Camera Obscura

Camera Obscura
Diese Bauform der Camera obscura wurde im 18. Jahrhundert als Skizzierinstrument genutzt. Mit einem Blatt Papier auf der Glasscheibe konnte das betrachtete Objekt direkt kopiert werden.

Die Camera Obscura (lat. camera „Gewölbe“; obscura „dunkel“) ist ein dunkler Raum oder Behälter, in die durch ein kleines Loch Licht hineinfallen kann. In dem Loch kann unter Umständen eine Sammellinse angebracht sein; fehlt diese, so spricht man von einer Lochkamera. Auf der gegenüberliegenden Seite entsteht ein auf dem Kopf stehendes Abbild. Diese Projektion kann betrachtet oder aufgezeichnet werden. Das Bild ist sehr lichtschwach und es kann nur bei ausreichender Abdunkelung der Umgebung beobachtet werden. Dies geschieht zum Beispiel durch ein Tuch, das das Umgebungslicht außerhalb der halbtransparenten Rückwand abhält. Oder der Beobachter begibt sich selbst in die Kammer, wobei die Adaption des Auges an die Dunkelheit die Beobachtung erleichtert.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Funktionsweise einer Lochkamera

Ähnlich einer optischen Linse erzeugt ein kleines Loch auf einer Projektionsfläche ein Abbild von angestrahlten Gegenständen. Die Schemazeichung rechts zeigt exemplarisch zwei Strahlenbündel, die von zwei Punkten eines Gegenstands in das Loch eintreten. Der kleine Durchmesser der Blende beschränkt die Bündel auf einen kleinen Öffnungswinkel und verhindert die vollständige Überlappung der Lichtstrahlen. Strahlen vom oberen Bereich eines Gegenstands fallen auf den unteren Rand der Projektionsfläche, Strahlen vom unteren Bereich werden nach oben weitergeleitet. Jeder Punkt des Gegenstands wird als Scheibchen auf der Projektionsfläche abgebildet. Die Überlagerung der Scheibchenbilder erzeugt ein verzeichnungsfreies Bild. Mathematisch ausgedrückt ist das Bild das Ergebnis einer Faltung aus idealer Abbildung des Gegenstands mit der Blendefläche.

Das Bild ist sehr lichtschwach und es kann nur bei ausreichender Abdunkelung der Umgebung beobachtet werden. Dies geschieht zum Beispiel durch ein Tuch, das das Umgebungslicht außerhalb der halbtransparenten Rückwand abhält. Oder der Beobachter begibt sich selbst in die Kammer, wobei die Adaption des Auges an die Dunkelheit die Beobachtung erleichtert.

Vergleich - Foto einer Häuserzeile in der Amthorstraße in Innsbruck mit Lochkamera und Digitalkamera.

Der Abstand der Projektionsfläche zum Loch ist die Bildweite (b). Brennpunkt (F) und Brennweite (f) existieren bei Lochkameras nicht, da es keine Linse gibt, die Lichtstrahlen Licht bricht und bündelt. D ist der Durchmesser des Lochs. Der Quotient b/D ergibt die Blendenzahl, analog zur Blendenzahl beim Objektiv (f/D). Je kleiner die Blendenzahl ist, desto lichtstärker ist das Bild. Eine Kammer mit b=100 mm und D=0.5 mm hat eine Blendenzahl von 100mm/0,5mm = 200. Eine Vergrößerung des Lochs auf 1 mm verringert die Blendenzahl auf 100mm/1mm = 100. Die Belichtungszeit verringert sich dabei um den Faktor 4 (Verhältnis der Lochflächen: (1mm/0.5mm)^2 = 4). Zum Vergleich: ein Kleinbild-Kameraobjektiv besitzt eine kleinste Blende von 2-3.

Je kleiner der Lochdurchmesser D ist, desto kleiner sind die Strahlenbündel, umso schärfer erscheint die Abbildung. Der Grenzwert für D ist erreicht, wenn das Loch die Größenordnung der Strahlungs-Wellenlänge erreicht (siehe unten). Die Beugungserscheinungen setzen für sichtbares Licht bei ca. 0.5μm ein.

Die Schärfe der Bilder ist von der Entfernung der abzubildenden Gegenstände zum Loch (Gegenstandsweite) nicht abhängig. Von einer Schärfentiefe im eigentlichen Sinn kann also nicht gesprochen werden. Die Bildschärfe wird durch die Lochgröße bestimmt, kleinere Durchmesser erzeugen schärfere Bilder und umgekehrt. Die Bilder sind stets unscharf da das Loch aus Gründen der Lichtstärke nicht beliebig klein gewählt werden kann. Bei großen Bildweiten (starke Vergrößerungen) hat die Camera obscura jedoch ein hohes Auflösungsvermögen, feine Details lassen sich gut erkennen.

Lochblenden werden als abbildende Linsen für Röntgenstrahlung eingesetzt. Denn anders als für sichtbares Licht, gibt es für diese kurzwellige Strahlung keine Materialien mit geeigneter Brechzahl, aus dem sich Linsen herstellen ließen.

Spalte im Korbgeflecht erzeugen Sonnenbildchen links an der Wand.

Auch im Alltag beobachtet man Abbildungen an kleinen Öffnungen. Das Bild rechts zeigt einen Korbstuhl, der seitlich von der Sonne beschienen wird und links an der Wand einen Schatten wirft. Die engen Spalte des Korbgeflechts erzeugen Lichtmuster auf der Wand in Form runder Scheibchen einheitlicher Größe. Hierbei handelt es sich um Abbilder der kreisförmigen Sonne, nicht etwa um Umrisse des Geflechts.

Ähnliches beobachtet man im Wald, wenn Zwischenräume in dichtem Blattwerk die Sonne auf dem Boden als verschwommene Kreisscheiben abbilden. (sogenannte Sonnentaler)

Abbildungsgeometrie einer Lochkamera

Bezeichnet G die Gegenstandshöhe ( = tatsächliche Größe des betrachteten Gegenstandes), g die Gegenstandsweite (= Abstand des Gegenstandes von der Lochscheibe), b die Bildweite (= Abstand von der Lochscheibe zur Mattscheibe) und B die Bildhöhe (= Höhe des erzeugten Bildes auf der Mattscheibe), so gilt:

(1) 
\frac{B}{G} = \frac{b}{g}

Gl. (1) ist aus der geometrischen Optik auch als 1. Linsengleichung bekannt. Zur mathematischen Herleitung wird auf den Strahlensatz in der Geometrie verwiesen. Die Bildgröße hängt also nur von den Abständen ab, nicht jedoch von der Blendengröße bzw. Lochgröße.

Abbildungsschärfe einer Lochkamera

Abbildungsschärfe einer Lochkamera

Jeder Punkt auf dem Gegenstand (Ausgangspunkt der beiden Orangefarbigen Linien) wirft ein Abbild auf die Mattscheibe (rotes Scheibchen). Das Abbild wird so aus unendlich vielen Scheibchen zusammengesetzt. Die Größe der Scheibchen (S) ist vom Lochdurchmesser (D) abhängig, große Durchmesser erzeugen große Scheibchen und umgekehrt. Große Scheibchen überschneiden sich auf der Mattscheibe mehr als kleine und es entsteht ein unscharfes Bild. Die Lochgröße bestimmt daher indirekt über die Größe der Scheibchen die Schärfe der Abbildung.

Der Zusammenhang zwischen Lochgröße und Punktgröße ergibt sich aus der Strahlengeometrie:

(2) S(D)= \frac{D(b+g)}{g}
mit S: Bildgröße eines Objektpunkts; b: Bildweite; g: Gegenstandsweite; D: Lochdurchmesser

Die Punktgröße S nimmt linear mit der Lochgröße ab, wodurch das Bild an Schärfe gewinnt. Oft wird dies verwechselt mit der Vermutung, dass das Bild insgesamt mit abnehmender Lochgröße kleiner wird. Kleiner werden jedoch nur die Unschärfen, die das Bild eines beobachteten Gegenstandes an dessen Begrenzungslinien "ausfransen" lassen.

Beugungserscheinungen an der Lochblende setzen der klassischen Betrachtungsweise Grenzen. Für Lichtbeugung gilt vereinfacht:

(3) S(D) = c  \frac{b}{D}
mit c= const = 1 µm

Die Lichtbeugung zeigt ein umgekehrtes Verhalten. S verhält sich umgekehrt proportional zum Lochdurchmesser. Der optimale Durchmesser D(b) ist der Wert, für den die Gleichungen (2) und (3) den kleinsten Wert liefern. Die Extremwertsuche liefert:

D = \sqrt{c \cdot \frac{b \cdot g}{b+g}}
D \approx \sqrt{c \cdot b} für g>>b
D \approx \sqrt{b} \mbox{ } für D in Millimeter, wenn b in Meter

Der optimale Durchmesser ist ein wenig kleiner als die innere Zone einer Fresnel-Zonenplatte.

Beispiele:

  • Die Bildweite b sei 10 mm = 0,01 m. Dann beträgt der optimale Lochdurchmesser D ca. 0,1 mm.
  • b= 100mm = 0,1m -> D= 0,3 mm.
  • b= 1000mm = 1m -> D = 1 mm.
  • b= 10m -> D= 3 mm

Vergleich zur focussierenden Kamera

Die Bilder der Camera Obscura sind im Vergleich zu denen einer fokussierenden Kamera (Kameras mit einem Linsen- oder Spiegelobjektiv) unschärfer, da das Loch aus Gründen der Lichtstärke nicht beliebig klein gewählt werden kann. Bei großen Bildweiten (starke Vergrößerungen) hat die Camera Obscura jedoch ein besseres Auflösungsvermögen als eine focussierende Kamera mit kürzerer Brennweite (f < b). Ausserdem sind ihre Bilder frei von Verzeichnungen und Farbsäumen.

Bei focussierenden Kameras gibt es für jede Gegenstandsweite g nur eine bestimmte Bildweite b in der der Gegenstand scharf abgebildet wird. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Linsengleichung. Formt man die Linsengleichung nach der Bildweite um, läßt sich damit die Bildweite berechnen:

b = \frac{1}{\frac{1}{f} - \frac{1}{g} }

Bei unendlicher Gegenstandsweite (Hier ergibt 1/g Null) ist die Bildweite b des Gegenstands genauso groß wie die Brennweite f der Linse bzw. des Objektivs (b=1*f). Soll ein Film mit einem im fotografischen unendlichen liegenden Gegenstand belichtet werden, wird die Linse so angeordnet, das sich der Film im Bereich des Brennpunktes befindet.

  • Bei g=unendlich ist b=f
  • Bei g=100*f ist b=1,01*f
  • Bei g=4*f ist b=1,33*f
  • Bei g=2*f ist b=2*f

Beispiel: Bei einer Linse mit f=50mm wird ein Gegenstand der sich 200mm (4*50mm) vor der Linse befindet genau 66,67mm (1,33*50mm) hinter der Linse scharf abgebildet. Im Vergleich zur unendlichen Gegenstandsweite wird die Linse um 16,67mm nach vorn verschoben (focussiert) so dass der Abstand zum Film jetzt 66,67mm beträgt.

Geschichte

Camera obscura. Federzeichnung am Rand eines Vorlesungsmanuskripts über die Principia Optices; 17. Jahrhundert
Camera obscura
Ausschnitt aus Ansicht von Delft von Jan Vermeer (1632–1675)

Das Prinzip erkannte bereits Aristoteles (384–332 v. Chr.) im 4. Jahrhundert v. Chr. In der apokryphen Schrift Problemata physica wurde zum ersten Mal die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes beschrieben, wenn das Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt.

Erste Versuche mit einer Lochkamera hat der Araber Alhazen bereits um 980 angestellt.

Vom Ende des 13. Jahrhundert an wurde die Camera obscura von Astronomen zur Beobachtung von Sonnenflecken und Sonnenfinsternissen benutzt, um nicht mit bloßem Auge in das helle Licht der Sonne blicken zu müssen. Roger Bacon (1214–1292 oder 1294) baute für Sonnenbeobachtungen die ersten Apparate in Form einer Camera obscura.

Leonardo da Vinci (1452–1519) untersuchte den Strahlengang und stellte fest, dass dieses Prinzip in der Natur beim Auge wieder zu finden ist.

Nachdem es im Mittelalter gelang, Linsen zu schleifen, ersetzte man das kleine Loch durch eine größere Linse. Diese verbesserte Kamera beschrieb 1568 der Venezianer Daniele Barbaro in seinem Werk La pratica della prospeltiva. Ein solches Gerät scheint auch Johannes Kepler bekannt gewesen zu sein.

Im Jahre 1686 konstruierte Johann Zahn eine transportable Camera obscura. Ein Spiegel, der im Winkel von 45 Grad zur Linse im Inneren der Kamera angebracht war, projizierte das Bild nach oben auf eine Mattscheibe, wo es bequem abgezeichnet werden konnte. Deshalb wurde die Camera Obscura von Malern vor der Fotografie gern als Zeichenhilfe genutzt. Man konnte in ihr die Landschaft auf Papier abmalen und dabei alle Proportionen richtig wiedergeben. Bekanntestes Beispiel ist der Maler Canaletto mit seinen berühmten Gemälden von Dresden und Warschau.

Möglicherweise benutzte bereits der Maler Jan Vermeer eine Camera Obscura, was den Detailreichtum seiner Werke erklären würde. Der Ausschnitt rechts aus seinem Landschaftsgemälde Ansicht von Delft zeigt entfernte Hausdächer. Deren komplizierte Geometrie konnte der Maler unmöglich dadurch erfassen, dass er näher an die Gebäude herantrat. Wäre er ausschließlich seiner Intuition gefolgt, hätte er wahrscheinlich einen anschaulicheren Bildaufbau gewählt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Camera lucida immer beliebter und löste die Camera obscura als Zeichenhilfe weitgehend ab.

Bekannte begehbare Lochkameras

  • weitere Länder:

Literatur

Deutschsprachig

  • Bodo von Dewitz, Werner Nekes (Hrsg): Ich sehe was, was du nicht siehst – Sehmaschinen und Bilderwelten. Steidl, Göttingen 2002, ISBN 3-88243-856-8
  • David Knowles: Die Geheimnisse der Camera obscura. Heyne – 1996
  • Marcus Kaiser: + z.T. Garten – Die Stadt in der Hütte. Camera-Obscura-Installation auf dem Gelände des Nordbahnhofes in Berlin, ISBN 3-86006-228-X
  • Burkhard Walther, Przemek Zajfert: Camera Obscura Heidelberg. Schwarz-weiss Fotografien und Texte. Historische und zeitgenössische Texte. Hilde Domin und Michael Raffel (Vorwort). 180 Seiten, Verlag edition merid, 2006, ISBN 3-9810820-0-1
  • Karen Stuke: "Die Trilogie der schönen Zeit, oder: Warten macht mir nichts aus!" Camera obscura-Fotografie, in der Edition Beaugrand Kulturkonzepte beim Verlag für Druckgrafik Hans Gieselmann, Bielefeld 2007 (ISBN 978-3-923830-63-3, 64 Seiten) Texte von Andreas Beaugrand und Gottfried Jäger.
  • Franz Daxecker: Christoph Scheiner und die Camera obscura. Acta Historica Astronomiae Vol. 28, Beiträge zur Astronomiegeschichte, Bd. 8, S. 37-42 (2006)

Englischsprachig

  • Hans Knuchel: Camera Obscura Lars Mueller Edition, Baden 1992, ISBN 3-906700-49-6
  • Eric Renner: Pinhole Photography: Rediscovering a Historic Technique, (Second edition, 1999), Focal Press, Butterworth-Heinemann, Newton, MA, USA ISBN 0-240-80350-7
  • Jim Shull: The Hole Thing. A Manual of Pinhole Photography, Morgan & Morgan, Inc., New York 1974, ISBN 0-87100-047-4
  • Lauren Smith: The Visionary Pinhole, Gibbs M. Smith, Inc., Peregrine Smith Books, Salt Lake City, 1985, ISBN 0-87905-206-6
  • Philip Steadman: Vermeer's Camera, Oxford 2001, ISBN 0-19-280302-6
  • Adam Fuss: Pinhole Photographs (Smithsonian Photographers at Work), Smithsonian Institution Press ISBN 1-56098-622-0
  • Thomas Harding: One Room Schoolhouses of Arkansas as Seen through a Pinhole, University of Arkansas Press, ISBN 1-55728-271-4, ISBN 1-55728-272-2
  • Eric Renner, Center For Contemporary Arts Staff (Editor): International Pinhole Photography Exhibition, Center for Contemporary Arts of Santa Fe, ISBN 0-929762-01-0
  • Lauren Smith, Pinhole Vision I and II, LBS Produc ISBN 0-9607796-0-4

Weblinks


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