Ich habe einfach Glück

Ich habe einfach Glück

Ich habe einfach Glück ist ein 2001 veröffentlichter Roman der deutschen Schriftstellerin und Moderatorin Alexa Hennig von Lange.

Der Roman wurde 2002 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Erzählt wird der in der Ich-Erzählsituation dargebotene Roman aus der Perspektive der 15-jährigen Protagonistin des Buchs. Lelle lebt mit ihren Eltern und ihrer 16-jährigen Schwester Cotsch in einer typischen Einfamilienhaussiedlung der Mittelschicht am Rand einer deutschen Stadt. Die Familie lebt in äußerlich wohlgeordneten Verhältnissen. Lelle kann sich nach ihren Vorstellungen kleiden, hat ein eigenes Zimmer, sie geht regelmäßig, wenn auch lustlos zur Schule, sie hat Freunde, sie fährt mit den Eltern im Sommer nach Schweden in Urlaub.

Aber die Eltern haben sich entfremdet, ihre Beziehung ist geprägt durch Missmut, Verdruss und Streitereien um Kleinigkeiten. Die Mutter versteht den für sie schmerzlichen Abnabelungsprozess ihrer Töchter vor allem als Zeichen des Verfalls ihrer Familie und meint, mit erdrückenden Maßnahmen gegensteuern zu müssen. Der Vater, ein Choleriker, der zu Gewaltausbrüchen neigt, entzieht sich dem hysterisch aufgeladenen Familienleben durch Flucht in ein sinnfreies Ritual unablässigen Schuheputzens. Die ältere Tochter, unsicher und ohne Selbstwertgefühl, erpresst ihre Eltern mit Selbstmorddrohungen und Lelle schließlich, die vierte im psychisch angeschlagenen Familienquartett, reagiert auf die emotionalen Überforderungen der Familien mit Magersucht. Eines Sommersonntagmorgens überfällt Lelle unvermittelt die Erkenntnis: „Ich bin allein!“

Der Roman schildert nun die Ereignisse, die sich im Zeitraum von vier turbulenten Tagen ereignen, als sich das vordergründig heile Familienleben krisenhaft zuspitzt. Nach einem Streit mit der älteren Tochter rennt die Mutter auf die Straße und wird dort von dem Nachbarsjungen Arthur angefahren, ohne dass der daran Schuld trüge. Am nächsten Abend ist Lelles ältere Schwester Cotsch plötzlich unauffindbar, weil ein anderer Nachbarsjunge namens Antoine, den Cotsch liebt und der kommentarlos aus ihrem Leben verschwunden war, wieder aufgetaucht ist. Lelle findet mit Hilfe Arthurs, den der Vater irrtümlich für einen Stricher hält, ihre verletzte Schwester und bringt sie zum Notarzt. Als in der Nacht die schlimmsten Verwicklungen scheinbar aufgelöst sind, sieht es plötzlich so aus, als habe der Vater seine Familie verlassen. Als er wieder auftaucht, wird ihm von seiner Familie die Erklärung nicht abgenommen, er habe den Nachbarn beigestanden, deren Sohn Antoine ohne Führerschein auf der Landstraße in eine Baustelle gerast ist.

Lelle jedoch hat schließlich „Glück“: Nachdem die übrige Familie sich vom Schauplatz entfernt hat, um die Wunden, die in den vergangenen Tagen geschlagen worden sind, zu pflegen, sucht Lelle im Nachbarhaus den Freund Arthur auf und erlebt das, wovon sie bisher nur geträumt hat: „Arthurs Hand streicht über meinen Rücken. Da ist die Hand, die über meinen Rücken streicht.“

Themen und Darstellungsformen

Alexa Hennig von Langes Roman wurde von der Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises 2002 für Leser ab 14 Jahren empfohlen. Fast zehn Jahre später ist der Roman immer noch lesenswert, weil er wenig von der mitleidsvollen- sozialtherapeutisch-bewegten "Trostliteratur" an sich hat, der von vielen Jugendlichen dieser Zielgruppe als belehrend-interventionistisch empfunden wird und entsprechend abschreckt.

Der Roman thematisiert nicht, wie viele der pädagogisch gut gemeinten und von therapeutischen Absichten getragenen Jugendbücher der damaligen Zeit, die "Groß-Katastrophen", wie körperliche und seelische Misshandlung sexuellen Missbrauchs, die zähen Kämpfe in der Vorphase der Trennung von den Eltern oder Scheidung mit anschließenden verbissenen Kämpfen um das Kind - der Autorin geht es vielmehr um die ganz „normalen“ Schwierigkeiten in einer Familie, das Auseinanderleben der Eltern in durchschnittlichen, bürgerlichen Ehen. Der Roman zeigt aber überzeugend, dass, wie und mit welchem Ergebnis die äußerlich intakte, in ihren wesentlichen Abläufen »funktionierende« Mittelschichtsfamilie zu einer Quelle neurotischer Störungen werden kann.

  • Die Ich-Erzählsituation ermöglicht – erst recht in Kombination mit der durchgängigen Verwendung des Präsens als Erzähltempus – eine geschickte und altersgerechte Mischung von äußerer Handlung, Erinnerung, Reflexion und imaginärem Handeln.
  • Die Autorin hat ein ausgezeichnetes Ohr für familiäre Dialoge, die sie nur wenig überdreht, um eine umwerfend komische oder satirische Wirkung zu erzeugen.
  • Der Roman bietet – mit den Themen „jugendliche Sexualität“, „Magersucht“, „Familienkonstellation“, „Eltern- und Geschwisterbeziehung“, „Schule und Leistung“ (um nur die wichtigsten zu nennen) – thematisch viel.
  • Die Themen werden oft aus einem neuen, ungewohnten Blickwinkel betrachtet: So bietet der Roman die Möglichkeit, etwa das Thema »Psychotherapie für Jugendliche« einmal unter dem eher ungewöhnlichen Aspekt »Therapie als Modeerscheinung«/»Therapie als Statussymbol der Mittelschicht« zu behandeln.

Ausgaben

  • Ich habe einfach Glück. Reinbek: Verlag Rogner und Bernhard, 2002. ISBN 3499212498

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