Verdichtungsgrad

Verdichtungsgrad

In der Analysis ist ein Häufungspunkt einer Menge anschaulich ein Punkt, der unendlich viele weitere Punkte in seiner Nähe hat. Ein Verdichtungspunkt einer Folge ist ein Punkt, der Grenzwert einer Teilfolge ist. Beide Begriffe sind eng miteinander verwandt. Entsprechende, aber im Detail leicht unterschiedliche Definitionen gibt es in der Topologie. Der Begriff des Häufungspunkts spielt eine wichtige Rolle in der Mathematik.

Inhaltsverzeichnis

Häufungspunkte und Grenzwerte

Der Begriff Folgenhäufungspunkt ist eng verwandt mit dem Begriff Grenzwert. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass jede Folge höchstens einen Grenzwert haben kann, aber möglicherweise mehrere, vielleicht sogar unendlich viele Häufungspunkte.

Von einem Grenzwert wird gefordert, dass in jeder Umgebung fast alle Folgenglieder liegen. Bei einem Häufungspunkt müssen dies nur unendlich viele sein. Es können also nochmals „unendlich viele“ Folgenglieder für weitere Häufungspunkte übrig bleiben. Wenn eine Folge einen Grenzwert hat, dann ist dieser Grenzwert insbesondere auch ein Folgenhäufungspunkt. Wenn eine Folge in einem Hausdorff-Raum (also insbesondere jede Folge in einem metrischen Raum) mehrere Folgenhäufungspunkte hat, dann hat sie keinen Grenzwert.

Folgenhäufungspunkte und Mengenhäufungspunkte

Die Begriffe Folgenhäufungspunkt und Mengenhäufungspunkt sind eng miteinander verwandt, aber nicht genau gleichwertig. Das demonstriert folgendes Beispiel:

Die Folge a=(a_n), n \in \N sei folgendermaßen definiert:

a_n:=\begin{cases} 1/n, & \mbox{falls } n\mbox{ gerade}\ , \\ 1, & \textrm{sonst.}\end{cases}

Die Folge a hat zwei Häufungspunkte. Die Teilfolge (a2n) konvergiert gegen 0, also ist 0 Folgenhäufungspunkt von (an). Die Teilfolge (a2n + 1) konvergiert gegen 1, also ist auch 1 Folgenhäufungspunkt von (an). Die Menge der Folgenglieder von (an) ist definiert durch

X((a_n)):=\left\{x\in\mathbb{R}\mid \exists n\in\mathbb N: a_n=x \right\}

Das heißt, X( (a_n) )\, ist die Menge aller x, die gleich dem Wert eines Folgenelementes sind. Siehe Bildmenge von Funktionen. Nun ist 0 ein Häufungspunkt der Menge X( (a_n) )\,, denn um jede ε-Umgebung gibt es noch Elemente 1/n\, mit 1/n < \varepsilon, die 1 jedoch nicht, da sich zum Beispiel in seiner Umgebung mit dem Radius 0,3 kein weiteres Element der Menge befindet.

Der Unterschied beruht darauf, dass ein Wert, der in einer Folge unendlich oft als Glied vorkommt, in der Menge trotzdem nur einmal gezählt wird. Jeder Mengenhäufungspunkt ist ein Folgenhäufungspunkt. Umgekehrt ist ein Folgenhäufungspunkt entweder ein Mengenhäufungspunkt, oder kommt unendlich oft als Folgenglied vor.

Häufungspunkt einer Folge

Definition

Ein Punkt p heißt Häufungspunkt oder Häufungswert einer Folge von Punkten, falls in jeder noch so kleinen Umgebung des Punktes unendlich viele Folgenglieder liegen.

Diese Definition gilt zunächst für Folgen rationaler oder reeller Zahlen. Sie kann wortwörtlich ebenso in beliebigen, auch mehrdimensionalen, metrischen Räumen, allgemeiner noch in uniformen Räumen und darüber hinaus in allen topologischen Räumen verwendet werden. Dabei wird eine jeweils allgemeinere Definition des Umgebungsbegriffes verwendet.

Sofern die Topologie des Raumes nicht allzu 'verklumpt' ist, ist ein Punkt p bereits dann Häufungspunkt, wenn in jeder Umgebung von p ein von p verschiedenes Folgenglied liegt.

Eine Folge kann einen, mehrere, sogar unendlich viele Häufungspunkte besitzen, zwischen denen sie in ihrem Verlauf „hin- und herspringt“. Ebenso gibt es Folgen, die keinen Häufungspunkt besitzen.

In einem kompakten Raum besitzt jede unendliche Folge einen Häufungspunkt (zum Beispiel in einem beschränkten und abgeschlossenen Teilbereich des reellen Raumes).

Häufungspunkte und Grenzwerte

Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist immer auch Häufungspunkt der Folge, denn per Definition enthält jede noch so kleine Umgebung des Grenzwertes alle bis auf endlich viele Folgenglieder. In metrischen Räumen und allgemeiner in Hausdorff-Räumen ist der Grenzwert einer konvergenten Folge eindeutig und ist auch der einzige Häufungspunkt der Folge.[1] In allgemeineren topologischen Räumen kann eine Folge gleichzeitig sowohl einen Grenzwert besitzen als auch einen Häufungspunkt, der kein Grenzwert ist.[2]

Teilfolgen

Hat eine Folge einen Grenzwert, so konvergieren alle Teilfolgen gegen diesen. Für einen Häufungspunkt ist es hinreichend, dass eine Teilfolge gegen den Häufungspunkt konvergiert. Jeder Häufungspunkt einer Teilfolge ist auch Häufungspunkt der Ausgangsfolge. Im Raum der reellen Zahlen (und allgemeiner in allen das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllenden topologischen Räumen) gibt es zu jedem Häufungspunkt eine Teilfolge, die gegen diesen Häufungspunkt konvergiert.

Limes superior und Limes inferior

Für beschränkte reelle Zahlenfolgen wird der Limes superior (auf deutsch „oberer Limes“ oder „oberer Grenzwert“) als der größte Häufungspunkt definiert. Er existiert, weil die Menge der Häufungspunkte nichtleer, beschränkt und abgeschlossen ist. Man schreibt dafür \limsup_{n\to\infty} a_n.

Dabei gilt: b\; ist größter Häufungspunkt einer Folge a=(a_n)_{n\in\mathbb N} genau dann, wenn für jedes \varepsilon > 0\; im Intervall (b - \varepsilon, b + \varepsilon)\; unendlich viele, im Intervall (b + \varepsilon, \infty) jedoch höchstens endlich viele Folgenglieder anzutreffen sind.

Analog wird der Limes inferior als der kleinste Häufungspunkt einer beschränkten reellen Zahlenfolge definiert. Es gilt \liminf_{n\to\infty} a_n=-\limsup_{n\to\infty} (-a_n).

Limes superior und Limes inferior lassen sich auf die erweiterten reellen Zahlen verallgemeinern und schließen dann für nach oben unbeschränkte Folgen den Wert +\infty und für nach unten unbeschränkte Folgen -\infty als Häufungspunkte ein. Zur Unterscheidung werden +\infty und -\infty in diesem Zusammenhang oft als uneigentliche Häufungspunkte bezeichnet.[3] Unter Einschluss der uneigentlichen Häufungspunkte existieren Limes superior und Limes inferior dann nicht nur für beschränkte, sondern für alle beliebigen reellen Zahlenfolgen.

Beispiele

  • Die konstante reellwertige Folge an = 1 hat 1 als einzigen Häufungspunkt. Die Elemente der Folge bn = ( − 1)n springen zwischen +1 und -1 hin und her, und beide Punkte sind Häufungspunkte der Folge, obwohl es beispielsweise Umgebungen um +1 gibt, so dass unendlich viele Folgenglieder außerhalb der Umgebung liegen. Gleichzeitig konvergiert die Teilfolge der Elemente mit geradem Folgenindex gegen den oberen Häufungspunkt +1, und die Teilfolge der Elemente mit ungeradem Folgenindex konvergiert gegen den unteren Häufungspunkt -1.
  • Die Folge cn = 1 / n konvergiert gegen 0, und 0 ist dementsprechend der einzige Häufungspunkt der Folge. Das Beispiel zeigt, dass der Häufungspunkt der Folge selbst nicht in der Folge vorzukommen braucht.
  • Die reellwertige divergente Folge dn = n hat keinen Häufungspunkt. Durch Hinzufügen eines „Punktes im Unendlichen“ (Einpunktkompaktifizierung) lässt sich die Menge der reellen Zahlen zu einem kompakten Raum erweitern, in dem der hinzugefügte Punkt der einzige Häufungspunkt der Folge ist.
  • In einem mit der indiskreten Topologie versehenen Raum ist jeder Punkt des Raumes Häufungspunkt und sogar Grenzwert jeder Folge: Die indiskrete Topologie ist die gröbstmögliche Topologie, und in einem solchen Raum ist der ganze Raum selbst die einzige nichtleere offene Menge und somit die einzige als Umgebung infrage kommende Menge.[2] In einem mit der diskreten Topologie versehenen Raum dagegen ist ein Punkt genau dann Häufungspunkt einer Folge, wenn er unendlich oft als Element der Folge auftaucht: Die indiskrete Topologie ist die feinstmögliche Topologie, und in einem solchen Raum sind auch die einelementigen Teilmengen offen. Damit ist jede einelementige Teilmenge die kleinstmögliche Umgebung des in ihr enthaltenen Punktes.

Häufungspunkte und Berührpunkte einer Menge

In einem topologischen Raum (X,T) sei p ein Punkt der Grundmenge X und M eine Teilmenge von X. Man bezeichnet p als Berührpunkt (auch Adhärenzpunkt) von M, wenn in jeder Umgebung von p mindestens ein Punkt von M liegt. p heißt Häufungspunkt von M, wenn in jeder Umgebung von p mindestens ein Punkt von M liegt, der von p verschieden ist.[4] Die Menge aller Häufungspunkte einer Menge wird als Ableitung der Menge bezeichnet. Die Menge aller Berührpunkte von M heißt Abschluss von M und wird als \overline M geschrieben.

In topologischen Räumen ist:[4]

  • \displaystyle p genau dann ein Häufungspunkt von \displaystyle M, wenn p \in \overline {M \setminus \{p\}},
  • jeder Häufungspunkt ein Berührpunkt,
  • jeder Punkt p\in M ein Berührpunkt,
  • jeder Berührpunkt, der in \displaystyle X \setminus M liegt, auch ein Häufungspunkt von \displaystyle M.

In diesem Zusammenhang heißt p Häufungspunkt von M im engeren Sinne (oder eigentlicher Häufungspunkt[5]), wenn jede Umgebung von p unendlich viele gemeinsame Punkte mit M hat.[4]

In einem T1-Raum sind die Begriffe Häufungspunkt und Häufungspunkt im engeren Sinne äquivalent, und jeder Punkt p ist unter der Voraussetzung, dass der Umgebungsfilter eines jeden Punktes des Raumes eine höchstens abzählbare Basis hat, genau dann ein Häufungspunkt von M, wenn es eine aus Punkten von M \ {p} bestehende Folge gibt, die gegen p konvergiert.[4]

Sei BX(p) der Umgebungsfilter des Punktes p im topologischen Raum X. Man nennt

\textrm{v}(X,M,p)=\operatorname{min} \{ \operatorname{card}(M\cap U)\}_{U\in B_X(p)}

den Verdichtungsgrad der Menge M im Punkt p.[5] Für jede Kardinalzahl m\!^\lecard(X) heißt p ein m-Häufungspunkt von M, wenn m\!^\lev(X,M,p).[4] Die card(X)-Häufungspunkte heißen maximale oder vollständige Häufungspunkte. Die \aleph_1-Häufungspunkte heißen Verdichtungs- oder Kondensationspunkte. Die Menge aller Punkte in X, die Kondensationspunkte einer Menge M sind, heißt Kondensation von M und wird mit cp(M) oder M\overset{\odot}{\ } bezeichnet. In polnischen Räumen gilt für jede Menge M: cp(cp(M)) = cp(M).

p heißt isolierter Punkt von M, wenn er in M liegt, aber kein Häufungspunkt von M ist. p heißt unverdichtet, falls er kein Verdichtungspunkt von M ist. Mengen ohne isolierte Punkte heißen insichdicht. Mengen, die nur aus isolierten Punkten bestehen, heißen isolierte Mengen. In einem T1-Raum sind die abgeschlossene Hülle einer insichdichten Menge sowie die Vereinigung von insichdichten Mengen insichdicht.[6] Die relativ offenen Teilmengen einer insichdichten Menge sind auch insichdicht.[5] Die Vereinigung aller insichdichten Teilmengen von M heißt der insichdichte Kern von M. Mengen, deren insichdichte Kerne leer sind, heißen separiert. Jede isolierte Menge ist separiert, nicht aber umgekehrt.[7] In einem T1-Raum ist der insichdichte Kern von M die bezüglich der Inklusion größte insichdichte Teilmenge von M.[4] Abgeschlossene insichdichte Mengen heißen perfekt. In polnischen Räumen ist eine Menge M genau dann perfekt, wenn cp(M) = M.

Beispiel

Sei M: = (0,1] \cup {3} eine Teilmenge der reellen Zahlen. M besteht also aus einem links halboffenen Intervall und einem einzelnen Punkt. Mit Ausnahme der 3 sind alle Elemente von M Häufungspunkte von M. Die 3 ist isoliert, weil beispielsweise das offene Intervall (2,4) eine Umgebung von 3 ist, die keinen weiteren Punkt aus M enthält.

Zusätzlich ist auch die Null Häufungspunkt von M. Da das Intervall links offen ist, gibt es Punkte im Intervall, die beliebig nahe an der Null liegen. Somit muss jede Umgebung der Null auch einen Punkt des Intervalls enthalten. Aus gleichem Grund ist auch die 1 Häufungspunkt von M. Hier wird deutlich, dass ein Häufungspunkt von M der Menge M angehören kann, aber nicht muss.

Andere Bezeichunungen

Zuweilen werden statt Häufungspunkt auch die Wörter Häufungswert, β-Punkt[7] oder Grenzpunkt[4] benutzt.

Einzelnachweise

  1. Boto von Querenburg: Mengentheoretische Topologie. Springer-Verlag, ISBN 3-540-67790-9
  2. a b Lynn Arthur Steen, J. Arthur Seebach, Jr.: Counterexamples in Topology. Dover Publications, ISBN 048668735X
  3. Harro Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1. Kapitel 29: Uneigentliche Grenzwerte, Häufungswerte und Grenzen
  4. a b c d e f g Naas J., Schmid H.L., Mathematisches Wörterbuch, B.G. Teubner Stuttgart, 1979, ISBN 3-519-02400-4
  5. a b c Rinow W., Lehrbuch der Topologie, 1975, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, ISBN 978-3326004334
  6. Kuratowski K., Introduction to Set Theory and Topology, Elsevier Science, 1972, ISBN 978-0080161600
  7. a b Hausdorff F., Grundzüge der Mengenlehre, 1914, Chelsea Publishing Company, New York, 1949, Kap. VII

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