Slowakische Volkspartei Hlinkas

Slowakische Volkspartei Hlinkas

Die Slowakische Volkspartei Hlinkas (slowakisch: Hlinkova slovenská ľudová strana, kurz HSĽS), auch Hlinkas Slowakische Volkspartei, veraltet Slowakische Hlinka-Volkspartei, war eine slowakische katholisch und national ausgerichtete politische Partei zwischen 1906 und 1945. Parteivorsitzender war der katholische Priester Andrej Hlinka (1906–1938), ihm folgte der katholische Priester Jozef Tiso (1938–1945). Die Parteimitglieder und Anhänger bezeichneten sich selbst als „Ludaken“ (slowakisch: Ľudáci, deutsch etwa Volksparteiler).

Die Partei entstand noch zur k.u.k.-Zeit, als die Slowakei Bestandteil Österreich-Ungarns war; danach gehörte sie der tschechoslowakischen Parteienlandschaft an. Zusammen mit der Slowakischen Nationalpartei (Slovenská národná strana, SNS) war sie eine von zwei rein slowakischen Parteien in Österreich-Ungarn und in der Tschechoslowakei. Nach einem Zusammenschluss mit anderen Parteien im November 1938 war die neu entstandene Einheitspartei die herrschende Partei des Regimes Jozef Tisos und Vojtech Tukas in der Ersten Slowakischen Republik. Die Parteizeitungen waren die „Slowakische Volkszeitung“ (Slovenské ľudové noviny, 1910–1930) und „Der Slowake“ (Slovák, 1919–1945).

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnungen

  • 1906–1925: Slowakische Volkspartei (slowakisch: Slovenská ľudová strana, SĽS)
  • 1925–1938: Slowakische Volkspartei Hlinkas (slowakisch: Hlinkova slovenská ľudová strana, HSĽS)
  • 1938–1945: Slowakische Volkspartei Hlinkas – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit (slowakisch: Hlinkova slovenská ľudová strana – Strana slovenskej národnej jednoty, HSĽS-SSNJ)

In Österreich-Ungarn

Der Gründungsprozess der Partei dauerte einige Jahre. Zur Jahrhundertwende gab es in Österreich-Ungarn außer der kurzlebigen Slowakischen Sozialdemokratischen Partei (1905–1906) nur eine Partei, die spezifisch für die Interessen der Slowaken eintrat: Die Slowakische Nationalpartei. Verschiedene slowakische Persönlichkeiten, die mit der Politik der Slowakischen Nationalen Partei nicht einverstanden waren, aber dennoch slowakische Interessen voranbringen wollten, beschlossen am 14. Dezember 1905 in Žilina die Gründung der Slowakischen Volkspartei, deren formelle Gründung zunächst noch ausblieb. Weitere Persönlichkeiten, unter ihnen der katholische Priester Andrej Hlinka, traten der provisorischen Partei Anfang 1906 bei. Die Partei wurde formell am 18. März 1906 von F. Skyčák, Milan Hodža und A. Ráth gegründet, nach einem Beschluss vom April 1906 beteiligte sie sich aber bis 1913 an Wahlen offiziell lediglich als eine Art „Unterabteilung“ der Slowakischen Nationalen Partei, um einen Streuverlust an Wählerstimmen zu vermeiden. SNS und SĽS hatten unterschiedliche Parteiprogramme, die jedoch teils identisch waren. Trotz der in Ungarn seinerzeit üblichen Wahlmanipulationen gewann die SĽS sechs Sitze und die SNS einen von insgesamt 415 Abgeordnetensitzen bei den ungarischen Parlamentswahlen von 1906.

Die Partei bestand hauptsächlich aus ehemaligen slowakischen Mitgliedern der Ungarischen Volkspartei (Néppárt, gegründet 1895) und ausgetretenen Mitgliedern der SNS. Ihr Parteiprogramm enthielt Forderungen nach nationalen, katholisch-religiösen und liberalen Reformen, wie etwa Meinungsfreiheit und allgemeines Wahlrecht.

1912 lehnte die SĽS die damals stark ausgeprägte tschechisch-slowakische Ausrichtung der SNS ab und verabschiedete eine ähnliche Erklärung wie 1905, erneut ohne formale Auswirkungen. Am 29. Juli 1913 wurde die SĽS schließlich in Žilina als eigenständige slowakische politische Partei Österreich-Ungarns gegründet.

Parteivorsitzender wurde Andrej Hlinka, weitere Führungsfiguren waren Ferdinand Juriga und František Skyčák.

Während des Ersten Weltkriegs stellten SĽS und SNS ihr politisches Engagement ein, um jeglichen Vorwand für Anschuldigungen wegen einer Tätigkeit gegen den Österreichisch-Ungarischen Staat zu verhindern. Die Partei nahm jedoch an der Gründung des (zweiten) Slowakischen Nationalrats teil, der von Oktober 1918 bis Januar 1919 tagte.

In der Tschechoslowakei

Nach der Gründung der Tschechoslowakei nahm die SĽS ihre Tätigkeiten am 19. Dezember 1918 in Žilina wieder auf. Am 17. Oktober 1925 wurde sie nach ihrem Parteivorsitzenden Andrej Hlinka in Hlinkas Slowakische Volkspartei (HSĽS) umbenannt. Obwohl den Slowaken vor der Gründung der Tschechoslowakei im Pittsburgher Abkommen ein umfangreicher Autonomiestatus zugesagt worden war, wurde dieser in der Vorkriegs-Tschechoslowakei (1918–1939) nie verwirklicht. Die (H)SĽS forderte diese Autonomie ein und wehrte sich gegen eine Zentralisierung des Staates. Die Partei wandte sich auch gegen „Tschechoslowakismus“ (die Definition von Slowaken und Tschechen als einer gemeinsamen Ethnie), Atheismus und Protestantismus und festigte so ihr erzkonservatives, streng katholisches und antikommunistisches Bild. Hlinka zum Wahlsieg der tschechoslowakischen Sozialdemokraten 1920:

„Ich werde 24 Stunden am Tag arbeiten, bis sich die Slowakei von einer roten Slowakei in eine weiße und christliche Slowakei wandelt.“

Vom deutschen Kirchenhistoriker Karlheinz Deschner wird die Partei Hlinkas in seinem Werk Kirche und Faschismus als antisemitisch, konservativ und katholisch charakterisiert (S. 68, wobei nicht präzisier wird auf welchen Zeitraum der Existenz der Partei sich diese Charakteristik beziehen soll). Allerdings wurde Hlinka selbst von einer slowakischen jüdischen Zeitung für seine Judenfreundlichkeit gelobt und äußerte sich 1936 zum Thema wie folgt:

„Ich bin kein Feind der Juden, die politische Partei, deren Anführer ich bin, ist nicht antisemitisch. Antisemitismus ist nicht unser Programm. Als katholischer Pfarrer bin ich mir der großen moralischen, religiösen und historischen Bedeutung des Judentums für die gesamte zivilisierte Menschheit bewusst, insbesondere für das Christentum.“[1]

Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung charakterisiert die Partei gar als klerikalfaschistisch.[2]

Ihre Hauptwählerschaft bestand aus slowakischen Bauern, hauptsächlich wegen der Kritik der HSĽS an der tschechoslowakischen Landreform von 1920–1929. Mit 17,5 % der in der Slowakei abgegebenen Stimmen war sie bei den Parlamentswahlen 1920, an denen sie gemeinsam mit der Tschechischen Volkspartei unter dem Namen „Tschechoslowakische Volkspartei“ teilnahm, die drittgrößte Partei. Mit den Regionalwahlen 1923 wurde die Partei zur größten Partei in der Slowakei und erhielt im slowakischen Teil der Tschechoslowakei bei der Parlamentswahl 1925 34,4 % und 1935 30,3 %.

Bei letzterer bildete sie mit der SNS den „Autonomie-Block“, der sich jedoch nach der Wahl wieder auflöste. Als ausgesprochener Gegner eines Prager Zentralismus befand sie sich meistens in der Opposition. Lediglich einmal war sie Regierungsmitglied, als sie am 15. Januar 1927 der tschechoslowakischen Regierungskoalition beitrat, aber nach einem umstrittenen Gerichtsverfahren gegen das wegen Hochverrats angeklagte HSĽS-Mitglied Dr. Vojtech Tuka trat die HSĽS am 8. Oktober 1929 aus der Regierung aus. Der Staatsverband der Tschechen und Slowaken, im Sinne einer Tschecho-Slowakischen Republik, wurde von der HSĽS bis zum Jahre 1938 grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Eine mögliche Rückkehr zu Ungarn oder eine Konföderation der autonomen Slowakei mit Polen wurden nur in kleinen einflusslosen Gruppierungen innerhalb der HSĽS erwogen.

Der Chefideologe der Partei und spätere Staatspräsident der Ersten Slowakischen Republik, Jozef Tiso, bezeichnete als den „Gegenstand des politischen Strebens der HSĽS […] nichts anderes als das slowakische Volk – als ein selbstständiges und selbstgenügendes Volk […]. Es sollte diesem Volk geholfen werden, moralisch und wirtschaftlich selbstständig zu werden […]. Nicht nur das materielle Interesse, sondern auch die geistige, kulturelle, die höhere ideelle Zielsetzung war das politische Programm der HSĽS […]. Die Politik der HSĽS hatte in der Tat nur das nationale Interesse des slowakischen Volkes vor Augen.[3] Erst als der alternde Andrej Hlinka ab 1937 langsam die Kontrolle über seine Partei verlor und der HSĽS von den Regierungen der Nachbarstaaten eine bedeutsame Rolle bei der Zerschlagung der Tschechoslowakei zugedacht wurde, konnten diese Gruppierungen ihre Ziele öffentlich propagieren.[4] Die HSĽS verlangte während der zwanzig Jahre dauernden Ersten Tschechoslowakischen Republik vor allem die Anerkennung der slowakischen Nationalindividualität – also ein Abrücken der Prager Zentralregierung vom Tschechoslowakismus – sowie kulturelle Autonomie und Selbstverwaltung für die Slowakei im Rahmen der Tschechoslowakei.[5]

Nach dem Tod Andrej Hlinkas im Alter von 74 Jahren am 16. August 1938 wurde der katholischen Priester und damalige Vizevorsitzende Jozef Tiso neuer Parteichef.

Nachdem der tschechische Teil der Tschechoslowakei das Sudetenland als Ergebnis des Münchner Abkommens an Deutschland abtreten musste, erklärte das Exekutivkomitee des HSĽS zusammen mit fast allen slowakischen Parteien am 6. Oktober 1938 die Autonomie der Slowakei innerhalb der Tschechoslowakei. Prag akzeptierte dies und ernannte noch am selben Tag Jozef Tiso zum Premierminister der autonomen Slowakei. In den folgenden slowakischen Regierungen war die HSĽS die bestimmende Partei. Als am 8. November 1938 im Zuge des Wiener Schiedsspruchs dem slowakischen Teil der Tschechoslowakei rund ein Drittel seiner Gebiete an Ungarn verloren ging, vereinigten sich die Mitglieder sämtlicher Parteien in der Slowakei (d. h. die slowakischen Mitglieder der tschechischen Parteien in der Slowakei) mit der HSĽS und bildeten Hlinkas Slowakische Volkspartei – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit (HSĽS-SSNJ). Die Slowakische Nationale Partei trat der HSĽS-SSNJ am 15. Dezember bei, die Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei blieb als einzige dem Bündnis fern.

Mit dem sofortigen Verbot sozialdemokratischer, kommunistischer und jüdischer Parteien machte sich die autoritäre Tendenz der neuen Partei umgehend bemerkbar, die dann auch bei der slowakischen Wahl(farce) zum autonomen slowakischen Landtag vom Dezember 1938 97,3 % der Stimmen (von denen 72 % an Kandidaten der ursprünglichen HSĽS gingen) für sich gewinnen konnte. Ab dem 31. Januar 1939 wurden dem ethnischen Prinzip folgend alle Parteien außer der HSĽS-SSNJ, der Deutschen Partei und der Vereinigten Ungarischen Partei als Interessenvertreter der jeweiligen Minderheiten, verboten.

In der ersten Slowakischen Republik

 
 
Varianten der „Autonomieflagge“, die ab Oktober 1938 zur Parteiflagge der Volkspartei wurde.

Nach der Ausrufung der unabhängigen Slowakei am 14. März 1939 war die HSĽS-SSNJ die führende Partei im vom nationalsozialistischen Deutschland abhängigen autoritären Staat. Die für 1943 angesetzten Parlamentswahlen wurden kurzerhand abgesagt.

Ab 1939 entstand allerdings ein parteiinterner Konflikt. Der vom Parteivorsitzenden und slowakischen Präsidenten Jozef Tiso angeführte konservativ-gemäßigte Flügel wollte einen autoritären und klerikalen Ständestaat schaffen. Dieser Flügel hielt die entscheidenden Machtpositionen des Landes, der Partei und des Klerus inne. Der vom Nationalsozialismus beeinflusste rivalisierende Flügel des „Slowakischen Nationalsozialismus“ hingegen war ausgesprochen antisemitisch eingestellt und forderte die Ausweisung aller Tschechen und die Gründung eines radikal-faschistischen Staats. Die Hauptbetreiber dieser Politik waren der Premierminister Vojtech Tuka und der Innenminister Alexander Mach. Anhänger fanden sich vor allem in der sog. Hlinka-Garde (Hlinkova garda), dem paramilitärischen Verband der HSĽS-SSNJ.

Mit der Einnahme der Slowakei durch tschechoslowakische Truppen und der Roten Armee im Mai 1945 löste sich die Partei auf. Zahlreiche Parteimitglieder wurden während der kommunistischen Herrschaft verfolgt.

Siehe auch

Literatur

  • Jörg K. Hoensch: Studia Slovaca. Oldenbourg, 2000, ISBN 3-486-56521-4.
  • Jörg K. Hoensch: Die Slowakei und Hitlers Ostpolitik. Böhlau, 1965.
  • Gerhard Ames: Dokumente zur Autonomiepolitik der Slowakischen Volkspartei Hlinkas. Oldenbourg, 1984, ISBN 3-486-51071-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ein von 31 prominenten slowakischen Historikern unterschriebener Text
  2. Anton Maegerle, Rechts am Rand in Osteuropa. Ein Überblick über osteuropäische Rechtsaußenparteien
  3. Jörg Konrad Hoensch, Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei, S. 206.
  4. Hoensch, Studia Slovaca, S. 166.
  5. Hoensch, Studia Slovaca, S. 221.

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