Reichsgrafschaft

Reichsgrafschaft
Sitzung des Immerwährenden Reichstags in Regensburg im Jahr 1640 (nach einem Stich von Matthäus Merian)

Ein Reichsgraf (auch reichsunmittelbarer Graf) war im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation der Inhaber einer unmittelbar dem Kaiser unterstehenden Grafschaft, der Reichsgrafschaft.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Im Merowinger- und Frankenreich war ein Graf königlicher Amtsträger, der in einer Verwaltungseinheit (Grafschaft, Gau) die königlichen Hoheitsrechte ausübte und in bestimmten Bereichen (Mark, Königsburg, Pfalz, Königsgut) Stellvertreter des Königs bzw. Kaisers war. Seit den Ottonen wandelte sich die Grafschaft vom ursprünglichen Dienstadel durch die zunehmende Erblichkeit des Grafentitels und die Einbindung ins Lehnssystem zum Geburtsadel. Unterstand eine Grafschaft unmittelbar dem Kaiser, war der Inhaber Reichsgraf bzw. reichsunmittelbarer Graf mit Sitz und Stimme im Reichstag. Reichsunmittelbare, standesherrliche Grafschaften bestanden besonders in den so genannten königsnahen Gebieten wie Schwaben oder Franken, waren aber auch im Nordwesten des Reiches zu finden.

Heiliges Römisches Reich

Sitz und Stimme im Reichstag machten ihn zum reichsunmittelbaren und standesherrlichen Grafen. 1521 gab es im Heiligen Römischen Reich 144 Reichsgrafschaften, 1792 nur noch 99. Gründe für diese Abnahme sind Standeserhebungen, Aussterben von Geschlechtern und Mediatisierung durch mächtigere Reichsfürsten. Reichsunmittelbare, standesherrliche Grafschaften waren besonders in den so genannten königsnahen Gebieten wie Schwaben oder Franken, aber auch im Nordwesten des Reiches zu finden. Um ihre politische Interessen wirksamer durchsetzen zu können und um ihre Unabhängigkeit zu bewahren, organisierten sich die standesherrlichen Grafen in Grafenvereinen und hielten Grafentage ab. Auf Reichstagen, beginnend im 16. Jahrhundert, und im Immerwährenden Reichstag bildeten die standesherrlichen Grafen innerhalb des Reichsfürstenrates Grafenbänke, auch Reichsgrafenkollegien genannt. Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden das wetterauische und das schwäbische Reichsgrafenkollegium, zu denen 1640 noch das fränkische und 1653 das westfälische Reichsgrafenkollegium kamen. 1792 gab es vier Reichsgrafenbänke (geordnet nach Anzahl der intern stimmberechtigten Mitglieder):

  1. die (Niederrheinisch-)Westfälische Grafenbank (33)
  2. die Wetterauische Grafenbank (25)
  3. die Schwäbische Grafenbank (24)
  4. die Fränkische Grafenbank (17)

1521 gab es im Heiligen Römischen Reich 144 Reichsgrafschaften, 1792 nur noch 99. Gründe für diese Abnahme sind Standeserhebungen, Aussterben von Geschlechtern und Mediatisierung durch mächtigere Reichsfürsten.

Mediatisierung

Mit der Rheinbundakte und Auflösung des heiligen römischen Reiches deutscher Nation 1806 wurden die meisten reichsunmittelbaren Grafschaften mediatisiert und fielen an benachbarte größere deutsche Staaten.

Die betroffenen bis dahin reichsunmittelbaren, standesherrlichen Grafen behielten nach den Abmachungen des Wiener Kongresses jedoch ausdrücklich ihren Rang als Standesherren und galten damit den regierenden Häusern als ebenbürtig.

Wenige Ausnahmefälle bestanden innerhalb des Rheinbundes einige Jahre länger, meist nach Erhebung zu Fürstentümern durch Napoleon, und wurden spätestens 1815 durch den Wiener Kongress mediatisiert. Dieses Datum überdauerten wiederum nur die ehemaligen Reichsgrafschaften Lippe, Reuß (mehrere Linien) und Schaumburg-Lippe, die als Fürstentümer bis 1918 weiterbestanden.

Reichsgrafen ohne Reichsstandschaft

Neben den reichsunmittelbaren Grafen gab es im Heiligen Römischen Reich auch Titulargrafen ohne Sitz und Stimme in den Grafenkollegien. Die Verleihung eines Grafentitels diente zuweilen auch zu Standeserhebungen im Falle von morganatischen Verbindungen, d. h. gegen Entrichtung einer Gebühr war der Kaiser in bestimmten Fällen bereit, eine Angehörige des niederen Adels zur Reichsgräfin zu erheben, ehe sie eine Ehe mit einer fürstlichen Person einging. Erhebungen in den Grafenstand, die nicht durch den Kaiser vorgenommen wurden, galten hingegen grundsätzlich nur auf den Ländereien des nobilitierenden Landesherrn. Demgegenüber war eine Erhebung in den Grafenstand durch den Kaiser, soweit nicht ausdrücklich anders vorgesehen, im ganzen Reich anerkannt und bedurfte keiner weiteren Naturalisierung durch die reichsunmittelbaren Fürsten.


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