Verfall (Gedicht)

Verfall (Gedicht)

Verfall ist eines der bekanntesten Gedichte des expressionistischen Dichters Georg Trakl. Es wurde 1909 verfasst und behandelt die Gefühle eines lyrischen Ichs, nämlich Fernweh und Depression, welche dieses während eines Herbstabends schildert.

Inhaltsverzeichnis

Form

Es handelt sich um ein Gedicht in klassischer Sonettform, es besteht aus zwei Quartetten und zwei Terzetten, wobei in den Quartetten ein umarmender Reim vorliegt und in den Terzetten ein Kettenreim. Die äußere Struktur geht einher mit dem Inhalt des Gedichts, denn die beiden Quartette und die beiden Terzette bilden jeweils einen Abschnitt des Gedichts.

Inhalt

Die Quartette

Im ersten Quartett beschreibt das lyrische Ich eine eher friedliche Abendstimmung, die durch läutende Glocken untermalt wird. Ab dem zweiten Vers wünscht das lyrische Ich, mit den Vögeln wegzufliegen, es charakterisiert eine Sehnsucht mit ihnen in den Süden zu fliegen und der herbstlichen Tristesse zu entfliegen.

Im zweiten Quartett stellt das lyrische Ich dar, dass es sich in einem „dämmervollen Garten“ befindet, schon das Wort dämmervoll deutet eine kommende düstere Stimmung an. Im Kontrast dazu benennt es das Handeln der Vögel, nämlich die Flucht aus der Düsternis in die Helligkeit und Wärme als „hellere Geschicke“. Seine Sinneseindrücke und Sehnsüchte selbst sind für das lyrische Ich ein Träumen. Zusätzlich ist das lyrische Ich so in seine Traumwelt eingetaucht, dass für es die Zeit nebensächlich geworden ist und es kein Zeitgefühl mehr hat („fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken“) und träumt sich mit den Vögeln hinwegzufliegen.

Die Terzette

Das lyrische Ich wird im ersten Vers des ersten Terzetts zurück in die Realität geholt und es entsteht der inhaltliche Bruch zwischen den beiden Teilen des Gedichts, denn durch das Wort „Da“, ein anderes Wort für „Plötzlich“ oder „Abrupt“, fühlt es die reale Welt, die als ein „Hauch von Verfall“ beschrieben wird.

Interpretation

Durch die in den Terzetten verwendeten Adjektive wie „entlaubt“ und „rostig“ entsteht im Garten wirklich ein Bild von Hinfälligkeit und Verfall. Die Amsel klagt und der rote Wein schwankt. Es entsteht ein Gegensatz zur eher positiven, verträumten Stimmung der beiden Quartette. Die sich anbahnende Gefahr wird durch das Wort „Hauch“ beschrieben, das lyrische Ich nimmt das Kommende nur schwach wahr. Auch wieder tritt die Vogelsymbolik in Form der klagenden Amsel auf. Vögel waren zuvor für das lyrische Ich ein Zeichen der Befreiung, nun stellt die personifizierte Amsel die Gefühle des lyrischen Ichs dar, die Traurigkeit über den Verfall. Die entlaubten Bäume deuten schon auf den kommenden Tod hin, der in der letzten Strophe dargestellt wird. Hier führt das lyrische Ich den Satz des letzten Verses der dritten Strophe weiter aus, denn der Wein schwankt wie im Todesreigen, auch er ist betroffen von der Vernichtung und vom Tod. Das düstere Bild der Umwelt wird verstärkt durch die „dunklen“ Brunnenränder, Verwitterung und die fröstelnden blauen Astern. Der dunkle Brunnen kann für Dunkelheit und Unwissenheit bezüglich des Kommenden stehen. Die Astern, also Friedhofsblumen, sind ebenso personifiziert wie der rote Wein und sie drücken die Gefühle des lyrischen Ichs aus, dem es kalt wird vor Schauder vor dem kommenden Verfall. Die Farbsymbolik der Terzette („blass“, „dunkle“, „blaue“) ist geprägt von Kälte und Tod und steht im Kontrast zu der der Quartette, die eher eine warme Stimmung erzeugt („klare Weiten“, „helleren Geschicken“), jedoch deutet der dämmervolle Garten aus der zweiten Strophe schon auf die sich anbahnende Dunkelheit hin. Trakl erzeugt ein Bild des vor dem Winter erschaudernden Menschen, den es erzittern lässt und frösteln, der sich erst nach Wärme und Freiheit gesehnt hat, dann jedoch mit der kalten Realität konfrontiert wird, aus der es keine Flucht gibt. Dies schafft Trakl durch die Tier- und Natursymbolik, mit denen sich das lyrische Ich durch Personifikationen identifiziert.

Weblinks

 Wikisource: Verfall – Quellen und Volltexte

www.literaturtoene.de Rezitation dieses Gedichts zum Anhören oder Herunterladen (mp3)


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