Utz Jürgen Schneider

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Folgendes muss noch verbessert werden:  Ein wenig zu euphorisch über den "Robin Hood" und dazu ziemlich unbelegt. – Simplicius 20:06, 4. Mai 2009 (CEST)
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Utz Jürgen Schneider (* 30. April 1934 in Frankfurt am Main) ist ein ehemaliger deutscher Immobilienunternehmer, sich vor allem durch die aufwendige Sanierung historischer Immobilien in Frankfurt, München, Leipzig und Berlin einen Namen gemacht hat. Nach einer aufsehenerregenden Milliardenpleite im Jahre 1994 wurde Schneider 1995 verhaftet und wegen Betrugs, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Er wurde 1999 aus der Haft entlassen.

Inhaltsverzeichnis

Der Aufstieg

Der ehemalige Firmensitz von Jürgen Schneider, die Villa Andreae in Königstein im Taunus

Jürgen Schneider, Sohn des mittelständischen Bauunternehmers Richard Schneider (u.a. Ehrensenator der TU Darmstadt) studierte Bauingenieurwesen in Darmstadt. Dort wurde er wie sein Vater Mitglied des Corps Hassia Darmstadt. Später promovierte er im Fach Staatswissenschaften an der Universität Graz. Ab 1963 durchging er, vom strengen Vater sabotiert und kleingehalten, eine harte Lehrzeit. Aufgrund des hohen Alters des Vaters Richard stand nach rund zwanzig Jahren die Nachfolge des Firmenleiters ins Haus. Richard Schneider weigerte sich jedoch seinem Sohn vollen Einblick in die Bilanzaufstellung zu geben und verlangte weiterhin absolute Befehlsgewalt. Das Risiko als Geschäftsführer sollte jedoch Schneider Junior selbst tragen. 1982 eskalierte der Konflikt und Schneider legte seine Kündigung vor. In der Folge soll der Vater die ihm bekannten Banken aufgefordert haben, seinem Sohn kein Geld zu leihen und versuchte ihn somit zur Einwilligung des Reglements der Geschäftsführung zu bewegen.

Die Aufforderung des Vaters bereitete für Schneider aber bei der Erlangung von Krediten kein Problem. Zu seinem guten Ruf als Bauingenieur verfügte er außerdem über eine vermögende Ehefrau (Granzow Elektrohandel). Im Laufe des kommenden Jahrzehntes stieg Schneider zu einem der bedeutendsten und angesehensten Bau-Investoren des Landes auf. Aus der denkmalgeschützten Firmenzentrale, der prunkvoll restaurierten Villa Andreae in Königstein im Taunus (pikanterweise seinen Geldgebern unbekannt: erbaut von einem Mitgründer der Commerzbank), regierte er sein milliardenschweres Imperium aus über 150 Immobilien.

Mädlerpassage in Leipzig

Zu dieser Zeit war Schneider hoch geschätzt - nicht zuletzt, weil er sich vor allem historischen Immobilien in innerstädtischen Bestlagen deutscher Großstädte widmete, die er kunstsinnig und aufwändig restaurieren ließ. Allein in Leipzig investierte er in 15 wertvolle Baudenkmäler wie die legendäre Mädler-Passage und den Barthels Hof. Finanziert wurden die teuren Vorzeigeprojekte von verschiedenen Banken, die sich von Schneiders Restaurierungsbegeisterung anstecken ließen und ihm großzügig Kredite gaben.

Täuschung und Leichtgläubigkeit der Geschäftspartner

Zeilgalerie

Durch sein erstes, erfolgreich saniertes und mit erheblichem Gewinn weiterveräußertes Großprojekt kam Schneider auf die Idee, weitere Sahnestücke in Top-Lagen deutscher Großstädte aufzukaufen, zu sanieren und zu vermarkten. Mangels ausreichenden Eigenkapitals waren ihm die riesigen Investitionen nur durch Kreditaufnahme bei zahlreichen Banken möglich. Immer neue Vorhaben kamen hinzu. Die Mieteinnahmen blieben stets deutlich hinter den Prognosen zurück - zum Einen wegen zu optimistischer Markteinschätzung und zum Anderen wegen bewusst überzogener Flächenangaben und Mietprognosen. Hinzu kam das Stagnieren und der Verfall der Immobilienpreise. Was Schneider nicht bedachte, brachte später einer seiner Verteidiger auf den Punkt: Es war ein Imperium der Hoffnungswerte, das nur zu funktionieren schien, solange Expansion möglich war. Weil seine Projekte fast ausnahmslos unrentabel und durch die Wende auf dem im Gefolge der Wiedervereinigung überhitzten Immobilienmarkt kaum verkäuflich waren, benötigte Schneider immer größere Kredite, um die Verluste aus seinen Investitionen aufzufangen.

Der eigentliche Skandal an der Schneider-Affäre war aber die grobe Fahrlässigkeit der Banken bei der Vergabe von Krediten. Zu verlockend war der Großkunde Schneider und zu groß der „Futterneid“ gegenüber anderen Banken.

Auf die Idee zur Schönung von Zahlen zugunsten eines höheren Kreditbetrages soll ihn ausgerechnet ein Mitarbeiter der Hypotheken-Tochtergesellschaft der Deutschen Bank gebracht haben, nämlich den Beleihungswert eines Objektes (das Goldene Kreuz in Baden-Baden) durch geschönte Angaben zu steigern. Schneider bekam den Kredit und fand offenbar Gefallen an der Ausnutzung der offensichtlichen Nachlässigkeit der Kreditinstitute bei der Überprüfung seiner Angaben.

Zum Beispiel erhöhte Schneider für einen Kredit die Angaben für den Neubau der Zeilgalerie, einem großen Geschäftsgebäude auf der Frankfurter Zeil, für die tatsächliche Nutzfläche von 9.000 Quadratmetern in den Unterlagen auf angebliche 22.000. Den Mitarbeitern der Deutschen Bank war bei der Überprüfung offenbar entgangen, dass auf dem Bauschild (unweit ihrer Zentrale) die Nutzfläche korrekt mit 9.000 Quadratmetern angegeben war. Auch ihren Münchener Kollegen gegenüber dem Bernheimer Palais fiel offenbar nicht auf, dass zwei Stockwerke und damit einige Tausend Quadratmeter fehlten.

Der große Knall

Ende Februar 1994 erschien ein kritischer Artikel über Probleme mit Mietern der Schneider-Immobilien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Schneider begann an der Standhaftigkeit seines Lügengebäudes zu zweifeln. Nur solange seine Liquidität sicher war, die Kredite weiterliefen und durch Verkäufe oder neue Kredite Geld hereinkam, konnte sein System weiterlaufen. Das wurde den Banken aber schließlich zu riskant. Als er Anfang April seinen Hauptkreditgeber Deutsche Bank über die drohende Zahlungsunfähigkeit informierte, kam der Stein ins Rollen. Jeder Gläubiger wollte bei der Verwertung des Schneider-Imperiums der Erste sein. Schneider wollte angeblich zunächst die Geschicke seiner schwer zu durchschauenden Unternehmungen vom Ausland aus leiten und tauchte deshalb mit seiner Frau Claudia unter. Die Bombe war geplatzt. Während die Schneiders mit internationalem Haftbefehl gesucht wurden, begann am 14. April 1994 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem Königsteiner Amtsgericht die Aufnahme des entstandenen Schadens.

Schneiders Bankschulden beliefen sich auf ca. 5,4 Milliarden DM [1] [2] [3], knapp ein Viertel davon stammte von der Deutschen Bank. Deren damaliger Vorstandssprecher Hilmar Kopper bezeichnete auf einer Pressekonferenz die den von Schneider engagierten Handwerkern entstandene Schadenssumme in Höhe von ca. 50 Millionen DM als Peanuts. Diese Äußerung hat das Ansehen der Deutschen Bank, der ein Mitverschulden an der Milliardenpleite vorgeworfen wurde, stark beschädigt. Peanuts wurde in der Folge das Unwort des Jahres 1994. Als Ausgleich erklärte sich die Deutsche Bank in der Folgezeit bereit, sämtliche von Schneider nicht bezahlten Handwerkerrechnungen zu zahlen, um so einen noch größeren Imageschaden abzuwenden.

Flucht

Schneider tauchte erst wesentlich später wieder auf. Die internationale Fahndung endete erst am 18. Mai 1995, als Jürgen und Claudia Schneider in Miami, Florida festgenommen wurden.[4] [5] Jürgen Schneider verbrachte die Zeit bis zu seinem Prozess zunächst in US-amerikanischer und nach der Auslieferung im Februar 1996 in deutscher Untersuchungshaft.

Der Prozess

Am 30. Juni 1997 begann der spektakulärste Wirtschaftsstrafprozess, den Deutschland bis dahin erlebt hatte. Als Zeugen wurden Vertreter von über 50 Banken vor das Frankfurter Landgericht geladen. Im Verlaufe des Prozesses, der 41 Verhandlungstage dauerte, stellte Richter Heinrich Gehrke eine Mitschuld der Banken an der Milliardenpleite fest - in erster Linie, weil die Mitarbeiter der Kreditabteilungen die falschen Angaben ungeprüft akzeptierten, obwohl ihnen in mehreren Fällen sogar bankinterne Warnungen vorlagen. Auch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen stellte fest, dass allein die Deutsche Bank in 15 Fällen gegen Vorschriften des Kreditwesens- und Hypothekenbankgesetzes verstoßen habe.

Diese Mitschuld der Kreditinstitute war es, die Schneider am 23. Dezember 1997 eine angesichts der Schadenshöhe relativ milde Strafe von sechs Jahren und neun Monaten einbrachte. Eine strafrechtliche Verfolgung von Mitarbeitern der am Skandal beteiligten Banken fand nicht statt. Doch insbesondere die Deutsche Bank hatte für Monate mit schweren Image-Problemen zu kämpfen.

Sein Strafverteidiger war Yitzhak Goldfine.

Das Leben danach

Nachdem Schneider im Dezember 1999 aus der Haft entlassen wurde (unter Anrechnung der Untersuchungshaft verbüßte er zwei Drittel der Haftstrafe), wurde er Autor. Unter Mitarbeit des Ghostwriters Ulf Mailänder veröffentlichte er drei Bücher, darunter die Autobiographie Bekenntnisse eines Baulöwen sowie eine Übersicht über seine Immobilien unter dem Titel Alle meine Häuser. Moderne Denkmale in Deutschland. Die Einnahmen sollen in den von Schneider eingerichteten Hilfsfonds zur Unterstützung von der Pleite geschädigter Handwerker fließen.

Noch während des Gefängnisaufenthalts geriet der angeblich geläuterte Schneider in die nächsten Schwierigkeiten. Es ging um das Erbe des 1998 verstorbenen Vaters Richard Schneider, das die Geschwister, zu einem Drittel auch Jürgen Schneiders Kinder Ysabel und Nicolai, erhielten. Dabei ging es um die Vorwürfe der Steuerhinterziehung. Dieses Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Negative und positive Stimmen

Nicht nur in bankenkritischen Kreisen gilt Jürgen Schneider als moderner Robin Hood, der sich um den Erhalt und die Wiederbelebung zahlreicher wertvoller, aber heruntergekommener historischer Bauwerke verdient gemacht hat, die sonst nach rein ökonomischen Kriterien der Abrißbirne zum Opfer gefallen wären.

Vor allem große Teile der Leipziger Bevölkerung sind ihm bis heute für die aufwändige Sanierung zahlreicher historischer Bauten dankbar, die ohne Schneiders baurestauratives Engagement wohl kaum möglich gewesen wäre. Die Bedeutung Schneiders für die bauliche Restauration der Leipziger Innenstadt drückt sich in speziellen Stadtführungen der besonderen Art aus, in deren Mittelpunkt die kulturhistorisch bedeutenden, ehemaligen Schneider-Gebäude stehen. In Auerbachs Keller in Leipzig ist Jürgen Schneider in einem Wandgemälde verewigt, welches ihn als Mephisto in Goethes Faust zeigt.

Andererseits wurden zahlreiche Handwerker durch seinen Konkurs geschädigt und in deren Existenz gefährdet. Ob die von ihm sanierten Top-Objekte auch ohne seinen kunstsinnigen Sachverstand derart aufwändig und detailgetreu instandgesetzt worden wären, muss dahingestellt bleiben.

Schneiders Aufstieg und Fall wurde ein eigenes Kapitel in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Seine Unverfrorenheit im Umgang mit seinen Geldgebern wurde legendär. Erschütternd und faszinierend zugleich führte er vor, wie es möglich war, systematische Schwächen des Bankensektors wie mangelnden Immobilien-Sachverstand, bankinternes Kompetenzgerangel, Neid und Missgunst gegenüber den Wettbewerbern und letztlich Arroganz der Chefetagen zu seinem Vorteil auszunutzen. Nicht wenige Involvierte fühlten sich dabei an Figuren wie den Hauptmann von Köpenick und den braven Soldaten Schwejk erinnert. Mitleid mit den Banken hatte kaum jemand.

Literatur

  • Marc Frey: Die Akte Schneider. Piper, München 1996, ISBN 3492038832
  • Udo Frank, Beate Thorn: Paläste, Pleiten, Peanuts. Der Banken-Skandal Schneider., Hoffmann und Campe, 1996, ISBN 3455111807
  • Jürgen Schneider: Bekenntnisse eines Baulöwen. Ullstein, Berlin 1999, ISBN 3898340058
  • Jürgen Schneider: Alle meine Häuser. Moderne Denkmale in Deutschland. Verlag Ausbildung und Wissen (VAW), Bad Homburg 2000, ISBN 3932366107
  • Jürgen Schneider: Top oder Flop - Was gute Geschäfte von schlechten unterscheidet. Eichborn, Frankfurt a.M. 2001, ISBN 3821816473

Einzelnachweise

  1. Tarik Ahmia: „Langfinger schaden Unternehmen“, die tageszeitung, 5. Juli 2006
  2. „Wirtschaftspleiten - Die spektakulärsten Fälle“, stern, 12. August 2002
  3. „Jürgen Schneider schreibt weiteres Buch“, Leipziger Volkszeitung, 3. Mai 2000
  4. „Chronik eines Verschwindens“, Focus, 1995, Nr. 35
  5. Hasnain Kazim: „Milliardenbetrüger Jürgen Schneider“, Spiegel / einestages, 20. Dezember 2007

Weblinks


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