Sidney M. Goldin

Sidney M. Goldin

Sidney M. Goldin (* 25. März 1878[1] in Odessa; † 19. September 1937 in New York) war ein US-amerikanischer Autor, Darsteller und Regisseur des jiddischen Theaters sowie als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent einer der bedeutendsten Vertreter des jiddischen Films. Er begann seine Karriere in Europa und setzte sie in den USA fort. Er arbeitete häufig mit den Schauspielern Molly Picon, Maurice Schwartz und Ludwig Satz zusammen.

Inhaltsverzeichnis

Die frühen Jahre[2]

Goldin kam mit seinen Eltern vermutlich im Juli 1880[3] in die USA und blieb die kommenden 39 Jahre ununterbrochen in New York (erster Wohnsitz) ansässig. Am 25. März oder April[4] 1900 wurde er eingebürgert. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts sammelte er erste berufliche Erfahrungen als Bühnenaushilfe und Kleindarsteller an Ostküstentheatern sowie zwei Jahre lang bei den Essanay-Filmstudios in Chicago.

Seit 1912 begann Goldin in New York Filme zu drehen. Seine Kontakte zu jüdischen Bühnenschauspielern machte es ihm leicht, für seine jiddischsprachigen Inszenierungen die ideale Besetzung zu finden. Am 28. Juni 1919 verließ er erstmals wieder die USA und schiffte sich nach England ein, mit der Absicht, dort als "Kino Director & Regisseur" zu arbeiten, wie er halb deutsch, halb englisch in einem Antragsformular schrieb. Goldin blieb in London zwischen dem 6. Juli 1919 und dem 24. Mai 1920 und inszenierte dort einige wenige Filme. Dann übersiedelte er nach Prag, wo er seit dem 23. Juni 1920 nachzuweisen ist. Offenbar kehrte er zwischendurch wieder in die USA zurück, im Oktober 1920[5] reiste Goldin aber wieder nach Europa ein.

Seit er sich im Dezember 1920[6] oder Ende März 1921[7] in Wien niedergelassen hatte, realisierte Goldin in den kommenden Jahren mehrere Filme in eigener Produktion (Goldin-Film): ein Melodram mit Magda Sonja („Ihre Vergangenheit“), ein Drama mit der sehr jungen Anny Ondra („Führe uns nicht in Versuchung“), eine Schurkengeschichte mit Ondra-Entdecker Karel Lamac („Hütet eure Töchter“), sowie zwei teils dramatische, teils komödiantische Lebensschicksale aus dem ostjüdischen Milieu (Ost und West und „Jiskor“).

Auf dem Karrierehöhepunkt

Einige dieser Filme hatten Molly Picon vom New Yorker Yiddish Art Theatre in der Hauptrolle und entstanden meist als Koproduktion von Goldins Produktionsfirma mit österreichischen Gesellschaften wie der Marischka-Film, der Listo-Film, der Astoria-Film und der Jüdische Kunstfilm. Die Komödie Ost und West erzählte vom Umgang mit Tradition und Assimilation in jüdischen Familien. An ihrer Entstehung war auch die New Yorker Filmgesellschaft Picon-Film der Hauptdarstellerin beteiligt. In dieser Zeit kollaborierte Goldin auch mit anderen Mitgliedern des New Yorker Yiddish Art Theatre rund um Maurice Schwartz sowie dem Picon-Ehemann Jacob Kalich - mit dem Ehepaar hatte Goldin bereits in New York gefilmt - aber auch mit dem ungarisch-jüdischen Schauspieler Oskar Beregi, der sich bereits in Budapest einen Namen als Filmschauspieler gemacht hatte. Zwischendurch (ab 21. Dezember 1923) hielt sich Goldin kurzzeitig erneut in New York auf. Seine diversen Anträge auf Ausstellung eines amerikanischen Reisepasses (1919-1922) legen nahe, dass er vorhatte, aus beruflichen Gründen auch Frankreich, die Niederlande, Rumänien, Ungarn, Bulgarien, Jugoslawien, Italien und die Schweiz zu besuchen.

Seit Ende Januar 1925[8] unternahm er von Wien aus mehrere Stippvisiten nach Warschau und Deutschland. Am 14. Oktober 1925 kehrte Goldin endgültig nach New York heim. Er übersiedelte nach Hollywood, wo er von den A-B Studios unter Vertrag genommen wurde. Mit seinem nächsten Film, On the Mountains, führte er seinen Arbeitgeber beinahe in den Konkurs, da der Film sowohl künstlerisch als auch kommerziell ein Misserfolg war. Er arbeitete fortan für unabhängige Produzenten. Die ab 1929 hergestellten Filme wiesen bereits Ton auf.

Die späten Jahre

Nach dem Film East Side Sadie (1929) ging Goldin nach New York, wo er fortan jiddischsprachige Tonfilme herstellte. Diese Arbeiten können als wichtige Dokumente einer heute untergegangenen (ost)jüdischen Kultur angesehen werden. Sein letzter Film war The Cantor's Son (1937). Während eines Aufenthaltes in Easton erkrankte Goldin. Er starb während der Dreharbeiten im French Hospital in New York an einem Herzleiden.[9] Dieses Werk, eine Geschichte aus dem Kantoren-Milieu, wurde von Ilya Motyleff vollendet.

Einige seiner Filme sind erhalten, wurden vom National Center for Jewish Film an der Brandeis University restauriert und mit englischen Untertiteln als DVD veröffentlicht, darunter Ost und West, Jiskor und The Cantor's Son.

Filmografie

Filme, die Sidney M. Goldin inszeniert hat, wenn nicht anders angegeben. In Klammer werden, wenn bekannt, auch der jiddische Titel (sofern dieser nicht der Originaltitel ist), das Produktionsland und die Laufzeit angegeben. Zumeist hat Goldin die Drehbücher zu seinen Filmen auch selbst geschrieben. Manche Filme hat Goldin auch produziert, in manchen ist er auch aufgetreten, was jedoch hier nicht extra angegeben wird.

Kurzfilme:

  • 1912: A Western Child's Heroism (als Sidney M. Golden)
  • 1912: The Adventures of Lieutenant Petrosino
  • 1913: The Heart of Jewess
  • 1915: The Period of the Jew (als Sidney M. Golden)
  • 1915: The Jewish Crown (als Sidney M. Golden)
  • 1915: Hear Ye, Israel (USA)
  • 1915: The Last of the Mafia (USA)
  • 1915: What Might Have Been (USA, als Sidney M. Golden)
  • 1915: The Hunchback's Romance (USA, als Sidney M. Golden)
  • 1915: When the Call Came (USA, als Sidney M. Golden)
  • 1915: Billy's College Job (USA)
  • 1916: Oh! What a Whopper! (USA, als Sidney M. Golden)
  • 1918: It Can't Be Done (USA, als Sidney M. Golden)
  • 1918: The Mysterious Mr. Browning (USA, als Sidney M. Golden)
  • 1919: The Gates of Doom (Großbritannien)
  • 1920: The Woman Hater (Großbritannien)
  • 1920: The Bird Fancier (Großbritannien)
  • 1929: Style and Class (USA)
  • 1929: The Eternal Prayer (USA)
  • 1930: Shoemaker's Romance (USA)
  • 1930: Sailor's Sweetheart (USA)
  • 1930: Oy, Doktor! (USA)
  • 1930: Kol Nidre (USA)
  • 1930: The Jewish Gypsy (USA)
  • 1931: Shulamith (USA, 46 min)
  • 1931: Feast of Passover (Di Seder Nacht) (USA, 15 min)
  • 1931: A Cantor on Trial (Chasn afn Probe) (USA, 11 min)
  • 1937: I Want to be a Border (Ich wil Sain a “Boarder”) (USA, als Produzent; Regie: George Roland)

Langspielfilme:

  • 1920: Tam na horách (Tschechien)
  • 1921: Ihre Vergangenheit (Ö/USA)
  • 1921: Führe uns nicht in Versuchung (Österreich)
  • 1922: Hütet eure Töchter (Österreich)
  • 1923: Ost und West (Mizrekh un Mayrev) (Österreich, 61 oder 85 min)
  • 1924: Jiskor (Österreich, 100 min)
  • 1929: East Side Sadie (USA, 60 min)
  • 1930: My Jewish Mother (USA, 60 min)
  • 1930: Eternal Fools (USA, 68 min)
  • 1931: His Wife's Lover (Sain Waibs Lubovnik) (USA, 80 min)
  • 1932: Uncle Moses (Onkel Moses) (USA, 80 min)
  • 1933: Yiskor (USA, 80 min)
  • 1933: Live and Laugh (USA, 60 min)
  • 1934: The Voice of Israel (USA, 93 min, Dokumentarfilm)
  • 1936: Love and Passion (Libe und Laidnschaft) (USA, als Produzent)
  • 1937: The Cantor's Son (USA, 90 min, Regie mit Ilya Motyleff)

Einzelnachweise

  1. lt. Filmarchiv Kay Weniger, basierend auf im Archiv vorliegenden Paßbeantragungsformularen Goldins der Jahre 1919, 1920 und 1922. Das kursierende Geburtsdatum 28. März 1877 ist nicht zutreffend
  2. lt. Filmarchiv Weniger, basierend auf Archivforschungen in den USA (AMPAS-Unterlagen) und in Wien
  3. in anderen Originaldokumenten werden auch die Jahre 1881 und 1883 angegeben
  4. lt. unterschiedlichen US-Dokumenten
  5. lt. Department Passport Application, ausgestellt vom American Consulate at Vienna am 18. September 1922
  6. lt. US-Dokument
  7. lt. Meldeunterlagen der Stadt Wien
  8. wie 7
  9. "Sidney M. Goldin; Motion Picture Director Became Ill While on Location." New York Times, 21. September 1937

Weblinks


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