Kastell Unterschwaningen

Kastell Unterschwaningen
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Kastell Unterschwaningen
Limes ORL –– (RLK)
Strecke (RLK) Rätischer Limes,
Strecke 13
Datierung (Belegung) um 90 n. Chr.
bis vor der Mitte des 2. Jahrhunderts
Typ Numeruskastell
Einheit Numerus
Größe 80 × 85 = 0,7 ha
Bauweise Holz-Erde
Erhaltungszustand Nicht sichtbar; durch Bäume im Gelände markiert
Ort Unterschwaningen
Geographische Lage 49° 4′ 10,3″ N, 10° 37′ 29,7″ O49.06952777777810.624919444444
Vorhergehend Kastell Ruffenhofen (westlich)
Anschließend Kastell Gnotzheim (südwestlich)
Rückwärtig Kastell Munningen (südsüdwestlich)
Vorgelagert Kastell Dambach (nordwestlich)

Das Kastell Unterschwaningen ist ein ehemaliges römisches Militärlager, das nahe am Rätischen Limes, einem Teil des zum UNESCO-Weltkulturerbe erhobenen Obergermanisch-Rätischen Limes, errichtet wurde und heute unüberbaut, doch nicht sichtbar unter den landwirtschaftlich genutzten Fluren der Gemeinde Unterschwaningen im Landkreis Ansbach in Bayern liegt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Kastell, 4,8 km hinter dem Limes gelegen, wurde auf einem nach Norden, Westen und Süden sanft abfallenden kleinen Hangsporn in hügeliger Landschaft gegründet. An der Spitze dieses Spornes stoßen die aus nordöstlicher Richtung kommenden Wasser des Arrabaches mit dem von Nordwesten kommenden größeren Mühlbach zusammen und fließen Richtung Süden zur Wörnitz ab. Vom Platz aus kann man in südöstlicher Richtung den „Spielberg“ erkennen, an dessen Fuß die wichtige römische Passstraße aus dem nördlichen Endpunkt des Fränkischen Jura heraustrat. Diese Straße kam vom im Riesbecken gelegenen Kastell Munningen, lief über den Pass und führte nach rund 2,5 km in nordöstlicher Richtung am Kastell Gnotzheim vorbei. Im weiteren Verlauf nach Norden erreichte die Trasse eine bedeutende Altmühlfurt am Grenzkastell Gunzenhausen. Dort gab es am „Schloßbuck“ Limesübergänge ins Freie Germanien. Im Westen kann man vom Kastell Unterschwaningen aus den markanten, sich west-östlich hinziehenden „Hesselberg“ ausmachen, an dessen Südflanke die Wörnitz vorbeifließt. Auf diesem Berg vermutet die Forschung eine römische Signalstation.[1] Vor der Westspitze des Hesselberges, dort wo die Wörnitz einen fast rechtwinkligen Knick nach Südwesten macht und gleichzeitig die Wasser der Sulzach aufnimmt, liegt nahebei das Kastell Ruffenhofen. In nordwestliche Richtung marschierend konnten die Soldaten des Kastells Unterschwaningen den Limes und das dortige, in einem schlecht einsehbaren Halbkessel gelegene Numeruskastell Dambach direkt an den Grenzeinrichtungen des Limes erreichen. Zur Fernmitteilung zwischen Dambach und Unterschwannigen sowie mit dem Kastell Ruffenhofen wäre ein Posten auf dem Hesselberg die beste Möglichkeit gewesen. Das gut erreichbare Kastell Gnotzheim war sicherlich für Unterschwaningen zuständig. Die heutige Ortschaft Unterschwaningen liegt rund einen Kilometer nördlich der Anlage in einer Senke. Der Untergrund im Kastellbereich ist seit der Antike relativ feucht geblieben.

Forschungsgeschichte

Die kleine Befestigung wurde 1929 durch den ehemaligen Streckenkommissar der Reichs-Limes-Kommission (RLK), Heinrich Eidam, entdeckt als dieser römische Straßenzüge untersuchte. Noch im gleichen Jahr begann er mit der Teiluntersuchung seiner Entdeckung.[2]

Baugeschichte

Aufgrund des reichlichen Kleinfundguts ist eine recht genaue Datierung der Kastellgründung möglich. So geht die Forschung davon aus, dass die 80 × 85 m (= 0,7 ha) große Holz-Erde-Befestigung um 90 n. Chr. während der Regierungszeit Kaiser Domitians (81–96 n. Chr.) gleichzeitig mit dem Kastell Gnotzheim errichtet worden ist. Beide Anlagen wären damit nach heutigem Wissenstand neben dem Kastell Weißenburg im Osten die ersten im Raum nördlich des Fränkischen Jura gewesen. Während Gnotzheim jedoch in einer späteren Grenzausbauphase 144 n. Chr. in Stein ausgebaut wurde, war Unterschwaningen zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich schon verlassen und dessen Numerus – nach Überlegungen des Archäologen Dietwulf Baatz[3] in das nachträglich vergrößerte und jüngere Kastell Dambach verlegt worden.

Unterschwaningen zeigte mit seiner Prätorialfront (Vorderfront) nach Südosten den Hang hinab zum Arrabach. Eidam stellte als Umwallung eine an den Außenseiten holzversteifte Erdrampe fest, die von den beiden Toren im Nordwesten und Südosten unterbrochen wurde. In den abgerundeten Lagerecken war je ein Holzturm postiert. Als Annäherungshindernis konnte ein Spitzgraben ausgemacht werden, der an den beiden einspurigen Zufahrten aussetzte. Beide Tore wurden von je zwei Holztürmen flankiert. Die ebenfalls hölzernen Principia, das Stabs- und Verwaltungsgebäude des Lagers, wurden auf der Hauptachse zwischen den beiden Toren entdeckt. Im Inneren dieser Principia konnten Spuren verschiedener Holzgebäude, Entwässerungsgräben und Gruben beobachtet werden.

Nach dem heutigen Wissensstand geht man von einer einphasigen Besetzung des Standorts aus.

Die Bedeutung des Kastells Unterschwaningen liegt in seiner frühen Zeitstellung, die viele Einblicke in den Aufbau einer solch kleinen Anlage des späten 1. Jahrhunderts gibt. Nur an wenigen Plätzen kann eine solche Befestigung so relativ ungestört studiert werden, zumal der feuchte Untergrund sowohl Holz als auch andere organische Materialien sehr gut konserviert hat. Terra Sigillata[4] dagegen wurde nur in geringem Umfang entdeckt.

Nachkastellzeitliche Nutzung

Nach Auflassung der Garnison wurde auf dem Areal, wie Dietwulf Baatz annimmt, eine größtenteils in Holzbauweise errichtete Villa rustica errichtet. Er rechnete auch damit, dass etliche Pfostenlöcher nicht zum Kastell, sondern in den Zusammenhang der Villa gehören.[5] Auch der einzige, leicht aus der Kastellachse gedrehte 10,6 × 5,5 m große Steinbau, ein Bad, ist wohl im Zuge der Villa entstanden. Es befand sich nahe dem südwestlichen Eckturm und war seiner Länge nach in nördliche Richtung ausgerichtet. Im Süden besaß es ein Praefurnium (Heizraum), daran schlossen sich zwei hypokaustierte Räume an. Alle jüngeren Funde von diesem Kastellplatz nach der Mitte des 2. Jahrhunderts werden wahrscheinlich zu dieser Villa rustica gehört haben.

Numerus

Die nach Unterschwaningen abkommandierte, namentlich unbekannte Abteilung war höchstwahrscheinlich ein 100 bis 200 Mann starker Numerus (dt. „Einheit“), der höchstwahrscheinlich dem Kastell Gnotzheim unterstand. Diese Einheiten gehörten zu den römischen Hilfstruppen, waren aber nicht so standardisiert wie die Auxilia, welche in den Gründungstagen der Numeri bereits fester Bestandteil des römischen Heeres waren. Die Numeri entstanden am Ende des 1. Jahrhunderts, als die ersten Limesstrecken eingerichtet wurden. Der Bedarf an kleineren Einheiten zur Grenzüberwachung wuchs enorm, was auch finanzielle Folgen für das Reich hatte. So wurden junge Einheimische regional ausgehoben und mit geringerem Sold und weniger striktem Standard in neuerrichtete Standorte abkommandiert. Die Numeri wurden wie die Auxilia nach ihrer ursprünglichen ethnischen Herkunft benannt und haben offenbar bei der Entlassung nicht das römische Bürgerrecht erhalten.[6]

Funde

Aus dem Graben des Kastells stammt eine reliefverzierte Terra-Sigillata-Scherbe, die möglicherweise aus der Töpferei des Rheinzaberner Produzenten Ianu I stammt. Dessen Ware ist unter anderem auch von den Kastellplätzen Pfünz und Buch bekannt.

Denkmalschutz

Das Kastell Unterschwaningen ist als Abschnitt des Obergermanisch-Rätischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem ist dieses Bodendenkmal geschützt als eingetragenes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg (DSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage, Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 282f.
  • Wolfgang Czysz, Lothar Bakker: Die Römer in Bayern, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3806210586.
  • Thomas Fischer, Erika Riedmeier Fischer: Der römische Limes in Bayern. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008. ISBN 978-3-7917-2120-0.
  • Thomas Fischer: Kastelle Ruffenhofen, Dambach, Unterschwaningen, Gnotzheim, Gunzenhausen, Theilenhofen, Böhming, Pfünz, Eining. In: Jochen Garbsch (Hrsg.): Der römische Limes in Bayern. 100 Jahre Limesforschung in Bayern. Ausstellungskataloge der Prähistorischen Staatssammlung 22, 1992, 37 ff.
  • Walter E. Keller, Walter Grabert: Die Römer am Limes. 5. überarbeitete Auflage, Verlag Walter E. Keller, Treuchtlingen 1998, ISBN 3-924828-49-0.
  • Johann Schrenk und Werner Mühlhäußer: Land am Limes. Auf den Spuren der Römer in der Region Hesselberg - Gunzenhausen - Weißenburg. Schrenk, Gunzenhausen 2009, ISBN 978-3-924270-57-5, insbes. S. 80−85.
  • Günter Ulbert, Thomas Fischer: Der Limes in Bayern. , Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0-351-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Günter Ulbert, Thomas Fischer: Der Limes in Bayern. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0-351-2. S. 63.
  2. Dietwulf Baatz: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Band 41. Nördlingen, Bopfingen, Oettingen, Harburg. Teil 2: Exkursionen. Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979. ISBN 3-8053-0310-6. S. 257.
  3. Günter Ulbert, Thomas Fischer: Der Limes in Bayern. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0-351-2. S. 64.
  4. Barbara Pferdehirt: Die Keramik des Kastells Holzhausen. Mann Verlag, 1974, ISBN 3786110700. S. 70.
  5. Günter Ulbert, Thomas Fischer: Der Limes in Bayern. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0-351-2. S. 66.
  6. Anne Johnson (dt. Bearbeitung von Dietwulf Baatz): Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 36–37.

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