Rut Brandt

Rut Brandt
Rut Brandt (1970)

Rut Brandt (* 10. Januar 1920 in Hamar, Norwegen; † 28. Juli 2006 in Berlin, geborene Rut Hansen, verwitwete Rut Bergaust) war eine norwegisch-deutsche Autorin und die zweite Ehefrau des deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sie wuchs mit drei Schwestern auf, Hjørdis, Tulla und Olaug. Ihre Mutter, die sie später als Sozialistin und Christin beschrieb, musste nach dem Tod ihres Mannes den Unterhalt der Familie verdienen. Rut Brandts Vater, der als Privatchauffeur auf einem Gut beschäftigt war, starb, als Rut drei Jahre alt war.

Nach der Schulausbildung wurde die 15-jährige Rut Brandt Verkäuferin in einer Bäckerei, dann Hausmädchen und schließlich Schneiderlehrling. Als 16-jährige trat sie einer sozialistischen Jugendgruppe bei, deren politische Aktivitäten während des Zweiten Weltkriegs auch gegen die deutsche Besatzungsmacht gerichtet waren. Als die Gruppe 1942 wegen illegaler Tätigkeit (Herstellung und Verteilung der Zeitung "Radionytt - H7" durch regelmäßiges Abhören und Aufschreiben der norwegischen Nachrichten von BBC [1]) aufflog, floh sie mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Tulla nach Schweden.

Im schwedischen Exil heiratete sie ihren norwegischen Freund, den ebenfalls im Widerstand tätigen Eisenbahner Ole Olstadt Bergaust, der wie sie selbst in Stockholm eine Anstellung beim Pressebüro der norwegischen Botschaft gefunden hatte und bereits 1946 an einer Lungenkrankheit starb.

Im Widerstand Norwegens gegen die deutschen Besatzer aktiv, lernte Rut Hansen 1944 den aus Lübeck emigrierten späteren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt kennen, mit dem sie, trotz des Umstands, dass Willy noch mit seiner ersten Ehefrau Carlotta und Rut noch mit ihrem ersten Mann, Ole Olstad Bergaust, verheiratet war, alsbald eine feste Beziehung verband. 1947 folgte Rut Bergaust Willy Brandt an die Norwegische Militärmission nach Berlin, wo sie als Brandts Sekretärin arbeitete.[2] Bergaust trug den Rang eines Leutnants.[3] Sie gab Ende 1947 ihre Stellung an der Militärmission auf, nachdem Willy Brandt dies getan hatte.[4]

Nach dem Tod ihres Mannes und Brandts Scheidung 1948 heirateten die beiden noch im selben Jahr. Die Trauung vollzog ein norwegischer Militärpfarrer, der von seiner Einheit im Harz nach Berlin kam.[4] Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor: Peter (* 1948), Lars (* 1951) und Matthias Brandt (* 1961). [5] Auch wenn sich Rut Brandt den „klassischen Tätigkeiten“ einer Politikergattin widmete, so sind sich politische Weggefährten und Beobachter einig, dass Willy Brandt seine politische Karriere ohne Rut an seiner Seite nicht hätte machen können: Dem Politiker stand mit Rut eine Frau zur Seite, die ihm durch ihre offene kommunikative Art viele Sympathien einbrachte und oftmals als „Sprachrohr“ fungierte.

Rut Brandt, fotografiert von Stuart Mentiply

In den Jahren nach Brandts Rücktritt als Bundeskanzler lebten sich die beiden auseinander. Als Brandt 1979 mit seiner späteren Frau Brigitte Seebacher eine Beziehung begann, reichte Rut die Scheidung ein, welche 1980 vollzogen wurde. Am Tag der Scheidung begegneten sich die beiden zum letzten Mal. Sie blieb auch nach der Trennung von Brandt im Frühjahr 1979 noch im gesellschaftlichen Leben der damaligen Bundeshauptstadt Bonn präsent, was dokumentierte, dass die ihr entgegengebrachte Zuneigung nicht von der gesellschaftlichen Stellung Brandts abgeleitet war.

Auf Wunsch von Brandts dritter Ehefrau Brigitte Seebacher-Brandt wurde Rut Brandt nach Willy Brandts Tod 1992 von dem Staatsakt und der Beisetzung ausgeladen, was auf breites Unverständnis in der Öffentlichkeit stieß. Rut Brandt verstarb am 28. Juli 2006 nach längerer Krankheit 86-jährig in Berlin. Sie wurde auf dem Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf beigesetzt, wo sich auch Willy Brandts Grab befindet.

Über ihr Verhältnis zu ihrem Geburtsland Norwegen und zu Deutschland, wo sie den größten Teil ihres Erwachsenenlebens verbrachte und wo ihre Söhne geboren wurden, sagte sie:

„Ich fühle mich nicht zwischen Norwegen und Deutschland gespalten. Ich bin hier wie dort zuhause, und lebe in beiden Sprachen. Kenne ich Norwegen mit der Vertrautheit der Kindheit, habe ich mit Deutschland gelebt und gestritten und gelitten alle meine erwachsenen Jahre.“[6]

Auszeichnungen

Werke

  • Freundesland. Erinnerungen. 18. Aufl., Hoffmann und Campe, Hamburg 1994, ISBN 3-455-08443-5. (Rut Brandts Autobiographie, zugl. Biographie von Willy Brandt für den Zeitraum 1944–1974)
  • Wer an wen sein Herz verlor. Begegnungen und Erlebnisse. 1. Aufl., List Verl., München 2003 (= List-Taschenbuch, 60348), ISBN 3-548-60348-3.

Weblinks

 Commons: Rut Brandt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. "Radionytt - H7" kam unregelmässig heraus, ungefähr einmal in der Woche, manchmal auch öfter, wenn es eilige Nachrichten gab. Die Auflage schwankte zwischen 1000 und 3000 Exemplaren mit zwei oder vier Seiten."[]Es war eine kleine Zeitung, aber in dem halben Kriegsjahr, das wir uns halten konnten, erfuhren die Menschen durch sie wesentliche Nachrichten.")Rut Brandt: Freundesland. Erinnerungen. 6. Aufl., Hoffmann und Campe, Hamburg 1992, S.52, ISBN 3-455-08443-5.
  2. Helene Walterskirchen: An der Seite der Macht: Deutschlands First Ladys. Ueberreuter, Wien 2002, ISBN 3-8000-3845-5, S. 153.
  3. Key list of MG personnel. In: „Weekly Information Bulletin“, Nr. 131 (1948) vom 23. März 1948, Herausgegeben vom Office of Military Government for Germany, Druckhaus Tempelhof, Berlin, „Allied Military Missions - Norway“, S. 32.
  4. a b Willy Brandt: Links und frei. Mein Weg 1930 - 1950. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1982, ISBN 3-455-08743-4, S. 220–224. (Auszüge im Vorabdruck in: Durchhalten und überleben. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1982, S. 210 (online).)
  5. Oktober 1948 Hochzeit mit Rut und Peters Geburt
  6. Rut Brandt: Freundesland. Erinnerungen. 18. Auflage. Hoffmann und Campe, Hamburg 1994, ISBN 3-455-08443-5, S. 292–293

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