Hans Walter Schmidt

Hans Walter Schmidt

Hans Walter Schmidt (* 19. April 1912 in Breslau; † 1. oder 2. Juli 1934, wahrscheinlich bei Frankfurt am Main[1]) war ein deutscher SA-Führer und eines der Opfer des sogenannten Röhm-Putsches.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Adjutant von Edmund Heines

Schmidt trat als junger Mann am 1. Dezember 1932 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 1.269.815). Zwischen 1932 und 1934 wurde er als Protegé des Breslauer SA-Gruppenführers Edmund Heines binnen kurzer Zeit vom Hitler-Jungen bis zum SA-Standartenführer und persönlichen Adjutanten Heines befördert, zu dem er auch homosexuelle Liebesbeziehungen unterhalten haben soll. Hintergrund dieser Beziehungen sollen allerdings weniger eigene homosexuelle Neigungen Schmidts, sondern persönlicher Ehrgeiz und finanzielle Interessen gewesen sein: Konkret habe er in der Verbindung zu Heines eine Möglichkeit gesehen, seine Geldprobleme zu lösen und sein persönliches Weiterkommen voranzutreiben.[2]

In Breslau wurde Schmidt bald nach der Ernennung Heines zum Polizeipräsidenten im Frühjahr 1933 durch seine Rolle bei den wüsten Orgien und Saufgelagen des Polizeichefs und durch gemeinsame gewaltsame Ausschreitungen berüchtigt. Heines Zuneigung soll dabei derart ausgeprägt gewesen sein, dass er diesem selbst schwerste Verbrechen durchgehen ließ ohne einzugreifen: Einmal soll Schmidt sogar einen Saufkumpanen in betrunkenem Zustand mit einem Schwert erschlagen haben, ohne dass Heines einen Anlass zum Eingreifen gesehen hätte. Stattdessen habe er in seiner Eigenschaft als Polizeichef seine schützende Hand über ihn gehalten, indem er dem zuständigen Staatsanwalt ausdrücklich untersagte, gegen Schmidt vorzugehen.[3] Der Breslauer Jude Willy Cohn berichtet im ähnlicher Weise, Schmidt habe im Fürstenkeller in Bad Kudowa einmal einen Mann „so gestochen, dass ihm die Milz herausgenommen werden musste und er wohl nicht mehr hochkommen wird“.[4] Und der Offizier und spätere Angehörige des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff, der die schlesischen Zustände dieser Zeit aus nächster Nähe beobachten konnte, verglich das Benehmen von Heines und seinem Adjutanten später aus der Rückschau mit dem Gebaren von „asiatische Usurpatoren“.[5]

Schmidt, damals ein blonder junger Mann, galt nicht nur als persönlicher Favorit von Heines, sondern auch als dessen Liebhaber und „Lustknabe“,[6] weswegen er nach dem Machtantritt Heines in Schlesien binnen kurzer Zeit im ganzen Deutschen Reich unter dem Spottnamen „Fräulein Schmidt“ und „Frau Heines“ bekannt wurde. Ein anonymer SA-Mann schrieb über die Rolle Schmidts in Breslau, dieser sei „ein kleiner, niedlicher Knabe, der alles kann, der alles vermittelt, der jede Beförderung, jede Belobigung, jede Strafe erwirken kann, dem der Gruppenführer keine Bitte abschlagen kann.“[7] Konrad Heiden behauptete ferner in seiner 1936 erschienen Hitler-Biografie, Schmidt habe nicht nur als Liebhaber sondern auch als „Kuppler“ von Heines fungiert, dem er Breslauer Gymnasiasten zugeführt habe, die er und Heines dann gezwungen hätten ihnen „zu willen zu sein“.[8]

Heinrich Himmler begann spätestens im Sommer 1933 Informationen über die Ausschreitungen von Heines und Schmidt zu sammeln.[9] Trotz des schlechten Rufes seines Adjutanten beförderte Heines diesen 1934 zum Obersturmbannführer.

Verhaftung und Tod

Schmidt wurde im Rahmen der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 erschossen.

In der Literatur findet sich vielfach die, mit großer Wahrscheinlichkeit unzutreffende, Behauptung, Schmidt sei jener Mann gewesen, der am Morgen des 30. Junis 1934 bei Heines Verhaftung in der Pension Hanselbauer in Bad Wiessee, mit diesem im Bett angetroffen worden sei.[10] Da Schmidt sich jedoch nicht in der Liste der am 30. Juni in Stadelheim eingewiesenen SA-Angehörigen findet und der offiziellen Todesliste zufolge, anders als die Wiessee festgenommenen Personen, weder in Stadelheim, noch im KZ Dachau oder in der Kadettenanstalt Lichterfelde, sondern in der Umgebung von Frankfurt erschossen wurde, kann eine Anwesenheit seinerseits in Wiessee am 30. Juni mit großer Sicherheit als nicht gegeben angenommen werden. Hierfür spricht auch, dass am Morgen des 2. Juli 1934 eine längere Fahndungsanzeige der Staatspolizei mit der Überschrift „Obersturmbannführer Schmidt ist festzunehmen“ in den Breslauer Neuesten Nachrichten veröffentlicht wurde, was nahe legt, dass er zum Zeitpunkt der Redigierung der Zeitung als noch nicht ergriffen galt.

Die genauen Umstände von Schmidts Ergreifung und Tötung sind nicht vollständig geklärt. Das in Frankreich erschienene Weißbuch über die Erschießungen vom 30. Juni 1934 – eine Publikation aus deutschen Exilantenkreisen – gab an, Schmidt habe sich „während der Aktion in Wiessee auf einer Reise“ befunden, habe dort „Kenntnis von den Vorgängen“ erhalten und versucht über die Grenze zu fliehen, wobei er „erkannt, verhaftet und erschossen“ worden sei.[11] Die Deutschlandberichte der Auslands-SPD wussten ähnliches zu berichten: sie vermerkten im Sommer 1934, dass „Der Adjutant von Heines, ein schon 22jähriger Held mit Namen Schmidt ist mit Auto und Mk. 5000,- flüchtig. Er soll auf Anordnung festgenommen werden.“[12]‎ Über das Schicksal Schmidts scheint auch später noch eine gewisse Verwirrung geherrscht zu haben. Ein zeitgenössischer Bericht hielt darüber fest: „Es herrscht Unklarheit, ob der frühere Adjutant von Heines, Standartenführer Schmidt erschossen ist oder nicht. In sudetendeutschen Kreisen des Riesengebirges hatte man die Absicht eine in Spindlermühl wohnende Persönlichkeit, die man für den Standartenführer hielt, zu beseitigen.“[13]

Hitler ging auf die Person Schmidts auch in seiner Reichstagsrede vom 13. Juli, in der er die Verhaftungen und Erschießungen des 30. Junis rechtfertigte, ein:

„Die im Monat Mai vorgenommenen Durchprüfungen der Beförderungen in einigen bestimmten SA-Gebieten führten zu der schrecklichen Erkenntnis, dass Menschen ohne Rücksicht auf nationalsozialistische und SA-Verdienste in SA-Stellungen befördert worden waren, nur weil sie zum Kreise dieser besonders Veranlagten gehörten. Einzelne, Ihnen wohlbekannte Vorgänge, so z.B. der des Standartenführers Schmidt in Breslau, enthüllten ein Bild von Zuständen, die als unerträglich angesehen werden mußten. Mein Befehl dagegen vorzugehen wurde theoretisch befolgt, tatsächlich aber sabotiert.“[14]

Einzelnachweise

  1. Bennecke: Reichswehr, 1964, S.88
  2. Max Gallo: The Night of the Long Knives, 1972, S. 60.
  3. Max Gallo: The Night of the Long Knives, S. 59.
  4. Norbert Conrads: Willy Cohn. Kein Recht, nirgends. Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums, 2006, S. 159.
  5. Rudolf-Christoph Gersdorff: Soldat im Untergang, 1977, S. 54. An gleicher Stelle berichtet Gersdorff, wie er und sein Freund Pückler Schmidt einmal in einer Breslauer Kneipe von seiner Leibwache getrennt und „fürchterlich verprügelt“ hätten.
  6. Norbert Conrads: Willy Cohn. Kein Recht, nirgends. Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums, 1933-1941, 2006, S. 132.
  7. Ulrich Engelhardt: Soziale Bewegung und politische Verfassung, 1976, S. 822.
  8. Konrad Heiden: Adolf Hitler. Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit, 1936, S. 442.
  9. Burkhard Jellonnek: Homosexuelle unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus, 1990, S. 96.
  10. So z.B. bei Christian Zehnter: …den Dolch im Gewande, 1968, S. 142; bei Charles Bewley: Memoirs of a wild Goose, 1989, S. 147.‎
  11. Weissbuch über die Erschiessungen des 30. Juni, 1934, S. 96.
  12. Sozialdemokratische Partei Deutschlands: Deutschland-Bericht der Sopade, 1934, S. 196.
  13. Militärgeschichtliche Mitteilungen, 1968, Bd. 1-20, S. 144.
  14. Reichstagsprotokolle 1933/1936,1. 3. Sitzung, Freitag, den 13. Juli 1934, S. 27.

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