Schema-Therapie

Schema-Therapie

Die Schematherapie ist eine Form der Psychotherapie. Sie zählt zur sogenannten dritten Welle der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapien, und erweitert die Methoden der kognitiven Therapie um Elemente psychodynamischer Konzepte und anderer bewährter psychologischer Theorien und Therapieverfahren wie der Objektbeziehungstheorie, der Transaktionsanalyse und der Gestalttherapie. Sie wurde von Jeffrey E. Young aus der „kognitiven Therapie für Persönlichkeitsstörungen“ [1] nach A. Beck entwickelt. Young war lange Jahre in der Gruppe um Beck tätig. Die Schematherapeuten sind großenteils in der International Society for Schema Therapy (ISST) zusammengeschlossen.

Die Schematherapie geht davon aus, dass es bestimmte erlernte Grundschemata gibt, die darauf abzielen, die seelischen Grundbedürfnisse zu befriedigen und hierzu das Verhalten von Menschen steuern.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Die Schematherapie wurde zur Behandlung von chronischen, charakterologischen Aspekten psychischer Störungen entwickelt. Sie findet erfolgreich Anwendung bei der Behandlung chronischer erkrankter Patienten mit Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen (insbesondere Borderline- und Narzisstische Persönlichkeitsstörung), aber auch bei Essstörungen, Substanzmittelmissbrauch, bei Paarbehandlungen und langjährigen Beziehungsstörungen. Eingesetzt wird sie im ambulanten Setting, stationär wird sie beispielsweise angewendet u.a. in der psychosomatischen Abteilung des Krankenhauses Havelhöhe in Berlin und der Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Abteilung der Universitätsklinik Mainz.

Grundlagen

Das Konzept des Schemas stammt von Jean Piaget, der es seiner konstruktivistischen Erkenntnistheorie zu Grunde legte (schème d'assimilation). Die Schematherapie ist ein Erklärungs- und Behandlungsmodell für Patienten insbesondere mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Sie geht davon aus, dass in der Kindheit und im Verlauf des Lebens Schemata erworben werden, die weitgesteckte Muster aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Körperempfindungen beinhalten und das Verhalten steuern. Diese können mit der eigenen Persönlichkeit unvereinbar sein, ihr entgegen stehen und hinderlich sein, also ich-dyston sein. Solche früh erworbenen hinderlichen Schemata werden maladaptiv genannt (Early Maladaptive Schemas).

Ein maladaptives Schema entsteht durch schädliche Kindheitserlebnisse, die auf der Verletzung menschlicher Grundbedürfnisse basieren. Dabei werden traumatische Erlebnisse, die Erfahrung der Nichterfüllung wesentlicher Grundbedürfnisse durch die frühen Bezugspersonen, aber auch deren Übererfüllung durch „Zuviel des Guten“ oder selektive Internalisierung bzw. Identifikation mit wichtigen Bezugspersonen unterschieden.

Maladaptive Schemata beziehen sich auf den Betreffenden selbst und seine Kontakte zu anderen Menschen, entstehen in der Kindheit oder Adoleszenz, werden im Verlauf des weiteren Lebens stärker ausgeprägt und sind dysfunktional. Sie bestimmen das Handeln. Maladaptive Schemata sind auf lebenslanges Bestehen angelegt und schränken die Lebensqualität und Handlungskompetenz ein.

Sie ähneln dem psychoanalytischen Konzept des Introjekts, sind aber umfassender konzipiert, indem die aus Normen und Werten resultierenden Emotionen und Körperempfindungen sowie die daran geknüpften Erinnerungen in das Konzept gleich integriert wurden, womit auch gleichzeitig ihre Resistenz gegen Änderungen erklärt wird.

Bisher wurden 18 maladaptive Schemata festgestellt, von denen meistens mehrere bei einem Patienten auftreten, und die von Young fünf Schemadomänen zugeordnet wurden.

Innerhalb einer Behandlung sollen die beim Patienten wirksamen Schemata identifiziert werden. Als klärungsorientierter Bestandteil der Therapie ist es für den Patienten bedeutsam, zu verstehen, wie es zur Entwicklung der einzelnen Schemata kam, um sie zu verändern. Für diesen Veränderungsprozess werden bestimmte Behandlungsstrategien angewendet, die laut Young erst durch auch erlebnis- und handlungsorientierte Anteile verhaltensändernd wirksam werden. Dabei kommt dem Prozess der therapeutischen Beziehung eine zentrale Bedeutung zu, durch den der Patient nachträglich seitens des Therapeuten begrenzt elterliche Fürsorge erleben kann, die seine Kernbedürfnisse erkennt und erfüllt.

Beispiele für maladaptive Schemata und zugehörige Bewältigungsreaktionen

Schemata betreffen den Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen. Ihre Entstehung bewirkt, dass der Mensch dem Schema entsprechende Bewältigungsstile und Bewältigungsreaktionen entwickelt.

Im Menschen entsteht beispielsweise das Schema der eigenen „Unzulänglichkeit“, wenn er als Kind das Gefühl hatte, er sei es nicht wert, geliebt zu werden. Daraus entwickelt er als Erwachsener beispielsweise die Bewältigungsreaktion, sich vor Liebe zu fürchten, weil er es kaum glauben kann, dass man ihn schätzen kann (Bewältigungsreaktion entsprechend einer Form der „Flucht“ im Rahmen der drei Bewältigungsstile „Kampf“, „Erstarrung“ oder „Flucht“).

Wurde der Mensch als Kind nicht zur Selbständigkeit erzogen, so dass er sich inkompetent fühlt, entsteht das Schema der „Abhängigkeit“. Die entsprechende Bewältigungsreaktion könnte sein, sich als Erwachsener vom Partner abhängig zu machen und dominieren zu lassen („Erdulden/Erstarrung“).

Wurde der Mensch als Kind durch inkonsequentes Verhalten der Eltern verzogen und ihm keine Grenzen gesetzt, entsteht das Schema der „Anspruchshaltung“. Die daraus entwickelte Bewältigungsreaktion könnte sein, dass der Mensch als Erwachsener schnell wütend wird, wenn er nicht bekommt, was er will („Angriff“).

Wurde der Mensch als Kind oftmals allein gelassen oder zurückgewiesen, entsteht das Schema der „Verlassenheit“. Die daraus entwickelte Bewältigungsreaktion könnte sein, dass der Mensch als Erwachsener sich an andere Menschen anklammert, aus Angst verlassen zu werden.

Die Form des Bewältigungsstils und der Bewältigungsreaktion kann sich als Verhalten manifestieren oder als Gedanke/Kognition oder Gefühl/Affekt. Bewältigungsreaktionen und -stile können sich für einen Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenssituationen ändern, auch wenn das Schema bleibt. Deshalb werden Schemata und Bewältigungsreaktionen voneinander getrennt beschrieben.

Drei maladaptive Bewältigungsstile

Jedes Lebewesen kann auf drei Arten reagieren, wenn es einer Bedrohung ausgesetzt ist: Kampf, Flucht oder Erstarren. Dies entspricht den drei Schema-Bewältigungsstilen, mit denen der Mensch, ohne sich seiner Wahl bewusst zu sein, auf seinen inneren Konflikt reagiert: Schemaüberkompensation, Schemaerdulden, Schemavermeiden. Entsprechend lassen sich verallgemeinernd gleichsetzen: Kampf mit Schemaüberkompensation, Erstarren mit Sich-Fügen/Schemaerdulden, und Flucht mit Schemavermeiden.

Diese Bewältigungsstile helfen dem Menschen, mit seinen durch die Schemata entstandenen Einschränkungen zurecht zu kommen, in einer Art „Defektheilung“. Sie sind jedoch der wesentliche Grund für die dauerhafte Aufrechterhaltung der Schemata.

Modi

Aus der Therapiearbeit mit besonders schwer geschädigten Patienten, die besonders viele frühe maladaptive Schemata entwickelt hatten, entwickelte sich das Konzept der Schemamodi. Der Begriff Schemamodus beschreibt die gleichzeitige getriggerte Auslösung mehrerer Schemata, die durch die individuelle Lerngeschichte verbunden und mit starken emotionalen Zuständen gekoppelt sind, zwischen denen der Patient sehr schnell hin- und herwechseln kann. Da Young es bei bestimmten Patienten effektiver fand, direkt mit diesen Zuständen zu arbeiten, entwickelte er dafür eigene Methoden, bei denen dafür die Arbeit mit einzelnen Schemata in den Hintergrund tritt. Der Begriff beschreibt Zustände wie z.B. das verletzbare, das verärgerte, das impulsiv-undisziplinierte oder das glückliche Kind. An dysfunktionalen Bewältigungsmodi führt Young den bereitwillig sich ergebenden, den Beschützer oder den Überkompensierenden auf. In der Therapie können für diese Benennungen auch individuelle Namen gefunden werden, die vom Patienten als besser passend erlebt werden. Sie beschreiben verschiedene Zustände des Verhaltens und des Bewusstseins eines Menschen, zwischen denen er von Augenblick zu Augenblick wechselt. Dabei werden unterschiedliche Schemata und Bewältigungreaktionen durch von außen oftmals unbedeutend wirkende Auslöser gleichzeitig aktiviert und bestimmend.

Innerhalb einer Psychotherapie ist es wichtig, dass eine therapeutische Intervention und die Beziehungsgestaltung an den jeweiligen Modus angepasst ist, in dem sich der Patient gerade befindet.

In der Therapie soll allgemein ausgedrückt der Modus des gesunden Erwachsenen gestärkt werden.

Therapieverlauf

Um die vom Patienten gewünschte Veränderung in seinem Leben erreichen zu können, müssen in einer ersten Phase der Einschätzung und Edukation die Schemata bzw. Modi identifiziert werden, die bewirken, dass er bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen immer wieder ausführt. Dabei wird der Patient über die Grundannahmen und das Vorgehen der Schematherapie informiert, es erfolgt eine Einschätzung der aktuellen Probleme und eine Problemanamnese und der Therapieziele. Mithilfe von Fragebögen werden die maladaptiven Schemata identifiziert und im Gespräch mit dem Patienten überprüft. Dabei wird dieser auch informiert über die Annahmen des Therapeuten. Dieser erstellt daraufhin ein Fallkonzept. Danach tritt die Therapie in die zweite Phase der Veränderung ein. In den beiden Therapiephasen kommen fünf Interventionsprinzipien zum Einsatz: 1.) Einschätzung und Edukation über Schemata, 2.) Kognitive Interventionen, 3.) Erlebnisbasierte Interventionen, 4.) Unterbrechung maladaptiver Verhaltensmuster, bei der auch mit Hilfe bewährter Methoden aus der Verhaltenstherapie die Überwindung der unerwünschten Verhaltensmuster erreicht werden soll. Als 5. Interventionsprinzip wird auch die Beziehung zwischen dem Therapeuten und dem Patienten als Mittel zur Veränderung eingesetzt. Damit das unerwünschte Verhalten nicht automatisch wieder ausgeführt wird, erarbeitet der Patient innerhalb der Therapie Wege, eine „innere Distanz“ zu seinen eingefahrenen Verhaltensmustern herzustellen. Dazu erhält er den Auftrag, das eigene Verhaltensrepertoire wertfrei aus einem Abstand zu beobachten und zu analysieren. Die wertfreie Beobachtung soll Selbsterkenntnis und Verstehen der Ursachen der vom Patienten unerwünschten Verhalten ermöglichen. Aus der Selbsterkenntnis heraus kann der Patient in der nächsten entsprechenden Situation bewusster handeln, der „Falle alter Verhaltensmuster“ entgehen und für diese Situationen neue, von ihm erwünschte Handlungsmuster entwerfen.

Als Hilfsmittel für eine Distanzierung zu den eigenen Gefühlen, zum Verstehen der alten sowie zum Erarbeiten der neuen Verhaltensmuster, wird die therapeutische Spaltung/Dissoziation eingesetzt. Das ist eine therapeutisch erwünschte und bewusst herbeigeführte Aufspaltung in verschiedene Aspekte der eigenen Persönlichkeit, die bildhaft vorstellbar/Imagination sind, beispielsweise das Innere Kind in unterschiedlichen Erscheinungsformen/Modi wie: verletztes, verärgertes, undiszipliniertes oder glückliches Kind.[2] S.341/2

Innerhalb der Behandlung leitet der Therapeut Imaginationen an, und übernimmt beispielsweise im imaginativen Rollenspiel einen Part der Eltern. Dabei bietet er dem Patienten über das sogenannte „Reparenting“ die elterlichen Qualitäten an, die fehlten. Je nach Problematik und bestehenden Schemata kann dies elterliche Fürsorge sein, Stärkung des Vertrauens, Vermittlung von Stabilität, emotionale Zuwendung, Fördern der Unabhängigkeit. Ziel der therapeutischen Arbeit besteht darin, entsprechend dem Vorbild des Therapeuten den Schemamodus „gesunder Erwachsener“ zu verinnerlichen. Mit dessen Hilfe soll der Patient zukünftig die Wirkung maladaptiver Schemata erkennen und gesunde Verhaltensweisen entwickeln können, also erlernte Automatismen durch zielgerichtete, bewusste und angemessene Handlungen ersetzen.[2]S.233

Der zugehörige therapeutische Prozess arbeitet mit innerer Distanzierung, bewusster Wahrnehmung, sehr detaillierter Betrachtung und Benennung der verschiedenen Aspekte der Verhaltensgrundmuster.

Literatur

  • Eckhard Roediger: "Praxis der Schematherapie". Schattauer Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2009. ISBN 978-3-7945-2621-5

Einzelnachweise

  1. Aaron T. Beck, Arthur Freeman Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen BeltzPVU; Auflage: 4. Aufl. (1. April 1999) ISBN 3621271554
  2. a b Jeffrey E. Young, Janet S. Klosko, Majorie E. Weishaar „Schematherapie. Ein praxisorientiertes Handbuch“ Verlag: Junfermann 2005 ISBN 3873875780

Weblinks


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