Sadagora

Sadagora

Sadhora (ukrainisch Садгора; deutsch Sadagora, rumänisch Sadagura) ist ein Stadtteil/Stadtrajon von Czernowitz in der Ukraine. Er befindet sich acht Kilometer nordöstlich des Stadtzentrums linksseitig des Pruth.

Geschichte

Sadogora entstand 1770 während des Russisch-Türkischen Krieges. Der deutschbaltische Offizier Peter Nicolaus von Gartenberg (1714-1786) errichtete im Auftrag Katharinas der Großen im Fürstentum Moldau eine Münze zur Produktion der für die Auszahlung des Mannschaftssolds der russischen Armee erforderlichen Scheidemünzen.

Gartenberg erwarb östlich des Dorfes Rohisna (Рогізна) ein Stück Urwald am Tarnawabach, das binnen kurzer Zeit gerodet wurde. Um die Münze entstand eine Wohnsiedlung für die Beschäftigten, in der sich bald auch Handwerker und jüdische Gewerbetreibende niederlassen durften. Der Ort erhielt die Bezeichnung Sadagora - die russische Übersetzung für Gartenberg. Formell befand sich die Münze unter der Hoheit der Zarin, doch genoss Gartenberg hinsichtlich der Prägung fast uneingeschränkte Freiheiten, wobei der Geldwert der von ihm vor allem aus erbeuteten türkischen Kriegsmaterial produzierten Münzen auf höchstens 2 Millionen Rubel festgesetzt war. Die Münzen aus Sadohora wurden mit dem Münzzeichen S gekennzeichnet.

In den vier Jahren des Bestehens der Münze wurden in Sadagora mit Duldung durch Feldmarschall Rumjanzew-Sadunaiski Geldstücke im Werte von 3 Millionen Rubel geprägt, die in Bessarabien und der Bukowina verbreitet wurden und wegen ihrer minderwertigen Qualität immer mehr in Verruf gerieten.

Nach Beendigung des Krieges hatte die Münze ihren Zweck erfüllt und wurde im April 1774 stillgelegt und das Münzamt aufgelöst. 1774 hate Sadogora 104 Einwohner. Am 31. August 1774 besetzen die Österreicher das Fürstentum Moldau und Sadagora gehörte bis 1918 als Teil der Bukowina zu Österreich.

Nach der Einstellung der Münze wurde Sadagora eine sechsjährige Steuerbefreiung gewährt. Zwischen 1782 und 1789 setzte eine Vertreibung der Juden aus der Stadt ein.

Im Jahre 1842 ließ sich nach seiner Freilassung aus dem Kiewer Gefängnis der Rabbi Israel Friedmann aus Ruschin in Sadagora nieder. Schon zuvor in Russland hatte er ein prunkvolles Leben geführt und geriet dadurch in Konflikt mit den Chassidim aus Zans (jiddisch für Nowy Sacz) und ihrem Rabbiner Chaim Halberstam, der sich durch einen bescheidenen Lebensstil auszeichnete. In den folgenden Jahren ließ sich eine große Zahl chassidischer Juden aus Galizien nieder, die ihrem Zaddik folgten, wodurch der Ort sich zum einem Stetl wandelte. Friedmann, der in einer Villa residierte, verfügte 1850 vor seinem Tode die Errichtung einer neuen Synagoge mit 1000 Plätzen. 1880 lebten hier 3888 Menschen, davon über 80 % Juden. Sadagora bildete ein wichtiges Zentrum des Chassidismus.

Nach dem Zusammenbruch der k.u.k Monarchie wurde Sadagora Teil von Rumänien und im Juni 1940 als Teil der Nordbukowina von der Sowjetunion annektiert. Im Frühjahr 1941 setzte eine Judenverfolgung ein und zahlreiche Bewohner wurden nach Sibirien deportiert. Nach der Rückeroberung der Stadt durch Rumänien begann die gezielte Vernichtung der Juden von Sadagora. Am 7. Juli 1941 erfolgte im Wald die Hinrichtung von 73 Juden und im August erfolgte die Verbannung sämtlicher jüdischer Bewohner nach Transnistrien. Die Zahl der Einwohner schrumpfte 1941 auf 654.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges als Sadagora wieder zur Sowjetunion kam, lebten nur noch fünf Familien in der Stadt. Die überlebenden Juden, die aus Transnistrien zurückkehrten, mussten sich in Czernowitz niederlassen und wanderten bald aus. In der Zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte die Eingemeindung nach Czernowitz und der Ort verlor jegliche Bedeutung.

Erhalten ist der jüdische Friedhof und mehrere jüdische Gotteshäuser, die sich in verwahrlostem Zustand befinden. Die Prunksynagoge des Israel Friedmann ist eine Ruine. In den 1980er Jahren begann in Sadgora der Bau einer Werkes für Rundfunkgeräte, die nach der Auflösung der Sowjetunion zu einer Investitionsruine wurde. Das Grab des Rabbi Israel Friedmann wurde nach dem Ende des Kommunismus wieder zu einer Pilgerstätte chassidischer Juden.

Literatur

  • Ben Saar (Rubinstein): Der jüdische Vatikan in Sadagora 1850-1950. Bd. I. Werdegang und Glanzzeit 1850-1914. Historische Notizen, Humoresken und Lieder. Verlag „Olameinu“. Tel Aviv.
  • Ben Saar (Rubinstein): Der jüdische Vatikan in Sadagora 1850-1950. Bd. II. Auf den Trümmern des Vatikans 1914-1950. Invasionskalender, Humoresken, Lieder. Verlag „Olameinu“. Tel Aviv, 1958

Weblinks


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