Ökologischer Jagdverband

Ökologischer Jagdverband

Der ÖJV oder Ökologische Jagdverband ist ein 1988 als Alternative zum DJV gegründeter deutscher Jagdverband, der sich der ökologischen Jagd verpflichtet hat. Er ist als Bundesverband mit Landesverbänden organisiert. Es gibt assoziierte Verbände im Ausland, z. B. in Österreich.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Aufgrund der Wildschäden im Wald durch Wildverbiss, Fegen und Schälen kam es seit den 1970er Jahren verstärkt zu einer Gegenbewegungen gegenüber den vom DJV vertretenen Positionen. Horst Stern wies in seiner Natursendung „Sterns Stunde“ 1971 darauf hin, dass das Rotwild aufgrund der Überhege seinen Lebensraum, den Wald, zerstört. Kritische Stimmen zur Jagd aus Naturschutzkreisen von BN, BUND und NABU mehrten sich. Die Jagdkritik von Seiten der Tierschützer nahm zu. Ökologen und Wildbiologen hinterfragten zunehmend die etablierte Jagd durch Kritik an der Selektion nach Trophäen, an der kontraproduktiven Winterfütterungen etc., und Stimmen aus Forstkreisen wiesen vehementer auf gravierende Waldschäden durch das Schalenwild hin. Die Sensibilität in der Gesellschaft und in den Staatsforstverwaltung stieg zudem mit den neuartigen Waldschäden, anderen Waldkalamitäten und der zunehmenden Klimaveränderung. Die deshalb immer stärker propagierte naturgemäße Waldwirtschaft forderte ebenfalls die Reduzierung der Schalenwildbestände, s. a. Georg Meister, ehemals Forstamt Bad Reichenhall, Georg Sperber, ehemals Forstamt Ebrach, Hans Kornprobst, ehemals Forstamt Schliersee.

Auf diesem Hintergrund wurde 1988 federführend durch Richard Plochmann zusammen mit anderen, wie Horst Stern, der Ökologische Jagdverein (ÖJV) gegründet.[1]

Der ÖJV selbst weist auf „Vorgespräche über Inhalte und Aufgaben eines ökologischen Jagdvereins“ hin: Auf Einladung Richard Plochmanns fanden sich Wildbiologen um Professor Wolfgang Schröder, Vertreter der ANW Bayern wie deren Vorsitzender Leitender Forstdirektor Paul Lang und Sebastian Freiherr von Rotenhan, (…) renommierte Vertreter der Jagd wie der langjährige Hauptschriftleiter der „Pirsch“ Walter Helemann und einfach Jäger, die den Glauben an die Reformfähigkeit des Jagdschutzverbandes verloren hatten, zu ernsten und gründlichen Aussprachen ein.[2]

Die Gründungsversammlung fand nach der Darstellung des ÖJV am Hubertustag 1989 im Münchner Hofbräuhaus statt und wählte in den Vorstand: Richard Plochmann, (den) Waldbauwissenschaftler und international renommierte(n) Forstpolitiker, Sebastian von Rotenhan, Vorsitzende(n) der ANW der Bundesrepublik und Besitzer des bekanntesten deutschen Beispielsbetriebes naturgemäßer Waldwirtschaft in Rentweinsdorf, (und) Hans Sleik, de(n) gelernte(n) Berufsjäger und (…) Leiter der bayerischen Salforste in Österreich.[2]

Aktuelle Bundesvorsitzende des ÖJV ist Elisabeth Emmert (2010).

Grundsätze

Der ÖJV sieht die Jagd als eine legitime Form der nachhaltigen Naturnutzung an. Die Ökologie soll dabei als wertfreie Wissenschaft Grundlagen für die Jagd liefern, von der Waldbau, Natur-, Arten- und Tierschutz betroffen sind. Aufgabe der Jagd ist es, in der Kulturlandschaft ökologische und unzumutbare ökonomische Schäden zu verhindern und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu ermöglichen. Demzufolge muss beispielsweise das Schwarzwild wegen seiner Schäden in der Landwirtschaft reguliert werden.

Aufgrund der aktuellen Umweltprobleme, allen voran des Klimawandels und der damit einhergehenden massenweisen Vermehrung des Borkenkäfers, steigt die Bedeutung des Schutzes der Wälder. Deshalb muss der Waldbau grundsätzlich und der Umbau der Wälder durch die Jagd unterstützt werden. Das Wachstum der Wälder aber wird maßgeblich durch das Schalenwild beeinflusst, da Hirsche, Rehe, Gämsen, Damwild und andere Schalenwildarten mit zunehmender Wilddichte durch Verbiss, Schälen und Fegen ihren Lebensraum schädigen oder zerstören. Die Folgen zu hoher Schalenwildbestände sind entmischte Wälder mit Tendenzen zu Monokulturen, geringere Diversität und dadurch geringerer Stabilität; damit verbunden sind zudem höhere ökonomische Kosten durch künstliche Pflanzung, kostenintensive Zäunungen oder andere Schutzmaßnahmen. Schalenwild muss deshalb so bejagt werden, dass sich die Wälder ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen verjüngen können, so dass der Schwerpunkt ökologischer Jagd im Aufbau naturgemäßer, gemischter Wälder liegt. Nutzung und Schutz gehen hier Hand in Hand.

Die Trophäenjagd, mit den damit verbunden trophäenorientierten Jagdzeiten oder der Fütterung, haben maßgeblich zu diesen Problemen beigetragen, da das Fördern jagdbarer Tiere und der Wunsch, möglichst große Trophäen zu erbeuten, zur einseitigen Förderung jagdbarer Tiere auf Kosten des Waldes führe. Wildfütterung sei unnatürlich, denn das Wild ist durch die lange Evolution an den winterlichen Nahrungsengpass angepasst. Verluste von schwachen Stücken dienen der Gesunderhaltung der Populationen. Fütterung ist daher oftmals kontraproduktiv, da sie die Reproduktionsrate erhöht und damit das Wald-Wild-Problem zusätzlich anheizt.

Damit habe die Jagd die ökologische Aufgabe, die natürliche Vielfalt (Diversität) zu fördern, wo immer es geht. Dabei müssen die Selbstregulationsmechanismen der Natur beachtet werden. Die Funktion der Beutegreifer im Ökosystem ist auf diesem Hintergrund zu würdigen und eine Bekämpfung nur als Konkurrenz sei folglich zu unterlassen. Dort wo, wie beim Schalenwild, gravierende Schäden am Biotop entstehen, sind diese durch die Jagd zu verhindern. Der Aufbau stabiler, gemischter Wälder ist durch angepasste Schalenwildbestände zu fördern. Grundsätzlich muss die Jagd für den Naturhaushalt unbedenklich sein und möglichst störungsarm erfolgen. Effiziente Jagdmethoden, wie z. B. Bewegungsjagden, sind aufgrund der geringeren Beunruhigung auch aus Tierschutzgründen zu fördern.

Der ÖJV gibt die Zeitschrift ÖkoJagd heraus.

Kritik

Die Ziele des ÖJV, insbesondere der Grundsatz „Wald vor Wild“, sind in jagdlich orientierten Kreisen umstritten. Vor allem wird die Kritik laut, dem ÖJV gehe es vorrangig um die kommerzielle Nutzung des Waldes, das Wild bleibe dabei außen vor. Kritisch gesehen wird auch der ökologische Ansatz des ÖJV, bei dem die positiven Auswirkungen des Schalenwildes auf die Biodiversität[3] in die ökologische Betrachtung nicht einbezogen werden. Dies mag daran liegen, dass die Entmischung des Bestandes, also eine Reduzierung der pflanzlichen Biodiversität durch Schalenwild, in vielen Studien untersucht und belegt wurde.[4] Durch den Einfluss auf die Krautschicht bzw. junge Bäume sind aber auch Insekten und deren Fressfeinde betroffen, demnach besteht ein komplexer negativer Einfluss auf die Lebensgemeinschaft Wald, der auch für Singvögel belegt werden konnte.[5]

Literatur

  • Wilhelm Bode, Martin von Hohnhorst: Waldwende. Vom Försterwald zum Naturwald. 4. Auflage. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45984-6.
  • Wilhelm Bode, Elisabeth Emmert: Jagdwende. Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk. 3. Auflage. C.H.Beck, München 2000, ISBN 3-406-45993-5.
  • Bruno Hespeler: Jagd 2000 plus. Zeitgemäße Jagdstrategien. 2. Auflage. Nimrod Verlag, Bothel 2000, ISBN 3-927848-30-1.
  • Bruno Hespeler: Nachhaltig jagen. Zeitgemäße Wildbewirtschaftung. Blv Buchverlag, München u.a. 2003, ISBN 3-405-16330-7.

Quellen

  1. Gero Günther : Jagd auf ein Vorurteil. In: greenpeace magazin. 5.09.
  2. a b Aus der Broschüre: 10 Jahre Ökologischer Jagdverein in Bayern.
  3. Siehe dazu die von der Jägerstiftung natur+mensch herausgegebene Pilotstudie "Wild und Biologische Vielfalt"
  4. R. Gill: The impact of deer on woodland biodiversity.. Forestry Commission Information Note, 36, 2000, Abgerufen 2. März 2011. (PDF-127K)
  5. Robin M. A. Gill, Robert J. Fuller: The effects of deer browsing on woodland structure and songbirds in lowland Britain. In: Ibis. vol. 149, November 2007, doi: 10.1111/j.1474-919X.2007.00731.x, S. 119-127.

Weblinks

  • www.oejv.de – ÖJV
  • www.nabu.de – Interview mit der ÖJV-Bundesvorsitzenden Elisabeth Emmert: „Wald und Wild in Einklang bringen“

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