abgeordnetenwatch.de

abgeordnetenwatch.de

abgeordnetenwatch.de ist eine überparteiliche und institutionell unabhängige Internetplattform, die für Bürger die Möglichkeit eröffnet, deutsche Abgeordnete verschiedener Parlamente öffentlich zu befragen. Sie wird seit dem 8. Dezember 2004 von der gemeinnützigen Parlamentwatch GmbH in Kooperation mit verschiedenen Partnern betrieben. Neben Fragen und Antworten sind berufliche Qualifikationen, Mitgliedschaft in Ausschüssen, anzeigepflichtige Nebentätigkeiten sowie das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten bei wichtigen Parlamentsentscheidungen öffentlich einsehbar.

Den Ursprung nahm das Portal in Hamburg als Onlinebefragungsplattform der Wahlkandidaten und Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft und der Hamburger Bezirksversammlungen. Zur Bundestagswahl 2005 kam mit kandidatenwatch.de eine Plattform hinzu, die der ausschließlichen Befragung von Wahlkandidaten dient. Beide Projekte wurden auf Bundestag und Europaparlament erweitert und sollen künftig auch dauerhaft auf alle 16 Landesparlamente der deutschen Bundesländer ausgedehnt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Projekt startete am 8. Dezember 2004 für die Hamburgische Bürgerschaft. Vorausgegangen war ein erfolgreicher Volksentscheid zur Reform des Wahlrechts, welches den Bürgern mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten einräumen sollte. Über den Online-Dialog auf abgeordnetenwatch.de wurde den Bürgern die Möglichkeit gegeben, ihre Politiker besser kennenzulernen, um bei der nächsten Wahl eine kompetente Entscheidung treffen zu können. In der Folgezeit konnten auf abgeordnetenwatch.de auch die Mitglieder der Hamburger Bezirksversammlungen befragt werden. Mit dem Zusammentritt der am 24. Februar 2008 gewählten Hamburgischen Bürgerschaft wurde abgeordnetenwatch.de für die Hansestadt vorübergehend eingestellt, bis genügend Fördergelder zusammengekommen sind. Zur Begründung hieß es, das Projekt sei nicht mehr weiter auf ehrenamtlicher Basis zu betreuen gewesen. [1]

Laut den Betreibern sind seit dem Start von abgeordnetenwatch.de für den Bundestag am 8. Dezember 2006 bis zum 1. August 2007 über 15.000 Fragen gestellt worden, von denen über 12.000 beantwortet wurden, was einer Quote von 80 % entspricht. Täglich greifen über 10.000 Besucher auf die Seite zu;[2] auch Journalisten informieren sich teilweise schon über die Internetplattform. Die Medienpartner des Projekts sind die Onlineausgaben von Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Stern, Die Welt, Frankfurter Rundschau und Der Tagesspiegel. Das Projekt wurde 2005[3] und 2007[4] in die Endrunde des Grimme Online Award gewählt.

Wegen des Erfolgs im Bundestag wurden im August 2007 Förderkreise eingerichtet, um abgeordnetenwatch.de auch für die 16 Landesparlamente verfügbar zu machen. Dies soll über Spenden und Fördermitgliedschaften ermöglicht werden, die gezielt für das gewünschte Bundesland abgegeben werden können. Sobald die ersten 90 Tage vorfinanziert sind, werde man das Portal für das entsprechende Parlament starten, kündigten die Betreiber an. [2]

Über den Ableger kandidatenwatch.de wurde bei Europa-, Bundes- und Landtagswahlen der Kontakt zu den Kandidaten ermöglicht. So war es erstmalig bei der Bundestagswahl 2005 möglich, über die Seite Fragen an alle Direktkandidaten in den Wahlkreisen zu stellen. Dazu bot die Seite auch eine Übersicht über die Wahlprogramme fast aller Parteien an, die mit Direktkandidaten zur Wahl antreten. Auch bei den Wahlen in Rheinland Pfalz, Baden Württemberg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Bremen war es möglich, Fragen an die Kandidaten zu stellen, welche von diesen beantwortet wurden.

Funktion

Zurzeit ist der Kontakt zu den Abgeordneten des Bundestags, zu den deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament sowie zu den Abgeordneten der Landtage in Hamburg, Bayern, Nordrhein-Westfalen sowie Baden-Württemberg möglich. Seit Juni 2011 sind auch einige Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte vertreten. Über den Ableger kandidatenwatch.de ist ein gleichwertiger Kontakt zu Kandidierenden von Europa-, Bundes- und Landtagswahlen möglich. Es ist ein gemeinnütziges Projekt der Parlamentwatch GmbH und wird in Kooperation mit den Vereinen Mehr Demokratie und Mehr Bürgerrechte sowie der BonVenture betrieben. Beide Projekte sollen sich mittel- und langfristig durch den Aufbau von Förderkreisen, den Verkauf von Profilerweiterungen (kandidatenwatch.de) und das Angebot von Onlinewerbung (die auf Wunsch aber ausgeblendet werden kann) finanzieren. Allerdings verpflichtet sich die Parlamentwatch GmbH sämtliche Gewinne, sollten diese jemals anfallen, an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Diese Verpflichtung ist in der Gesellschaftssatzung festgelegt.

Ein Grundeintrag ist über jeden Kandidaten vorhanden und kostenlos. Er enthält Basisangaben zur Person. Für eine einmalige Gebühr von 179 Euro (Landtagswahlen) bis zu 200 Euro (Bundestagswahlen) wird jedem Kandidaten ermöglicht seinen Eintrag mit einem Foto, einem Weblink und Terminhinweisen auf Wahlkampfveranstaltungen zu versehen sowie einen selbst formulierten Text zur eigenen politischen Arbeit und Zielen auf der Webseite zu veröffentlichen.[5] Die Profilerweiterungen tragen zur Finanzierung des Portals bei.

Sämtliche Fragen werden von einem Moderationsteam gegengelesen und mit einem Moderationskodex abgeglichen, der u.a. beleidigende Aussagen, Volksverhetzung, Diskriminierungen, Fragen zum Privatleben oder Anfragen, die unter die Schweigepflicht fallen, verbietet. Bei Verstoß gegen den Kodex werden die Fragen nicht freigeschaltet, der Politiker aber über den Vorgang informiert. Darüber hinaus hat sich das Projekt aber strikt der Überparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. Neben allgemeinen Informationen zu den Abgeordneten ist auch deren Abstimmungsverhalten bei Abstimmungen dokumentiert, die besondere Aufmerksamkeit in den Medien erzeugt hatten.

Kontroversen

Bei der Wahl in Bremen 2007 wurde das Projekt kandidatenwatch.de von der Bremer SPD sowie der Bremer Linkspartei boykottiert, da Kandidaten der NPD nicht ausgeschlossen wurden. Kandidatenwatch-Leiter Hackmack sah die Beteiligung als unproblematisch an, da der Kodex des Projektes unter anderem das Verhöhnen von Opfern von Rassismus und Gewaltherrschaft verbot.[6]

Im September 2009 kündigte der Bundestagskandidat der Grünen Hubertus Grass seine Teilnahme an dem Projekt, da der NPD eine zusätzliche Möglichkeit eingeräumt würde, rassistisches und revanchistisches Gedankengut zu verbreiten. Er gab an, er „möchte in keiner Weise mit dieser Partei (NPD) und ihren Vertretern auf einer Webseite noch sonst wo erscheinen“ und bezog sich auf Beiträge des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Der Mitbegründer des Portals Gregor Hackmack sicherte zu, dass die Beiträge von Voigt überprüft würden und verwies darauf, dass in der Vergangenheit mehrfach NPD-Vertreter wegen Missbrauchs von der Plattform ausgeschlossen wurden. [7]

Peter Hauk, CDU-Fraktionschef in Baden-Württemberg, warnte die Abgeordneten seiner Partei vor einer Teilnahme bei abgeordnetenwatch.de und vor der Beantwortung dort gestellter Fragen. Hauk kritisierte die Vorgehensweise und die „vermeintliche“ Transparenz des Angebots als „sehr fragwürdig“; ferner seien Angaben zu seiner Person „weitestgehend falsch“. Die Betreiber der Website widersprachen Hauks Kritik. [8]

Im August 2010 kritisierte Abgeordnetenwatch den Politiker Peer Steinbrück dafür, dass er hohe Einkünfte aus Nebentätigkeiten beziehe, während er andererseits laut Recherchen der Internetplattform seine ebenfalls bezahlte Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter nur bedingt wahrnimmt.[9] Steinbrück bezeichnete daraufhin bei der Fernsehsendung Beckmann Abgeordnetenwatch.de als eine „kommerzielle Plattform“ und als einen „kommerzielle[n] Haufen“. Er würde diese Plattform nicht nutzen, da durch Werbeeinnahmen Geld verdient würde und jeder Bürger ihn hingegen umsonst anschreiben könne (jedoch ohne die Möglichkeit einer öffentlichen Diskussion). Seine Behauptung entspricht nach Angaben der Plattform nicht den Tatsachen.[10]

Weblinks

Belege

  1. abgeordnetenwatch.de: abgeordnetenwatch.de für Hamburg wird eingestellt Pressemitteilung vom 4. März 2008
  2. a b abgeordnetenwatch.de: 24 Stunden Bürgersprechstunde für alle Landesparlamente, 2. August 2007
  3. Adolf-Grimme-Institut: Mit „Einsteins Welt“, „Bildblog“ und „Kebab Connection“ in die Endrunde, Pressemitteilung vom 25. Mai 2005
  4. abgeordnetenwatch.de: abgeordnetenwatch.de für den Grimme Online-Award nominiert, 10. Mai 2007
  5. abgeordnetenwatch.de: Finanzierung
  6. taz: „SPD boykottiert Demokratie“, 27. März 2007
  7. heise online: Kündigung bei abgeordnetenwatch.de wegen NPD, 12. September 2009
  8. heise online: CDU-Fraktionschef in Baden-Württemberg hält nichts von Abgeordnetenwatch, 30. April 2010, abgerufen am 2. Juni 2010
  9. Abgeordnetenwatch: Ein Buch, 29 Vorträge und einige Hunderttausend Euro
  10. blog.abgeordnetenwatch.de: Peer Steinbrück und der “kommerzielle Haufen”, 21. September 2010, abgerufen am 2. Oktober 2010

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