Psychische Gesundheit

Psychische Gesundheit

Gesundheit des Menschen ist laut Weltgesundheitsorganisation „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“[1] („Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“) [2]

Inhaltsverzeichnis

Weitere Definitionen

Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert (Sozialisation = Einordnungsprozess in die Gesellschaft, Normen- und Werteübernahme) worden ist.
Gesundheit wird als mehrdimensionales Phänomen verstanden und reicht über den „Zustand der Abwesenheit von Krankheit“ hinaus.
Krankheit und Gesundheit sind „dynamische Prozesse“, die für die Pflege als Fähigkeiten und Defizite erkennbar sind. (Krohwinkel identifiziert Wohlbefinden und Unabhängigkeit als subjektiv empfundene Teile der Gesundheit.)
  • Eine pflegerische Definition von Gesundheit (Reinhard Lay, 1997/2004):
Gesundheit bedeutet eine zufriedenstellende Entfaltung von Selbstständigkeit und Wohlbefinden in den Aktivitäten des Lebens.
  • Aus der Entwicklungspsychologie:
Der Begriff von Gesundheit bleibt nach I. Seiffge-Krenke (in Rolf Oerter/Leo Montada; S. 836) bei Kindern und Jugendlichen abstrakt. Sie begreifen den Zustand eher in negativer Abgrenzung von Krankheit. Psychische Bestandteile der Gesundheit ("keine Sorgen haben") sind aber im Jugendalter bereits wichtige Bestandteile des Begriffes. Doch auch im Erwachsenenalter bleibt Gesundheit schwerer zu erläutern als die Krankheit.

Begriffsbestimmung

Für eine umfassende Bestimmung von Gesundheit und Krankheit sind folgende Aspekte von Bedeutung (orientiert an dem salutogenetischen Ansatz von Antonovsky):

  • Gesundheit und Krankheit sind beobachterabhängige Konstrukte, wobei sich die Beobachtung von Gesundheit und Krankheit durch soziale Systeme wie die Medizin oder die Wissenschaft von der Beobachtung durch das Individuum unterscheiden kann (objektivierende vs. subjektivierende Sicht).
  • Die Beobachtung von Gesundheit und Krankheit erfolgt ausschließlich anhand von (körperlichen, psychischen und sozialen) Symptomen.
  • Gesundheit und Krankheit sind demnach für sich nicht empirisch fassbar; sie entsprechen Konzepten, mit welchen die Symptome erklärt werden.
  • Gesundheit ist die korrekte Ausführung aller physischen und psychischen Funktionen eines Lebewesens.
  • Man kann zwischen physischer und psychischer Gesundheit/Krankheit unterscheiden.
  • Die Positionierung auf dem Kontinuum wird primär durch das Vorhandensein/die Absenz von physischen und psychischen Krankheiten bestimmt.
  • Das Auftreten dieser Krankheiten wird unter anderem beeinflusst durch Risikofaktoren (Stressoren), welche die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten und Verletzungen erhöhen und Schutzfaktoren, welche die Wirkung der Risikofaktoren beschränken.
  • Die Risiko- und Schutzfaktoren können in physische, psychische, soziale und physikalisch-materielle Faktoren unterteilt werden.
  • Durch die Bekämpfung der Risikofaktoren und die Förderung der Schutzfaktoren wird die Chance für das Auftreten neuer Krankheiten verringert und die Positionierung auf dem Kontinuum verbessert oder erhalten.
  • Wenn sich durch die Verminderung von Risikofaktoren und die Förderung von Schutzfaktoren das Wohlbefinden des Individuums verbessert, kann sich seine Positionierung auf dem Kontinuum in Richtung Gesundheit verschieben.

Gesundheitswert

Gesundheit ist ein wichtiger persönlicher und gesellschaftlicher Wert. Ihre Bedeutung wird oft erst bei Krankheit oder mit zunehmendem Alter erkannt. Welche Einschränkungen mit dem Verlust von Gesundheit verbunden sind, wird oft erst dem alternden Menschen bewusst – durch eigene durchgestandene Krankheiten, gesundheitliche Probleme im Umfeld und das sich nähernde Lebensende. Vorsorgeprogramme für jüngere Altersgruppen werden propagiert, laufen aber oft ins Leere.

Im Allgemeinen sind Frauen gesundheitsbewusster als Männer. Dies kann man beispielsweise an der Beteiligung zur Darmkrebsvorsorge erkennen (Männer ca. 10–15 %, Frauen ca. 30 % Beteiligung). Kostenlose Krebsvorsorgeuntersuchung (SGB V §25) bekommen Frauen schon jährlich im Alter ab 20 Jahren und Männer erst im Alter ab 45 Jahren.

Privilegierte Schichten sind gesünder als unterprivilegierte. Der Abstand ist in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich gewachsen.

Die Förderung und Erhaltung der Gesundheit erfordert geringe finanzielle Mittel. Teuer ist dagegen der Versuch, Gesundheit wiederherzustellen, die sog. kurative Medizin. Die Krankenversicherung ist neben der Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherung eine der fünf Säulen des Sozialsystems.

Faktoren für ein gesundes Leben

Körperliche Faktoren

  • genetische Faktoren
  • gesunde Nahrung: Obst, Gemüse, Milch, Kartoffeln, Hülsenfrüchte etc.
  • gesunde natürliche Umwelt: Luft, Wasser, Boden, Licht etc.
  • gesicherte geschaffene Umwelt: Kleidung, Unterkunft, Wärme, Schutz vor Gefahren
  • ausreichende körperliche Betätigung (Sport, Spiel, Arbeit), aber keine extremen Überanstrengungen
  • genug Schlaf, Zeiten der Ruhe und Erholung, keine Hetze
  • Entspannung und emotionale Ausgeglichenheit (siehe auch unten)
  • eine erfüllte Sexualität mit sich oder einem bzw. mehreren anderen Menschen, oder dessen gelungene Sublimation
  • intakte soziale Beziehungen z. B. ein Freundeskreis und gute Beziehungen zu Arbeitskollegen
  • der Gesundheit förderliche Arbeitsbedingungen, keine dauernde Über- oder Unterforderung.

Seelisch-geistige Faktoren

  • Geliebt sein und selbst lieben können:
    • Lebenspartner, Kinder, Familie, Mitmenschen
    • Freundlichkeit, Kontaktfähigkeit, soziale Kompetenz
  • Sicherheit: Gefühl der Geborgenheit, Religion bzw. Lebenssinn
    • Mindest-Sicherheit, die Nahrung, die Kleidung, das Wohnen betreffend
    • Sicherheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse
    • doch gewisse Spannung ist notwendig, sonst versinkt man in Lethargie.

Faktoren der sozialen Ungleichheit

Privilegierte Schichten sind in Deutschland eindeutig gesünder und haben eine längere Lebenserwartung als Menschen, die über geringere Bildung, Einkommen und Berufsstatus verfügen.

Die Gründe dafür liegen (nach Mielck, 2005, S. 53) in

  • Unterschieden in den gesundheitlichen Belastungen (z. B. Belastungen am Arbeitsplatz)
  • Unterschieden in den Bewältigungsressourcen (z. B. soziale Unterstützung)
  • Unterschieden in der gesundheitlichen Versorgung (z. B. Arzt-Patient-Kommunikation).

Diese Faktoren führen wiederum zu

  • Unterschieden beim Gesundheits- und Krankheitsverhalten (z. B. Ernährung, Rauchen).

und insgesamt zu

Faktoren für ein gesundes Leben sind also auch sozialpolitischer Art.

Hauptartikel Soziale Ungleichheit der Gesundheitschancen

Siehe auch

Belege

  1. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, deutsche Übersetzung
  2. Constitution of the World Health Organisation. Original als .pdf

Literatur

  • Antonovsky, A. (1997). Salutogenese: zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: DGVT-Verlag.
  • Becker, P. (1982). Psychologie der seelischen Gesundheit. Göttingen: Hogrefe.
  • Bengel, J., Strittmatter, R., & Willmann, H. (2001). Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert; eine Expertise. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA.
  • Blech, J. (2003): Die Abschaffung der Gesundheit. Der Spiegel, 33, 116–126.
  • Bertelsmann Verlag. (2000): Gesundheit und Krankheit zwischen Magie und Vernunft. In Bertelsmann Verlag (Ed.), Meilensteine des Lebens 1.
  • Brundtland, G. H. (Ed.). (2000). Grundrecht Gesundheit. Vision: Mehr Lebensqualität für alle. Frankfurt: Campus.
  • Hafen, M. (2007). Mythologie der Gesundheit – zur Integration von Salutogenese und Pathogenese. Heidelberg: Carl Auer-Systeme-Verlag.
  • Lampert, T./Kroll, L.E. (2005). Einfluss der Einkommensposition auf die Gesundheit und Lebenserwartung DIW Discussion Paper 527/2005. Download
  • Lampert, T./Ziese, T. (2005). Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit. Expertise des Robert Koch-Instituts zum 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Schriftenreihe Lebenslagen in Deutschland. Bonn: BMGS. Download
  • Lay, Reinhard (2004): „Ethik in der Pflege. Ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung.“ Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2004. ISBN 3899931157. Rezensionen unter [1]
  • Lemke, T. (2003). Gesunde Körper – kranke Gesellschaft? Medizin im Zeitalter der Biopolitik. Zeitschrift für Biopolitik, 2(2), 67–71.
  • Lippke, S. (2002). Wellness. In R. Schwarzer, M. Jerusalem & H. Weber (Eds.), Gesundheitspsychologie von A bis Z (pp. 630–633). Göttingen: Hogrefe.
  • Lutz, R., & Mark, N. (Eds.). (1995). Wie gesund sind Kranke? Zur seelischen Gesundheit psychisch Kranker. Göttingen: Hogrefe.
  • Rainer Lutz: Gesundheit und Genuss: Euthyme Grundlagen der Verhaltenstherapie, in; J. Margraf: Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Bd. 1, Berlin 1996
  • Mann, Bernhard: Soziologie und die moderne Public-Health-Entwicklung. In: Jost Bauch/Gerd Hörnemann (Hrsg.) Gesundheit im Sozialstaat. Konstanzer Schriften zur Sozialwissenschaft. Hartung-Gorre Verlag. Konstanz 1996 ISBN 3-89649-077-X
  • Mielck, Andreas: Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Einführung in die aktuelle Diskussion Bern 2005 ISBN 3-456-84235-X
  • Schiefenhövel, W., & Schiefenhövel-Barthel, S. (1999). Gesundheit und Krankheit. In D. Geiß & J. Weiß (Eds.), Der Mensch (Vol. 2, pp. 68–75). Leipzig: Brockhaus.
  • I. Seiffge-Krenke: Gesundheit als aktiver Gestaltungsprozess im menschlichen Lebeneslauf, in: Rolf Oerter, Leo Montada: Entwicklungspsychologie, PVU, Weinheim Basel Berlin, 4. Auflage, 1998
  • van Spijk, P. (1991). Definitionen und Beschreibung der Gesundheit – ein medizinhistorischer Überblick. Zürich: Schweiz. Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP.

Weblinks


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