewinne oder Verluste begrenzen

Abgrenzung zu Wetten

  • Die Händler versuchen möglichst hohe Aktienwerte und damit Gewinne zu erwirtschaften (unabhängig vom Tipp) und Handeln mit den Meinungen/Optionen
  • Wissen, Erfahrung und Geschicklichkeit sind bestimmend für den Erfolg

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Arrow, K., Forsythe, R., Gorham, M., Hahn, R., Hanson, R., Ledyard, J., Levmore, S., Litan, R., Milgrom, P., Nelson, F., Neumann, G.,Ottaviani, M., Schelling, T., Shiller, R., Smith, V., Snowberg, E., Sunstein, C., Tetlock, P., Tetlock, P., Varian, H., Wolfers, J., Zitzewitz, E. (2008): The Promise of Prediction Markets. Science. Vol. 320, pp. 877-8.
  2. Jörg Hackhausen (2006): Orakel aus dem Internet – Prognosebörsen sagen die Zukunft voraus, In: WirtschaftsWoche, Verlagsgruppe Handelsblatt [1]
  3. Jürgen Kaube: Das geheime Wissen der Zocker. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. November 2008.
  4. Thomas Rickert, Kanzlei Schneider & Schollmeyer: "ESM - Rechtliche Aspekte" [2]

Literatur

  • Joyce E. Berg, Forrest D. Nelson, Thomas A. Rietz: Prediction Market Accuracy in the Long Run. In: International Journal of Forecasting, 24, 2008, S. 285-298 doi:10.1016/j.ijforecast.2008.03.007
  • Jörg Hackhausen: Orakel aus dem Internet – Prognosebörsen sagen die Zukunft voraus. In: WirtschaftsWoche, Verlagsgruppe Handelsblatt, 2006
  • Jürgen Kaube: Das geheime Wissen der Zocker. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. November 2008.
  • Martin Spann, Bernd Skiera: Internet-Based Virtual Stock Markets for Business Forecasting. In: Management Science, 49, 2003, S. 1310-1326 PDF
  • James Surowiecki: The Wisdom Of Crowds: Why The Many Are Smarter Than The Few And How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies And Nations Little, Brown, 2004
  • Justin Wolfers, Eric Zitzewitz: Prediction Markets. In: Journal of Economic Perspectives, 18, 2004, S. 107-126 doi:10.1257/0895330041371321

Weblinks


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