6. Sinfonie (Haydn)

6. Sinfonie (Haydn)
Joseph Haydn
Joseph Haydn.jpg
Sinfonie Nr. 6 in D-Dur
Hob: I:6
Entstehungsjahr: 1761
Schaffensperiode: Esterházy
Beiname: Le matin
AD: ca. 25 min
Besetzung
Streicher
Solo: Violine, Cello, Kontrabass
Flöte
2 Oboen
2 Hörner
Continuo: Fagott, Cembalo
Sätze
1. Adagio – Allegro
2. Adagio – Andante - Adagio
3. Menuet
4. Allegro
Sinfonien Joseph Haydns

Die Sinfonie Nr. 6 D-Dur komponierte Joseph Haydn wahrscheinlich im Jahr 1761.

Inhaltsverzeichnis

Zyklus „Die Tageszeiten“

Joseph Haydn schrieb die Sinfonie Nr. 6 D-Dur „Le matin“ (Der Morgen) zusammen mit den Nummern 7 „Le midi“ (Der Mittag) und 8 „Le soir“ (Der Abend) wahrscheinlich im Jahr 1761. Es ist der einzige zusammenhängende Zyklus innerhalb seiner Sinfonien; er wurde als „Die Tageszeiten“ bekannt. Möglicherweise gab es in dem Zyklus ein viertes Werk („La nuit“, die Nacht), das jedoch verloren ging.[1]

Die Titel für diese drei Sinfonien scheinen authentisch zu sein, da das eine vorhandene Autograph der Sinfonie Nr. 7 den Titel „Le midi“ in Haydns Handschrift aufweist[2]. Alle drei Sinfonien beruhen offenbar auf einem programmatischen Inhalt, den Haydn aber nicht bekannt gab, der jedoch durch die Titel nahe gelegt wird. Der Anfang von „Le matin“ z. B. erinnert an einen Sonnenaufgang, während das Finale von „Le soir“ mit dem Untertitel „La Tempesta“ ein Sommergewitter darstellt.

Am 1. Mai 1761 unterzeichnete Haydn seinen Vertrag als Vize-Kapellmeister (später Kapellmeister) der Familie Esterházy, der nominell 48 Jahre lang – bis zu seinem Tod – bestand. Prinz Paul Anton gehörte zu einer der wohlhabendsten Familien der österreichisch-ungarischen Monarchie und verfügte über ein ausgezeichnetes Orchester. Die Sinfonien des „Tageszeiten“-Zyklus sind wahrscheinlich die ersten Werke, die Haydn in seiner neuen Funktion komponierte, möglicherweise auf Vorschlag des Prinzen selbst.

Von den (meisten) vorangegangenen Sinfonien unterscheiden sie sich

  • durch den Einbau eines Menuetts als 3. Satz,
  • die erweiterte Besetzung mit Flöte und Fagott (das Fagott war damals meist nur zur Verdoppelung der Continuostimme besetzt und in der Partitur nicht gesondert notiert),
  • die zahlreichen Soli für verschiedenste Instrumente, was die Werke in die Nähe des barocken Concerto grosso rückt. Allerdings ist die Trennung von Concertino / Solo und Ripieno (Tutti) nicht mehr sehr ausgeprägt.

Wahrscheinlich wollte Haydn seine neuen Musikerkollegen mit den vielen Möglichkeiten, ihr technisches Können unter Beweis zu stellen, für sich einnehmen und gleichzeitig dem Fürsten eine Kostprobe seiner Kreativität bieten.

Bezüglich der Struktur sind die Sätze der Sinfonie Nr. 6 nicht klar in ein Schema einzuordnen. Die Themen bzw. Motive werden kaum verarbeitet. Es sind also Zwischenformen auf dem Weg von der alten Suite zu neuen Formen (z. B. die Sonatensatzform am Beginn des 19. Jahrhunderts).

Zur Musik

Besetzung: Flöte, zwei Oboen, Fagott, zwei Hörner in D, Violine Solo, zwei Violinen Ripieno, Viola, Cello Solo, Cello Ripieno, Kontrabass Solo, Kontrabass Ripieno. Die Rolle des Cembalos wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.[3] Folgende Instrumente treten im Verlauf der Sinfonie als Solo auf (z. T. nur für wenige Takte): Flöte, Oboe, Fagott, Horn, Violine, Viola, Cello, Kontrabass.
Aufführungszeit: Ca. 20-25 Minuten (je nach Einhalten der vorgeschriebenen Wiederholungen)

1. Satz: Adagio – Allegro

Adagio: D-Dur, Takt 1-6, 4/4-Takt
Der Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung, in dem die 1. Violine pianissimo mit einem punktierten Motiv einsetzt, im Laufe eines Crescendo kommen die anderen Streicher und die Bläser dazu; die Bewegung ebbt dann über einem Orgelpunkt auf der Dominante A im Fortissimo mit einer Fermate ab. Die Einleitung wird meist als Sonnenaufgang interpretiert.[2] [4] [5] [6]

Allegro: D-Dur, Takt 7 – 118, 3/4-Takt
Die „Exposition“ eröffnet solistisch die Flöte mit dem Vordersatz eines tänzerischen Themas, dessen Nachsatz von den Oboen aufgenommen wird. Das Motiv des Vordersatzes taucht im Laufe des Satzes wiederholt auf, u. a. im folgenden, recht lebhaften Tutti-Abschnitt. Ein zweites Thema ist nicht eindeutig zu erkennen, vielmehr werden zahlreiche neue kleine Elemente / Motive vorgestellt, wobei Haydn ab Takt 21 mit einem absteigenden Motiv (nach einer Generalpause als Zäsur) die Dominante A-Dur etabliert. Die Motive kann man ggf. als Vogelrufe interpretieren[5] so z. B. die kurzen Floskeln von Flöte, Oboen und Fagott ab Takt 35. Am Ende der Exposition tritt der Kopf des Hauptthemas nochmals auf.

Die „Durchführung“ beginnt wie die Exposition mit dem Hauptthema, das von Flöte und Oboen im Dialog vorgetragen wird, nun aber von A-Dur aus. Anschließend wechselt die Klangfarbe einige Male mit abrupten Wechseln zwischen forte, piano, Dur und Moll (z. B. „terrassenartiges“ Streichertremolo in chromatischer Gegenbewegung Takt 58 ff). Der Kopf vom Hauptthema tritt kurz in der Tonikaparallelen h-Moll auf (Takt 73 ff.), ehe eine Pizzicato-Passage zurück zur Tonika und damit zur „Reprise“ führt. Die Hörner beginnen dabei mit dem Hauptthema in Takt 85 f., was sich als „zu früh“ herausstellt, als in Takt 87 die Solo-Flöte wie am Satzanfang das Thema im Dialog mit der Oboe noch mal vollständig bringt (die Hörner verstummen abrupt beim Einsatz der Flöte). Der weitere Verlauf ist ähnlich der Exposition, aber etwas verkürzt. „Exposition“ sowie „Durchführung“ und „Reprise“ werden einmal wiederholt.

2. Satz: Adagio – Andante - Adagio

Adagio: G-Dur, Takt 1-13, 4/4-Takt, nur Streicher mit Solo-Violine
Der Satz beginnt pianissimo mit einer zögerlich wirkenden Linie in Halben Noten (Oberstimmen: aufsteigend, Unterstimmen: absteigend). Im Forte setzt dann die Solovioline mit einem aufsteigenden Tremolo ein, das in kräftigen, wiederholten G-Dur Akkorden mündet. Dies ist vermutlich als Parodie auf eine Gesangsstunde gemeint[4]: 1. Violine und Solo-Violine spielen anfangs die aufsteigende G-Dur – Tonleiter d-e-fis-g-a (in den Halben Noten) und dann den „falschen“ Ton b. Dieser „Fehler“ (der Ton b würde als Terz von G aus die Tonart g-Moll bedeuten, der Satz steht aber in Dur) wird sogleich von der Solovioline (dem „Lehrer“) korrigiert: Sie wiederholt jeweils in vierfacher Tonrepetition die „richtige“ Tonleiter d-e-fis-g-a-h, wobei das h mit einer neunfachen Wiederholung und dem Einstimmen auch der übrigen Streicher besonders unterstrichen wird. Nun folgt wieder ein eher ruhig-zögerlicher Abschnitt, der jedoch durch Verzierhungen der Solo-Violine (Triller, Akkordbrechungen) aufgelockert ist. Das Adagio klingt nach einem D-Dur-Septakkord mit einer Fermate auf einer Pause aus.

Andante: G-Dur, Takt 14 – 103, 3/4-Takt
Der Mittelteil des Satzes ist einerseits durch eine langsam-schreitende Bewegung des Tutti in gleichmäßigen Vierteln gekennzeichnet, andererseits durch Soli für Cello und insbesondere die Violine (die damals vom Konzertmeister gespielt wurde). Die Soli sind überwiegend aus Triolen aufgebaut, die der Violine reichen bis in hohe Lagen (A in der dreigestrichenen Oktave).

Eine Verarbeitung von Themenmaterial ist nicht erkennbar, vielmehr ist dieser Satz durch die Soli charakterisiert. Das Andante besteht aus zwei einmal wiederholten Teilen, wobei der erste von der TonikaG-Dur zur Dominante D-Dur, der zweite dann wieder zurück zur Tonika führt (bei Takt 73 ff. könnte man mit dem Wiedereinteten des Motivs vom Satzanfang in der Tonika ggf. von einer „Reprise“ sprechen).

Adagio: G-Dur, Takt 104-112, 3/4-Takt
Die Violinen (Solo-Violine und 1. Violine) spielen – wie am Satzanfang – den Ausschnitt aus der G-Dur – Tonleiter (nun „richtig“), erst aufsteigend von d bis h, dann absteigend bis zum Grundton G, wobei durch die Vorhalte der 2. Violine charakteristische Dissonanzen (Sekunden) entstehen. Die Begleitung im Bass ist in Achteln und Sechzehnteln aufgelöst. Der Satz verhaucht im Pianissimo.

3. Satz: Menuet

D-Dur, mit Trio 64 Takte, 3/4-Takt
Im rustikalen Menuett treten wieder Oboen, Fagott und v. a. die Flöte solistisch hervor. Besonders überraschend ist die Instrumentierung des Trios in d-Moll: im ersten Teil spielt das Fagott zur Begleitung eines Solokontrabasses und leisen Streicherpizzicati ein charakteristisches Motiv, im zweiten Teil wird es unterstützt vom Solocello und sogar einer Solobratsche, später übernimmt wieder der Bass.

4. Satz: Allegro

D-Dur, 2/4-Takt, 135 Takte
Die Flöte eröffnet erneut mit einer aufsteigenden Tonleiter über eine Oktave, die das charakteristische Element des Satzes bildet. Ab Takt 34 tritt ein fallendes Motiv in der Dominante A-Dur auf, das durch die einzelnen Soloinstrumente geführt wird, gefolgt von einer Fermate auf einem verminderten Akkord sowie einer Schlussgruppe mit Solo-Flöte und Tutti.[7]

Der zweite Teil des Satzes beginnt in der Dominante A-Dur mit dem Tonleitermotiv, nun von der Solo-Violine vorgetragen. Diese dominiert auch den weiteren Verlauf des Satzes bis zur „Reprise“ in Takt 84.

Einzelnachweise

  1. Kurt Pahlen: Sinfonie der Welt. Schweizer Verlagshaus AG, Zürich 1978
  2. a b Howard Chandler Robbins Landon: Haydn, Symphony No. 6 D-Dur „Le Matin“. Ernst Eulenburg Ltd. No. 536, London / Mainz ohne Jahresangabe (Vorwort zur Taschenpartitur).
  3. Die Haydn-Festspiele Eisenstadt http://www.haydn107.com/index.php?id=21&pages=besetzung, Stand September 2010, schreiben hierzu: „Haydn setzte, außer in London, für seine Symphonien höchstwahrscheinlich kein Tasteninstrument ein. Diese Ansicht, die von früheren Meinungen abweicht, wird heute unter Musikwissenschaftlern weithin anerkannt.“
  4. a b Heinrich Eduard Jacob: Joseph Haydn. Seine Kunst, seine Zeit, sein Ruhm. Christian Wegner Verlag, Hamburg 1952
  5. a b Anton Gabmayer: Joseph Haydn: Symphonie Nr.6 D-Dur, Hob.I:6 "Le Matin". Begleittext zum Konzert am 13. Juni 2009 der Haydn-Festspiele Eisenstadt, http://www.haydn107.com/index.php?id=32, Stand September 2010
  6. Jedoch enthält auch die zögerliche Einleitung des 2. Satzes eine aufsteigende Melodik, die beim ersten Hören als lautmalerischer Sonnenaufgang interpretiert werden könnte. Dabei soll jedoch eine Parodie auf eine Gesangsstunde gemeint sein (siehe dort).
  7. Gabmayer (2009) interpretiert das Geschehen im Satz als Schilderung eines Jagdablaufs.

Weblinks, Noten


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