Symposion (Platon)

Symposion (Platon)
Anselm Feuerbach, Das Gastmahl des Plato, 1873, Berliner Nationalgalerie

Das Gastmahl (Symposion, griech.: Συμπόσιον = „Zusammentrinken“, Trinkgelage) ist ein Dialog des griechischen Philosophen Platon. Er wird der mittleren Schaffensperiode Platons zugeschrieben und wäre demnach etwa um 380 v. Chr. entstanden. Zusammen mit den Dialogen Parmenides, Philebos und dem Phaidros zählt er zur dritten Tetralogie der platonischen Werke.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der junge Tragödiendichter Agathon hat während der Lenäen 416 v. Chr. einen Preis errungen. Am Tag nach der großen Siegesfeier hat er Freunde und Bekannte aus der athenischen Gesellschaft zu sich nach Hause eingeladen. Noch vom Vortag erschöpft, beschließen die Gäste, nüchtern zu bleiben. Auf Anregung des Phaidros wollen sie Lobreden auf den Eros (die Leidenschaft) halten. Besondere Wirkung geht von Aristophanes’ Mythos der Kugelmenschen aus; Höhepunkt ist die Erzählung des Sokrates, wie er selbst von Diotima in das Verständnis des Eros eingeweiht worden sei; schließlich beglaubigt Alkibiades das daimonische Wesen des Sokrates (Platonische Liebe).

Aufbau

Der Dialog gliedert sich zusammengefasst wie folgt:

  • Ein gewisser Apollodor erzählt einem Gefährten auf dem Weg nach Athen die Reden des berühmten Symposions, wie er selbst sie durch den Sokrates-Schüler Aristodemos kennengelernt habe.
  • Als erster preist der junge Phaidros den Eros als einen der ältesten Götter. Ein treuer Freund sei das größte Glück, Eros sporne zu größter Tapferkeit und Heldenmut an.
  • Der Adlige Pausanias führt den Eros auf die Liebesgöttin Aphrodite zurück. Da es aber bekanntlich eine doppelte Aphrodite gebe, eine gewöhnliche und eine himmlische, gebe es auch zweierlei Eros. Der gewöhnliche suche nur körperliche Befriedigung, der himmlische hingegen die bleibende Vereinigung mit der Wesensart des Freundes und sei als solcher den Männern vorbehalten. Nur dieser Eros sei zu loben. Sophistisch geschult, unterscheidet Pausanias regional verschiedene Sitten der Päderastie und hebt die athenische als besonders wertvoll heraus.
  • Der Arzt Eryximachos deutet den zweifachen Eros im Sinne medizinischer und physiologischer Theorien, denen zufolge die ganze Natur vom Wechselspiel „erotischer“ Kräfte bestimmt sei: Wärme – Kälte, Bitterkeit – Süße, die es miteinander zu befreunden gelte. Diese Sicht weitet Eryximachos weiter aus auf Musik und Astronomie, schließlich auf die Seherkunst, die Götter und Menschen miteinander befreunde.
  • Der Komödiendichter Aristophanes will nun aber auf andere Weise die Macht des Eros erweisen. Er erzählt den (wohl hier erst gestifteten) Mythos von den ursprünglich rein-männlichen, rein-weiblichen bzw. androgynen Kugelmenschen, die von den Göttern aus Angst vor deren Kraft und Stärke entzwei geteilt wurden und seither verzweifelt nach ihrer verlorenen Hälfte suchen. Dieses Streben nach der Wiederherstellung der Ganzheit sei nun der Eros, der ihnen mit einem passenden Geliebten die höchste Glückseligkeit spende.
  • Der Tragödiendichter Agathon stellt, rhetorisch vollendet, Eros in etlichen Beweisverfahren als ewig jungen, zarten, wunderschönen, gerechten, besonnenen und tapferen, ja weisen Gott dar, dem er abschließend einen feierlichen Hymnus widmet.
  • Sokrates kann so nicht sprechen, aber er entlarvt doch dialektisch die Darlegungen seiner Vorredner als schönen Schein zur Verdeckung von Unwahrheit. Sokrates selbst habe sich von der Priesterin Diotima in das rechte Verständnis vom Eros einweihen lassen. Sie habe ihn den Eros als Daimon, als Mittler zwischen Sterblichen und Unsterblichen gelehrt – mythisch als Sohn der „Armut“ (Penia) und des „Wegfinders“ (Poros) –, zwischen Unwissenden und Wissenden. Dies sei auch die Lage des Philosophen. Letztes Ziel des Eros nun sei die „Zeugung im Schönen“ zur Hervorbringung von Unsterblichem. Bei manchen gehe jedoch der Eros über die körperliche Zeugung hinaus auf die schöne Seele eines Freundes. „Kinder“ solcher Männer seien ihre politischen und dichterischen Schöpfungen. Der Einweihungsweg des Eros beginne aber in der Jugend mit der Begeisterung für einzelne schöne Knaben. Von dort gelange er zur Leidenschaft für körperliche Schönheit allgemein, dann zur Begeisterung für schöne Handlungen, dann zur Leidenschaft für schöne Erkenntnis, bis schließlich zur vollkommenen Erkenntnis des Schönen an sich selbst, zur Idee des Schönen.
  • Nun dringt, stark betrunken, mit allen Attributen des Gottes Dionysos, Alkibiades in die Gesellschaft ein. Dieser hält eine Lobrede auf seinen persönlichen Eros Sokrates: Allerseits begehrt, ist er selbst seit seiner Jugend nur an Sokrates interessiert, doch dieser habe sogar seinen – Alkibiades’ – überragenden körperlichen Reizen widerstehen können. Er zeigt Sokrates als einen wahrhaft „daimonischen“ Menschen, der sich zwar der Leidenschaft widme, ohne ihr jedoch zu unterliegen. Diese Tugend des Sokrates wird durch Beispiele seiner Unempfindlichkeit gegen Strapazen und seines im Krieg erwiesenen Mutes unterstrichen.
  • Schließlich fallen weitere Zecher ein und die ursprünglich nüchterne Gesprächsrunde endet in einem wilden Rausch. Allein Sokrates behält, obwohl er am längsten von allen trinkt, einen klaren Kopf und macht sich am frühen Morgen auf, um seinen gewöhnlichen Beschäftigungen nachzugehen. Sein Schüler Aristodemos folgt ihm.

In Platons philosophischem Werk gibt es nur wenige Beiträge weiblicher Rollen. Die zentrale Rede der Diotima im Symposion - einer der bekanntesten Dialoge Platons - ist hier ebenso zu nennen, wie die rezitierte Leichenrede der Aspasia von Milet im Dialog Menexenos. Daneben wird im Parmenides-Dialog eine Rede der Göttin Dike zugeschrieben.

Ausgaben

  • Platon: Symposion, Gr./Dt. Übers. und Hrsg. von Thomas Paulsen und Rudolf Rehn, Reclam, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-15-018435-6
  • Platon: Das Trinkgelage oder Über den Eros, Insel Verlag it 3041, Frankfurt, Leipzig 2004, ISBN 3-458-34741-0
  • Platon: Das Gastmahl oder Von der Liebe, Übers. u. Einl. von Kurt Hildebrandt, Reclam, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-15-000927-7

Literatur

  • Alexander Grau: "Wie werden wir uns am behaglichsten Betrinken?" Platons Symposion. In: Franz-Theo Gottwald/Lothar Kolmer (Hg.): Speiserituale. Essen, Trinken, Sakralität. Hirzel Verlag, Stuttgart 2005, S. 161-169, ISBN 3-7776-1374-6. (Kulturgeschichtliche, kurze Einführung mit weiterführender Literatur.)
  • Richard Hunter: Plato’s Symposium. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-516080-0.
  • Wiebrecht Ries: Platon für Anfänger. Symposion. Eine Lese-Einführung. dtv, München 2003. ISBN 978-3-423-34002-1.
  • Stanley Rosen: Plato's Symposion. St. Augustine's Press, London 1999, ISBN 1-890318-64-7.
  • Kurt Sier: Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion. Saur Verlag, Stuttgart/Leipzig 1997, ISBN 3-598-77635-7 (=Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 86).
  • Hartmut Buchner: Eros und Sein. Erörterungen zu Platons Symposion. Bonn 1965, ISBN 3-416-00332-2.
  • Marco Heiles: Zwei Fragen an die Rede des Alkibiades in Platons "Symposion". München 2010, ISBN 978-3-640-56638-9.
  • Gerhard Krüger: Einsicht und Leidenschaft. Das Wesen des platonischen Denkens (1939). 6. Aufl., Klostermann, Frankfurt am Main 1992, ISBN 978-3-465-02570-2.

Rezeption, Gemälde etc.

  • Methodios von Olympos schrieb eine christliche Variante des Gastmahls, die nicht den Eros, sondern die Keuschheit zum Thema hat.
  • Marsilio Ficino (1433–1499) De amore, auch eine christliche Variante, in der sieben Florentiner Gelehrte Platons Symposion auslegen.
  • Anselm Feuerbach, Das Gastmahl, 1. Fassung 1869, 2. Fassung 1874 (Gemälde).
  • Leonard Bernstein nannte sein Violinkonzert Serenade nach Platos Symposium. Darin wird musikalisch der Verlauf des Gesprächs und die verschiedenen Charaktere der Redner dargestellt.

Weblinks


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