Proteomics

Proteomics

Die Proteomik (englisch: proteomics) umfasst die Erforschung des Proteoms, das heißt der Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem Lebewesen unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt vorliegenden Proteine. Das Proteom ist im Gegensatz zum (eher) statischen Genom (hoch) dynamisch und kann sich daher in seiner qualitativen und quantitativen Proteinzusammensetzung aufgrund veränderter Bedingungen (Umweltfaktoren, Temperatur, Genexpression, Wirkstoffgabe etc.) verändern. Sehr bildlich kann man sich die Dynamik des Proteoms an folgendem Beispiel vor Augen führen. Eine Raupe und der aus ihr entstehende Schmetterling enthalten das gleiche Genom, unterscheiden sich aber trotzdem äußerlich aufgrund eines unterschiedlichen Proteoms. Dasselbe gilt auch für eine Kaulquappe und den daraus entstehenden Frosch. Die Veränderungen des Proteoms können zum Teil sehr schnell erfolgen bspw. durch Phosphorylierungen und Dephosphorylierung von Proteinen, die im Rahmen der Signaltransduktion eine sehr wichtige Rolle spielen.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Wesentliche Teilgebiete sind die Aufklärung von Protein-Protein-Interaktionen, die vor allem von Tertiärstrukturen der Proteine und den Wechselwirkungen ihrer Domänen abhängen. Weiterhin gehört auch die quantitative Analyse der Proteinexpression in den Bereich der Proteomik. Sie ergänzt somit die Daten, die in der Genexpressionsanalyse gewonnen werden und gibt Aufschluss über die Komponenten von Stoffwechselwegen und molekularen Regelkreisen.

Die Schlüsseltechniken der Proteomik unterstützen also die Aufklärung der 3-D-Struktur der Proteine und der Einzelproteinidentifikation in Proteingemischen:

Fragestellung Technik
Proteinsequenzierung Edman-Sequenzierung, De novo Sequenzierung nach In-Gel-Verdau
Proteinidentifikation Massenspektrometrie (MALDI-TOF, ESI-MS/MS, LC-MS/MS), Peptidmassenfingerprint oder De novo Sequenzierung nach In-Gel-Verdau
3-D-Struktur Röntgenbeugungsanalyse (XRD), NMR
Proteinexpression Gelelektrophorese (2D-PAGE), Proteinarrays, MeCAT
Proteinfunktion/Protein-Protein-Interaktion Hefe-Zwei-Hybrid-System

Rolle der Proteine

Das Eiweiß-Inventar einer Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt und unter exakt definierten Randbedingungen nennen wir ein Proteom. Die Proteomik versucht, sämtliche Eiweiße im Organismus zu katalogisieren. Die Baupläne der Proteine finden sich in den Erbanlagen. Somit beschäftigt sich die Proteomik bevorzugt mit Ergebnissen sequenzierter Genome. Speichert die Erbsubstanz DNA lediglich Informationen, so erfüllen die aus Aminosäuren bestehenden Eiweißmoleküle vielfache Aufgaben. Sie sind Grundsubstanz des Lebens und wehren als Antikörper Krankheiten ab, ermöglichen als Enzyme die Verdauung und sorgen als Muskeln für Bewegung.

Im Gegensatz zur stabil bleibenden genetischen Ausstattung verändert sich der Proteinhaushalt eines Körpers ständig. So tragen zwar Raupe, Puppe und Schmetterling dieselben Gene in ihren Zellen, doch unterscheiden sich jeweils die Zusammensetzung und das Zusammenspiel ihrer Proteine wesentlich. Proteine sind also Ursache der Diversität des Lebens.

Ziele

Medizin

Die Medizin erhofft sich neue Wirkstoffe gegen Krebs, Infektionen und bestimmte Nervenkrankheiten. Leiden wie Sichelzellanämie, Alzheimer-Krankheit oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beruhen auf fehlerhaft geformten Proteinen. Ist also bekannt, welches Protein für eine Fehlfunktion verantwortlich ist, ist es möglich, gezielt ein kleines Molekül zu entwickeln, welches an dieses Protein andockt und es ausschaltet. Virenhemmende Medikamente bei Aids und Grippe beruhen auf Wirkstoffen, die so entstanden sind.

Industrie

Denkbar sind auch leistungsstärkere Waschmittelenzyme und Pflanzenschutzmittel.

Biologie

Biologen erhoffen sich besser Einblicke in die Funktionsweise von Lebewesen und das Leben als solches. Die Biophysiker erwarten eine „molekulare Anatomie“.

Probleme und Trends

Nach zum Teil ernüchternden Erfahrungen mit genetischen Methoden wie der Microarray-Analyse herrscht bei einigen Wissenschaftlern auch bezüglich der Proteomforschung eine gewisse Skepsis vor. Friedrich Lottspeich vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried warnt vor überzogenen Hoffnungen: „Für den Humanbereich ist die Forschung derzeit eigentlich sowieso noch zu komplex [..] Aber für eine Analyse der Hefe, die ein gutes Modellsystem wäre, will natürlich wieder keiner Geld ausgeben.“ Lottspeich ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Proteomforschung (DGPF).

Auch der Biophysiker Klaus Gerwert, Koordinator des Proteincenters der Universität Bochum, sieht noch einen langen Weg: „Proteomics alleine ist wie Blümchen sammeln und katalogisieren - wie die Natur funktioniert, lernt man daraus noch nicht.“ Es fehlt bislang an Konzepten zum Verstehen der zu erwartenden, noch unüberschaubaren, Datenbasis.

Die Komplexität ergibt sich aus den vielen Möglichkeiten: Laut Friedrich Lottspeich hat der Mensch schätzungsweise mehrere hunderttausend bis Millionen verschiedene Proteine. Ein einzelnes Gen produziert im Schnitt fünf bis zehn Proteine, in manchen Fällen mehrere hundert. Diese Komplexität vollständig zu erfassen ist eine Herausforderung, der die derzeitigen Methoden noch nicht gewachsen sind. Auf der anderen Seite entwickelt sich die Proteomforschung rasant weiter. Das ist insbesondere auf eine ständige Verbesserung der Massenspektrometer zurückzuführen die immer präziser, sensitiver und schneller werden.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Entwicklung quantitativer Methoden, wie die auf dem Einsatz stabiler Isotopen basierenden SILAC oder ICAT Verfahren oder der MeCAT-Metallkodierung, bei der unterschiedlich schwere Metalle zur Markierung von Proteinen und Peptiden aus verschiedenen Proteinproben eingesetzt werden. Letztere erlaubt erstmals im Multiplexansatz den proteomweiten Einsatz der ultrasensitiven Elementmassenspektrometrie (ICP-MS) (Nachweisgrenze im ppt bis unteren ppq Bereich), die eine über 2 bis 5 Größenordnungen höhere Sensitivität bei der Proteinquantifizierung erlaubt und einen linearen dynamischen Messbereich von mindestens 6 bis 8 Größenordnungen aufweist. MeCAT erlaubt im Gegensatz zu den anderen Verfahren, die auf Peptidebene 'nur' relativ quantifizieren, vorteilhafterweise eine relative und sogar absolute Quantifizierung auf Proteinebene, wodurch Proteinspezies wie posttranslational modifizierte Proteine einer Quantifizierung besser zugänglich werden. Die Kalibrierung der ICP-MS erfolgt mit protein-/peptidunabhängigen Metallstandards. Die Notwendigkeit einer proteinspezifischen Synthese von Standardpeptiden entfällt somit.

Die klassische Proteomanalyse untersucht lediglich, ob ein bestimmtes Protein vorhanden (bzw. detektierbar) ist oder nicht. Quantitative Methoden erlauben es dagegen, Aussagen über die Menge der einzelnen Proteine zu treffen. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel untersuchen, ob bestimmte Proteine in Krebszellen häufiger vorkommen als in gesunden Zellen.

Kombiniert man quantitative Proteomanalyse mit anderen biologischen Methoden, so kann man auch Aussagen über die Funktion von Proteinen treffen (z.B. Protein-Protein-Interaktion oder Posttranslationale Modifikationen). Die moderne Proteomforschung geht daher inzwischen weit über das bloße Katalogisieren von Proteinen hinaus und versucht komplexe Mechanismen zu verstehen.

Forschungsschwerpunkte HUPO

Ähnlich wie die Genom-Organisation HUGO teilen sich die Forscher der Internationalen Humanproteom-Organisation HUPO weltweit die anfallende Arbeit. Deutschland konzentriert sich auf die Erforschung der Gehirnproteine.

Systembiologie

Ein neues Forschungsgebiet, das auf der Proteomik aufbaut ist die Systembiologie. Diese versucht nicht mehr alleine die einzelnen Teile z.B. einer Zelle zu betrachten, sondern versucht das Zusammenwirken aller Einzelteile innerhalb eines Systems und seiner Umgebung zu beschreiben. Dazu erforderlich sind neben der Proteomik v.a. mathematische Modelle, die das System in silico simulieren.

Trivia

Der Name „proteomics“ stammt von drei Wissenschaftlern aus Sydney. Diese waren der Meinung, dass mit den wissenschaftlich korrekten Bezeichnungen nicht sehr leicht Geld zu bekommen sei und so entstand in einer Bierlaune der Begriff „proteomics“.

Siehe auch

Literatur

  • Hubert Rehm: Der Experimentator: Proteinbiochemie/Proteomics. 4. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-82-741195-5
  • Hans Gerd Nothwang & Steven E. Pfeiffer: Proteomics of the Nervous System. Wiley-Vch, 2008, ISBN-13: 978-3527317165

Weblinks


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