Cees Noteboom

Cees Noteboom
Cees Nooteboom (rechts) mit Jürgen Partenheimer, 2005

Cornelis Johannes Jacobus Maria Nooteboom (* 31. Juli 1933 in Den Haag) ist einer der bedeutendsten niederländischen Schriftsteller der Gegenwart.

Sein Werk umfasst Romane, Novellen, Reiseberichte und Gedichte; er war auch als Journalist und Literaturkritiker tätig. Seine Bücher erhielten zahlreiche Preise und wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und literarische Anfänge

Durch einen Bombenangriff auf Den Haag verlor Nooteboom 1945 den Vater. Seine Mutter heiratete 1948 erneut; auf Betreiben seines streng katholischen Stiefvaters besuchte Nooteboom daraufhin von Franziskanern und Augustinern geleitete Klosterschulen. Nach eigener Auskunft fühlte er sich dort von der Zeremonialität angezogen, nicht aber von der Dogmatik und er verließ die Schule vorzeitig.

Ab 1950 arbeitete Nooteboom bei einer Bank in Hilversum und nahm Gelegenheitsarbeiten an. 1953 begann er ausgedehnte Reisen durch Europa, häufig als Tramper. Diese Fahrten inspirierten seinen ersten Roman Philip en de anderen (1955; dt.: Das Paradies ist nebenan, 1958); er wurde mit dem Anne-Frank-Preis (1957) ausgezeichnet und in den Schulkanon aufgenommen und machte somit seinen Autor in den Niederlanden unmittelbar bekannt. In Deutschland erreichte der Roman erst in der Neuübersetzung Philip und die anderen (2003) von Helga van Beuningen ein breites Publikum.

Reiseberichte und Lyrik

1957 heuerte Nooteboom auf einem Schiff in die Karibik als Leichtmatrose an, um in Suriname beim Vater seiner Braut Fanny Lichtveld um deren Hand anzuhalten. Die beiden heirateten entgegen dessen Willen, trennten sich jedoch 1964 wieder. Die Erlebnisse dieser Reise fanden in den Erzählungen des Bands De verliefde gevangene (1958; dt.: Der verliebte Gefangene. Tropische Erzählungen, 2006) Niederschlag.

Nootebooms zweiter Roman, De ridder is gestorven (1963; dt.: Der Ritter ist gestorben, 1996), blieb 17 Jahre lang sein letzter. Bekannt wurden während dieser Zeit hauptsächlich zahlreiche Reiseberichte. Diesen verdankt Nooteboom seinen Ruf als Reiseschriftsteller, obgleich er sich selbst in erster Linie als Poet begreift.

Der erste Gedichtband erschien bereits 1956 (De doden zoeken een huis. Gedichten), weitere im Abstand weniger Jahre. In Deutschland erschien eine erste Auswahl 1964 (Organon-Poesie, übersetzt von Heinrich G. Schneeweiß). Nooteboom übersetzte auch Gedichte ins Niederländische und schrieb Liedtexte, u. a. für Herman van Veen und Liesbeth List, mit der er eine Zeit lang zusammenlebte.

Versuche, für das Theater zu schreiben, blieben weitgehend erfolglos.

Tätigkeit als Journalist

Nooteboom arbeitete u. a. für die niederländische Zeitschrift Elsevier (1957–60) und die Tageszeitung De Volkskrant (1961–68). 1967 wurde er Redakteur bei der Zeitschrift Avenue; er war zunächst für das Ressort Reise zuständig, ab 1977 auch für Lyrik.

Als Reporter berichtete er 1956 über den Ungarn-Aufstand, 1963 über den VI. Parteitag der SED und 1968 über die Studentenunruhen in Paris (gesammelt in dem Band Paris, Mai 1968). Ende der 1970er Jahre schrieb er über den Umsturz im Iran und ab November 1989 über den Zusammenbruch der DDR.

Für seine Essay-Sammlung Berlijnse notities (1990; dt.: Berliner Notizen, 1991), die Aufzeichnungen über Berlinbesuche 1961, 1963 und 1989/90 verbindet, erhielt er 1991 den ersten Literaturpreis zum 3. Oktober.

Durchbruch als Erzähler

Der Roman Rituelen (1980; dt.: Rituale, 1985) verhalf Nooteboom zu internationaler Bekanntheit. Er erhielt 1982 den Pegasus-Literaturpreis der Mobil Oil Company, der eine englische Übersetzung finanzierte und Übersetzungen in weitere Sprachen nach sich zog. 1989 drehte Herbert Curiel einen Film nach dieser Vorlage. Nach seinem unbeschwerten Erstlingswerk hatte Nooteboom viel über den Prozess des Schreibens und das Verhältnis von Realität und Wirklichkeit in verschiedenen literarischen Gattungen reflektiert, was zu dem im Vergleich zu früheren Werken deutlich distanzierteren und ironischeren Stil von Rituelen beitrug. In der Erzählung Een lied van schijn en wezen (1981; dt.: Ein Lied von Schein und Sein, 1989) und dem kurzen Roman In Nederland (1984, dt.: In den niederländischen Bergen, 1987) machte Nooteboom diese Reflexionen ausdrücklich zum Thema. In beiden Fällen erzählt er sowohl eine Geschichte – im Fall von In Nederland eine abgewandelte Form des Kunstmärchens Die Schneekönigin – als auch die Geschichte ihres fiktiven Autors, wobei er Probleme des Schreibprozesses und die Stellung des Autors zum Werk thematisiert.

Die Novelle Het volgende verhaal (1991; dt.: Die folgende Geschichte) brachte dem Autor nach einer begeisterten Besprechung Marcel Reich-Ranickis den kommerziellen Durchbruch in Deutschland. Auch der Roman Allerzielen (1998; dt.: Allerseelen, 1999) erlangte weltweite Verbreitung, fand jedoch in Deutschland besondere Beachtung, da die Stadt Berlin Schauplatz und ihre Geschichte als geteilte Stadt eins seiner zentralen Motive ist. Inzwischen wird der Autor in Deutschland intensiver rezipiert als in seiner Heimat; es ist bezeichnend, dass die deutsche Ausgabe der Sammlung Nootebooms Hotel (2000) noch vor der niederländischen erschien.

Der 70. Geburtstag

Nootebooms 70. Geburtstag am 31. Juli 2003 war in Deutschland Anlass zu einer näheren Beschäftigung mit Autor und Werk. So erscheint seither im Suhrkamp Verlag eine auf acht Bände angelegte Werksammlung, in der einige Texte zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vorliegen.

Der Dokumentarfilm Hotel Nooteboom – Eine Bilderreise ins Land der Worte (2003) von Heinz Peter Schwerfel verbindet Interviews mit Nooteboom und einigen seiner Freunde (u. a. Connie Palmen und Rüdiger Safranski) mit Landschaftsaufnahmen und Lesungen aus verschiedenen Büchern des Autors.

Cees Nooteboom lebt heute mit seiner Frau Simone Sassen in Amsterdam und auf Menorca.

Bedeutung in der niederländischen Literatur

Nooteboom wird im Ausland, besonders in Deutschland, eine größere Bedeutung innerhalb der niederländischen Literatur der Gegenwart beigemessen als in den Niederlanden selbst. Das äußerte sich unter anderem darin, dass Nooteboom Anfang der 1990er Jahre in Deutschland von Kritikern wie Marcel Reich-Ranicki und Rüdiger Safranski für den Literatur-Nobelpreis ins Gespräch gebracht wurde, während er in dem zur gleichen Zeit entstandenen Standardwerk Nederlandse Literatuur, een geschiedenis zur niederländischen Literatur nur in Nebensätzen Erwähnung findet. Zudem ist in der niederländischen Literaturkritik häufig die Rede von den „großen drei“ der Nachkriegsliteratur, zu denen Willem Frederik Hermans, Harry Mulisch und Gerard Reve, nicht aber Nooteboom gezählt werden. Ralf Grüttemeier vertritt die Auffassung, dass dies weder durch eine grundsätzliche Überbewertung von Nootebooms Texten in Deutschland, noch durch eine Unterbewertung in seiner Heimat zu erklären sei. Vielmehr spiele es eine Rolle, dass Nooteboom in seiner Heimat stets ein Außenseiter im Literaturbetrieb gewesen sei, während der Suhrkamp-Verlag ihn in Deutschland unter anderem durch zahlreiche Lesungen einem breiten Publikum bekannt gemacht habe.[1]

Zitat

„Wer das Anschauen / nicht bricht / sieht nichts.“ (Das Gesicht des Auges, 1989)

Werke

Romane und Novellen

  • Philip und die anderen (Philip en de anderen, 1955, dt. 1958/2003, früher unter dem Titel Das Paradies ist nebenan)
  • Der Ritter ist gestorben (De ridder is gestorven, 1963, dt. 1996)
  • Rituale (Rituelen, 1980, dt. 1985)
  • Ein Lied von Schein und Sein (Een lied van schijn en wezen, 1981, dt. 1989)
  • In den niederländischen Bergen (In Nederland, 1984, dt. 1987)
  • Die folgende Geschichte (Het volgende verhaal, 1991)
  • Allerseelen (Allerzielen, 1998, dt. 1999)
  • Paradies verloren (Paradijs Verloren, 2004, dt. 2005)
  • Nachts kommen die Füchse, ('s Nachts komen de vossen, 2009, dt. 2009)

Gedichte

  • De doden zoeken een huis (1956)
  • Koude gedichten (1959)
  • Het zwarte gedicht (1960)
  • Gesloten gedichten (1964)
  • Gemaakte gedichten (1970)
  • Open als een schelp – dicht als een steen (1978)
  • Aas. Gedichten (1982)
  • Het landschap verteld. Paesaggi narrati (1982)
  • Vuurtijd, ijstijd. Gedichten 1955–1983 (1984)
  • Das Gesicht des Auges (Het gezicht van het oog, 1989, dt. 1991)
  • Water, aarde, vuur, lucht (1991)
  • Zo kon het zijn (1999)
  • Bitterzoet, honderd gedichten van vroeger en zeventien nieuwe (2000)
  • Die schlafenden Götter / Sueños y otras mentiras, Künstlerbuch mit Gedichten von Cees Nooteboom und Lithographien von Jürgen Partenheimer (2005)

Reiseberichte und -erzählungen

  • Der verliebte Gefangene. Tropische Erzählungen (De verliefde gevangene, 1958, dt. 2006)
  • Een middag in Bruay. Reisverslagen (1963)
  • Een nacht in Tunesië (1965)
  • Een ochtend in Bahia (1968)
  • Bitter Bolivia. Maanland Mali (1971)
  • Een avond in Isfahan (1978)
  • Voorbije passages (1981)
  • Mokusei! Eine Liebesgeschichte (Mosukei! een liefdesverhaal, 1982, dt. 1990)
  • Der Buddha hinter dem Bretterzaun (De Boeddha achter de schutting. Aan de oever van de Chaophraya, 1986, dt. 1993)
  • Der Umweg nach Santiago (De omweg naar Santiago, 1992)
  • Im Frühling der Tau. Östliche Reisen (Van de lente de dauw. Oosterse reizen, 1995, Sammlung früherer Reiseberichte)
  • Rückkehr nach Berlin (Terugkeer naar Berlijn, 1997, dt. 1998)
  • Nootebooms Hotel (2000, Sammlung früherer Texte)
  • Die Dame mit dem Einhorn. Europäische Reisen (2000)
  • Die Insel, das Land. Geschichten aus Spanien (2002)
  • Roter Regen. Leichte Geschichten (2007)
  • Auf der anderen Wange der Erde. Die Amerikas: Reisen in den Amerikas" (2008)

Essaysammlungen und Reportagen

  • Nie gebaute Niederlande (Nooit gebouwd Nederland, 1980, dt. 2000)
  • Berliner Notizen (Berlijnse notities, 1990, dt. 1991)
  • Wie wird man Europäer? (De ontvoering van Europa, 1993)
  • Selbstbildnis eines anderen. Träume von der Insel und der Stadt von früher (Zelfportret van een ander. Dromen van het eiland en de stad van vroeger, 1993)
  • Paris, Mai 1968 (2003, Sammlung von Reportagen aus den 1950er- und 1960er-Jahren)

Theaterstücke

  • De zwanen van de Theems (1959)

Preise

Auszeichnungen

Literatur

  • Alexander von Bormann: Cees Nooteboom. In: Heinz L. Arnold (Hrsg.): Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur – KLfG. Loseblattausgabe, 41. Nachlieferung. Edition Text & Kritik.
  • Daan Cartens (Hrsg.): Der Augenmensch. Cees Nooteboom. Suhrkamp, 2002, ISBN 3-518-38860-6
  • Ralf Grüttemeier und Maria-Theresia Leuker (Hrsg.): Niederländische Literaturgeschichte. J.B. Metzler, 2006, ISBN 978-3-476-02061-1, Seiten 285-289

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ralf Grüttemeier: Nach dem zweiten Weltkrieg. In: Ralf Grüttemeier und Maria-Theresia Leuker (Hrsg.): Niederländische Literaturgeschichte. J.B. Metzler, 2006, ISBN 978-3-476-02061-1, Seite 288

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