Rechiar

Rechiar
König Rechiar (Statue aus dem 18. Jahrhundert in Madrid)
Unter König Rechiar herrschten die Sueben kurzzeitig vom Kap Finisterre bis zur Algarve und zum Mittelmeer

Rechiar[1] († Dezember 456) war von 448-456 n. Chr. König der Sueben im spanischen Galizien. Die zeitgenössische Hauptquelle für Rechiars Leben ist die Chronik des Hydatius.

Leben

Rechiar war der Sohn des Suebenkönigs Rechila. Dieser war noch Heide, doch Rechiar wurde noch vor seiner Thronbesteigung katholischer Christ. Wahrscheinlich wurde dieser Schritt durch römische Missionare gefördert, doch sind die genaueren Hintergründe für seinen Religionswechsel unbekannt. Die meisten seiner Untertanen blieben aber Heiden. Er wurde nach dem Tod seines Vaters (August 448) neuer König der Sueben, doch war sein Amtsantritt mit Schwierigkeiten verbunden, da Mitglieder seiner Familie heimlich gegen seine Machtübernahme Widerstand leisteten. Um sich als König durchzusetzen, führte er nun in Nachahmung seines Vaters einen großen Plünderungszug durch.[2]

Zur Gattin nahm sich Rechiar 449 eine arianische westgotische Prinzessin, die Tochter Theoderichs I.[3] Diese trug dazu bei, dass die Sueben später den Arianismus annahmen. Der katholische König Rechiar stellt somit eine Ausnahme dar.

Als unabhängiger Herrscher, der das Territorium der Sueben am weitesten ausdehnte, ließ der in Bracara (heute Braga) residierende Rechiar eigene Münzen mit der Aufschrift iussu Richiari regis schlagen. Von diesen blieben drei Siliquae (leichte, spätantike Silbermünzen) erhalten, Nachprägungen von Münzen des Kaisers Honorius. Da er Römisches Recht nicht anerkannte, setzte er auch keine römischen Beamten in der Verwaltung ein.

Im Februar 449 drang Rechiar bei einem Raubzug auf das Territorium der Basken vor. Dann reiste er nach Gallien und stattete dort Theoderich I. einen Besuch ab (Juli 449). Als er zurückkehrte, verheerte er in einem für einen germanischen Stamm einzigartigen Bündnis mit aufständischen Bauern, den Bagauden, die Umgebung der Stadt Caesaraugusta (heute Saragossa) und griff zu einer List, um Ilerda (heute Lleida) erobern zu können. Er machte viele Gefangene, konnte aber die Provinzhauptstadt Tarragona nicht einnehmen.[4] Am Einfall des Hunnenkönigs Attila in Gallien (451) scheint er nicht teilgenommen zu haben. Stattdessen suchte er den Ausgleich mit Rom und handelte daher mit Kaiser Valentinian III. 452 einen Frieden aus, den er nach dem Tod des Heermeisters Aëtius Ende 454 bestätigte.[5]

Der Frieden zwischen den Sueben und dem römischen Reich endete, nachdem Valentinian III. ermordet worden war (16. März 455) und der Vandalenkönig Geiserich kurz darauf Rom überfallen hatte. Die dadurch bewirkte Schwächung der einstigen Weltmacht verlockte Rechiar zu dem Ziel, ganz Spanien zu erobern.[6] So griff er Ende 455 die während der früheren Friedenszeit den Römern abgetretene Carthaginiensis an.[7] Keinen Erfolg hatten die von seinem Schwager, dem Westgotenkönig Theoderich II., sowie dem Kaiser Avitus geschickten Boten in ihrer Bemühung, die Sueben von weiteren kriegerischen Aktionen gegen römisches Territorium abzuhalten. Stattdessen plünderte er die letzte unter römischer Herrschaft stehende Provinz Spaniens, die Tarraconensis.[8] Da auch ein zweiter Friedensversuch des Westgotenkönigs nichts bewirkte, zog dieser auf Befehl des Kaisers mit starkem Militäraufgebot und zusammen mit den Burgunden unter ihrem König Gundioch auf die Iberische Halbinsel. Rechiar wollte den Angriff an der Grenze der Tarraconensis abwehren. Er erlitt aber am 5. Oktober 456 beim Campus Paramus[9] am kleinen Fluss Urbicus (heute Órbico), 12 Meilen von Asturica (heute Astorga) entfernt, eine schwere Niederlage gegen Theoderich II. Dieser eroberte darauf die suebische Metropole Bracara (28. Oktober 456) und raubte sie brutal aus. Der im Kampf bei Asturica verletzte Rechiar suchte nach Hydatius sein Heil in der Flucht nach Galizien; der Geschichtsschreiber Jordanes berichtet, dass er auf dem Seeweg flüchten wollte, aber durch ungünstige Winde zurückgetrieben und gefangengenommen wurde. Jedenfalls erfolgte die Verhaftung in Portus Cale (heute Porto in Portugal). Rechiar wurde auf Befehl Theoderichs II. im Dezember 456 hingerichtet.[10]

Die Sueben unterwarfen sich den Westgoten, doch bestand ihre Eigenständigkeit noch – wenn auch in stark geschwächter Form – bis 585 fort.

Literatur

Anmerkungen

  1. Zu den verschiedenen Namensformen (Reciarius, Richarius u.a.) siehe Seeck (s. Lit.) Sp. 379.
  2. Hydatius, Chronik 137, in: Theodor Mommsen (Hrsg.): Auctores antiquissimi 11: Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. (II). Berlin 1894, S. 25 (Monumenta Germaniae Historica; Digitalisat)
  3. Hydatius, Chronik 140, in: MGH AA 11, S. 25; Jordanes, De origine Getarum 44, 229.231; in: Theodor Mommsen (Hrsg.): Auctores antiquissimi 5,1: Iordanis Romana et Getica. Berlin 1882, S. 116 (Monumenta Germaniae Historica; Digitalisat)
  4. Hydatius, Chronik 140-142, in: MGH AA 11, S. 25.
  5. Hydatius, Chronik 155 und 161, in: MGH AA 11 S. 27.
  6. Jordanes, De origine Getarum 44, 229f.
  7. Hydatius, Chronik 168, in: MGH AA 11, S. 28.
  8. Hydatius, Chronik 170 und 172, in: MGH AA 11, S. 28; vgl. Jordanes, De origine Getarum 44, 231
  9. Chronica Caesaraugusta, ad a. 458, in: Theodor Mommsen (Hrsg.): Auctores antiquissimi 11: Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. (II). Berlin 1894, S. 222 (Monumenta Germaniae Historica; Digitalisat)
  10. Hydatius, Chronik 172-175, in: MGH AA 11, S. 28f.; Jordanes, De origine Getarum 44, 232


Vorgänger Amt Nachfolger
Rechila König der Sueben
448 - 456
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