Rinkrank

Rinkrank

Oll Rinkrank ist ein Märchen. Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 196 enthalten (KHM 196). Es ist in Niederdeutscher Sprache abgedruckt.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Ein König will dem seine Tochter geben, der über einen Glasberg laufen könne. Die Tochter begleitet den Freier hinüber, falls er fiele. Sie rutscht aus, fällt in den Berg und wird nicht wiedergefunden, obwohl man den Berg wegbricht. Unten muss sie einem Alten mit langem grauem Bart dienen, der jeden Morgen mit einer Leiter aus dem Berg steigt und Schätze holt, bis beide alt sind und sich Frau Mansrot und Oll Rinkrank nennen. Eines Abends lässt sie ihn nicht ein, bis er durch eine Luke einsteigen will, wo sie ihn am Bart festklemmt. Er muss ihr die Leiter geben, sie geht zum Vater, der den Alten tötet und seine Schätze nimmt. Sie kriegt den früheren Bräutigam, und sie leben glücklich.

Sprache

Das gesamte Märchen ist auf Niederdeutsch erzählt. Als die Frau den Oll Rinkrank nicht einlässt, spricht er dreimal ein Gedicht, mit Variation am Schluss:

hir sta ik arme Rinkrank (hier steh ich armer Rinkrank)
up min söventein Benen lank, (auf meinen siebzehn Beinen lang)
up min en vergüllen Vot, (auf meinem einen vergoldeten Fuß)
Fro Mansrot, wask mi d' Schöttels (Str. 1), mak mi 't Bedd (Str. 2), do mi d' Dör apen (Str. 3). (Frau Mansrot, wasch mir die Schüsseln / mach mirs Bett / mach mir die Tür auf)

Sie antwortet auf die ersten zwei Strophen, sie habe die Schüsseln gewaschen, das Bett gemacht, nur nicht auf die dritte.

Auf niederdeutsch heisst rink Ring, Kreis und rank lang und dünn, man bzw. mân kann neben Mann auch Mond heissen, rôt bedeutet Ruß, Talg oder rot, rote das Verrotten.[1] Auf friesisch heisst ring schlecht, minderwertig, kränkelnd, kümmerlich und krak auch hinfällig, schwach, mageres Tier oder boshafter Mensch.[2]

Herkunft

Der Sprachforscher Heinrich Georg Ehrentraut teilte das Märchen aus dem Jeverland in der Fachzeitschrift Friesisches Archiv mit (I, 1849, S. 162). Die Brüder Grimm übernahmen es in ihre Kinder- und Hausmärchen ab der 6. Auflage (1850) ohne weitere Anmerkung.

Interpretation

Das einzige Grimm'sche Märchen aus seiner Gegend lässt sich keinem Märchentyp zuordnen, am ehesten ATU 530 Prinzessin auf dem Glasberg und ATU 1160 Einklemmen unholder Wesen. Die Motive Freierprobe, Glasberg, alter Zwerg und Einklemmen des Bartes sind nicht ungewöhnlich, eher schon der Umstand, dass die Prinzessin bei der Freierprobe scheitert (nicht er selbst) und dass sie in (nicht auf) dem Glasberg landet. Dies verdeutlicht vielleicht die Bedeutung des Glasberges als inneres Gefängnis, während der Freier hier nur eine Nebenrolle hat.

Hedwig von Beit deutet tiefenpsychologisch den Glasberg als Symbol der Sprödheit und Unzugänglichkeit, die vor den unreinen Seiten des Lebens zurückscheut. Dahinter arbeitet eine schmerzhafte Bindung zum Vater, der die Tochter nicht loslassen will. Vgl. KHM 65 Allerleirauh.

Literatur

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 273, 515. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 400-401. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  • Megas, Georgios; Ranke, Kurt: Bart. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 1. S. 1280–1284. Berlin, New York, 1977.
  • Ward, Donald: Glasberg. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 5. S. 1265–1270. Berlin/New York 1987.
  • von Beit, Hedwig: Symbolik des Märchens. Bern, 1952. S. 758. (A. Francke AG, Verlag)
  • von Beit, Hedwig: Gegensatz und Erneuerung im Märchen. Zweiter Band von «Symbolik des Märchens». Zweite, verbesserte Auflage, Bern 1956. S. 145-148. (A. Francke AG, Verlag)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schiller, Karl und Lübben, August: Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Dritter Band. M-R. Bremen 1877. S. 18-19, 420, 485, 512. (Photomechanischer Neudruck; Münster in Westf.; Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung)
  2. Wilts, Ommo (Hrsg.): Wurdenbuk för Feer an Oomram. Wörterbuch der friesischen Gegenwartssprache von Föhr und Amrum. Amrum 1986. S. 150, 219. (Verlag Jens Quedens; ISBN 3-924422-11-7)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Oll Rinkrank — ist ein Märchen (ATU 530, 1160). Es steht in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 6. Auflage von 1850 an Stelle 196 (KHM 196) in Niederdeutscher Sprache und stammt aus der Fachzeitschrift Friesisches Archiv von 1849.… …   Deutsch Wikipedia

  • KHM 196 — Oll Rinkrank ist ein Märchen. Es ist in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 196 enthalten (KHM 196). Es ist in Niederdeutscher Sprache abgedruckt. Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Sprache 3 Herkunft 4 Interpretation …   Deutsch Wikipedia

  • Grimm's Fairy Tales — Infobox Book name = Children s and Household Tales or Grimm s Fairy Tales translator = image caption = Frontispiece of first volume of Grimms Kinder und Hausmärchen (1812) author = Jacob and Wilhelm Grimm country = Germany language = German genre …   Wikipedia

  • Die drei Raben — Die sieben Raben ist ein Märchen (Typ 451 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 25 enthalten (KHM 25). In der Erstauflage hieß es Die drei Raben. Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Interpretation 3… …   Deutsch Wikipedia

  • KHM 25 — Die sieben Raben ist ein Märchen (Typ 451 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 25 enthalten (KHM 25). In der Erstauflage hieß es Die drei Raben. Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Interpretation 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Kinder- und Hausmärchen — Die „Kinder und Hausmärchen“ (KHM), volkstümlich „Grimms Märchen“ genannt, sind eine berühmte deutsche Anthologie von Märchen, die Jacob Ludwig Carl Grimm und sein Bruder Wilhelm Karl Grimm, bekannt als die „Brüder Grimm“, herausgegeben haben.… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Märchen — Inhaltsverzeichnis 1 Liste von bekannten Märchen bzw. Märchen Sammlungen 1.1 Grimms Märchen 1.2 Hans Christian Andersen 1.3 Ernst Moritz Arndt 1.4 Wilhelm Hauff …   Deutsch Wikipedia

  • Grimms' Fairy Tales — Children s and Household Tales or Grimms Fairy Tales   …   Wikipedia

  • Die sieben Raben — Skulptur von Ignatius Taschner am Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain in Berlin Die sieben Raben ist ein Märchen (ATU 451). Es steht in den Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 25 (KHM 25). In der Erstauflage hieß das Märchen… …   Deutsch Wikipedia

  • Grimms Märchen — Die „Kinder und Hausmärchen“ (KHM), volkstümlich „Grimms Märchen“ genannt, sind eine berühmte deutsche Anthologie von Märchen, die Jacob Ludwig Carl Grimm und sein Bruder Wilhelm Carl Grimm, bekannt als die „Brüder Grimm“, herausgegeben haben …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”