Amoklauf von Ansbach

Amoklauf von Ansbach

Der Amoklauf von Ansbach ereignete sich am Vormittag des 17. Septembers 2009 am Gymnasium Carolinum in Ansbach, der Hauptstadt des bayerischen Bezirks Mittelfranken. Durch den Amoklauf an der Schule wurden zwei Schülerinnen schwer und sieben Schüler sowie eine Lehrerin leicht verletzt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Tathergang

Der Täter betrat gegen 8:30 Uhr[2] mit einem Beil, zwei Messern und drei Molotowcocktails bewaffnet das Schulgebäude. Er schleuderte einen Brandsatz in den Klassenraum einer zehnten Klasse und schlug anschließend mit dem Beil wahllos auf die aus dem Raum flüchtenden Schüler ein. Er verletzte eine Schülerin mit dem Beil am Kopf, sie erlitt ein lebensgefährliches offenes Schädel-Hirn-Trauma. Eine weitere Schülerin erlitt schwere Brandverletzungen, acht weitere Schüler wurden leicht verletzt. Ein 18-jähriger Schüler verständigte um 8:35 Uhr[3] die Polizei, die kurze Zeit später eintraf. Anschließend begann der 18-Jährige, seit mehreren Jahren in der freiwilligen Feuerwehr aktiv, mit den Löscharbeiten.[3] Der Täter hatte sich zu diesem Zeitpunkt in einer Toilettenkabine eingeschlossen. Als er diese verließ, bedrohte er die Polizisten mit einem Messer, die daraufhin das Feuer eröffneten und den Täter um 8:43 Uhr mit drei Schüssen in Arm, Bauch und Brust schwer verletzten.[4]

Hintergründe

Der zum Tatzeitpunkt 18-jährige Täter war selbst Schüler am Carolinum und befand sich in psychotherapeutischer Behandlung.[5][6] Er hatte den Amoklauf seit Monaten intensiv geplant und auch ein Testament vorbereitet. Seit Anfang Juni 2009 hatte er sich auf ein Datum für die Tat festgelegt, aufgrund von technischen Schwierigkeiten verschob er den Anschlag allerdings kurzfristig um einen Tag.[7][8]

Als Motiv nannte der Täter, er sei in der Schule gemobbt worden[9] und habe sich das Leben nehmen wollen. Zugleich habe er so viele Schüler und Lehrer wie möglich töten wollen. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, die Schuldfähigkeit des Schülers prüfen zu lassen. Ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes konnte kurz nach der Tat noch nicht vollstreckt werden.[10]

Es wurden bei dem Täter keinerlei gewalthaltige Computerspiele, Gewaltvideos oder Schusswaffen gefunden. Während nach früheren Amokläufen häufig über Änderungen des Waffenrechts oder des Jugendschutzgesetzes debattiert wurde, beschränkte sich die Debatte nach diesem Amoklauf daher auf die Mobbingproblematik an Deutschlands Schulen.

Auswirkungen

Als Reaktion auf den Amoklauf forderte die Gewerkschaft der Polizei die Einführung eines flächendeckenden Frühwarnsystems für Schulen.[11] Mehrere Landesregierungen kündigten an, die Zahl der Schulpsychologen aufstocken zu wollen.[12][13] Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sprach sich mit Blick auf den Amoklauf sowie den zeitnahen Tod von Dominik Brunner für einen Sachverständigenrat für Jugendgewalt aus, der dem Vorbild des Zuwanderungsrats folgen solle, der mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammenarbeitet.[14] Dieser Sachverständigenrat für Jugendgewalt solle Konzepte ausarbeiten, so etwa für die Nutzung des Internets für ein Antigewalttraining, sowie für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum. Die Kommunen forderten außerdem eine Vernetzung von Erziehung, Justiz und Jugendamt sowie eine Sicherheitspartnerschaft von Polizei, Gemeinden, Schulen und Sportverbänden.[15]

Der 18-Jährige, der den Notruf abgesetzt hatte, wurde von einem Mitschüler für den XY-Preis vorgeschlagen.[3]

Prozess

Die Staatsanwaltschaft Ansbach warf dem zum Zeitpunkt des Prozessbeginns 19 Jahre alten Verdächtigen versuchten Mord in 47 Fällen, versuchten Totschlag in zwei Fällen, gefährliche Körperverletzung in 13 Fällen sowie versuchte besonders schwere Brandstiftung vor. Das Landgericht Ansbach eröffnete den Prozess am 22. April 2010, die Öffentlichkeit wurde nach Verlesung der Anklage bis zur Verkündung des Urteils ausgeschlossen.[16] Am 29. April 2010 wurde der Täter unter anderem des versuchten Mordes in 47 Fällen schuldig gesprochen und zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt. Die Jugendstrafkammer des Landgerichtes Ansbach verfügte zudem die unbefristete Unterbringung in eine psychiatrische Klinik.[17][18]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bluttat an Ansbacher Schule: Amokläufer attackierte Schüler mit Axt und Messern. Spiegel Online, abgerufen am 17. September 2009.
  2. Ansbach: Amoklauf am Gymnasium Carolinum. Nürnberger Nachrichten, abgerufen am 17. September 2009.
  3. a b c Aktenzeichen XY … ungelöst, Sendung vom 4. August 2010
  4. Abschließender Pressebericht i. S. Amoklauf Ansbach - neue Erkenntnisse über Tathergang und Tatmotiv. Mitteilung der Polizei Mittelfranken
  5. Polizist feuert mit Maschinenpistole auf Amokläufer. Welt online, abgerufen am 17. September 2009.
  6. Petr Jerabek: Der Amokläufer von Ansbach und die Apocalypse Today. Die Welt, abgerufen am 19. September 2009.
  7. Ansbach: Motive des Amokläufers - Hass auf die Menschheit. sueddeutsche.de, abgerufen am 23. April 2010.
  8. Verfahren vor Jugendkammer - Ankläger fordern öffentlichen Prozess gegen Amokläufer von Ansbach. Spiegel online, abgerufen am 23. April 2010.
  9. Amokläufer voller Hass auf Schule Focus.de, 21. September 2009, Abgerufen am 28. April 2010
  10. Amokläufer hatte Hass als Motiv www.gmx.de, 21. September 2009. Abgerufen am 21. September 2009.
  11. Polizei fordert Schul-Frühwarnsystem Die Zeit, 18. September 2009
  12. Nach Ansbach: NRW-Ministerin will bis zu 1000 Schulpsychologen Rheinische Post, 18. September 2009 (gespiegelt bei presseportal.de)
  13. FDP will mehr Sozialarbeiter und Psychologen. RP online, 20. September 2009
  14. Jugendgewalt: Kommunen fordern Sachverständigenrat www.zeit.de, 25. September 2009. Abgerufen am 25. September 2009.
  15. Kommunen fordern Bündnis gegen Jugendgewalt Welt Online, 25. September 2009. Abgerufen am 25. September 2009.
  16. Auftakt im Ansbacher Amoklauf-Prozess, dpa/Zeit online, 22. April 2010
  17. Amokläufer muss neun Jahre ins Gefängnis sueddeutsche.de, 29. April 2010. Abgerufen am 30. April 2010
  18. Amokläufer von Ansbach kommt in die Psychiatrie Bietigheimer Zeitung online, 30. April 2010. Abgerufen am 30. April 2010

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