Kloster Notre-Dame de l’Atlas

Kloster Notre-Dame de l’Atlas
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Kloster Notre-Dame de l’Atlas (Algerien)
Kloster Notre-Dame de l’Atlas
Kloster Notre-Dame de l’Atlas
Das Kloster von den Feldern aus gesehen
Portraits der ermordeten Mönche in Notre-Dame de l'Atlas, Midelt, Marokko.

Das Kloster Notre-Dame de l’Atlas ist ein Trappisten-Kloster in Tibhirine (Algerien), in der Provinz Médéa, ca. 90 km südlich von Algier im Atlasgebirge. Im Jahr 1996, während des algerischen Bürgerkriegs, wurden sieben Mönche aus dem Kloster entführt und enthauptet. Seither ist das Kloster verwaist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Kloster wurde am 7. März 1938 gegründet, als Tochtergründung des Klosters Aiguebelle.[1] Schon früher, seit 1843, waren die Mönche aus Aiguebelle in Algerien tätig, um die Bevölkerung in den modernen Methoden der Landwirtschaft zu unterrichten. Zu Beginn lebten im Kloster 13 Mönche des Trappisten-Ordens (ein Reformzweig des Zisterzienser-Ordens).

1951 lebten ungefähr 30 Mönche in diesem Konvent.

Während des Algerien-Kriegs wurden 1959 zwei Mönche von den Fellaghas entführt, später aber wieder freigelassen. Nach der Unabhängigkeitserklärung Algeriens 1962 wurden die Mönche vom Staat behindert und unterdrückt. Zu dieser Zeit waren nur noch wenige Mönche im Kloster. Dank gegenseitigem Respekt zwischen den Mönchen, die auch als Ärzte und Lehrer tätig waren, und der überwiegend islamisch geprägten Bevölkerung konnte das Kloster in den folgenden Jahrzehnten trotz Argwohns seitens des Staates, der Armee sowie einiger islamistischer Gruppierungen in der Umgebung gehalten werden.

1976 wurden die Gebäude vom Staat übernommen; die Mönche konnten jedoch 12 Hektar Land weiter kultivieren. Mit der Dorfbevölkerung gründeten sie eine landwirtschaftliche Kooperative.[2] Der Abt (Vorsteher) der Gemeinschaft war zu dieser Zeit Jean de la Croix Przyluski.

1984 wurde der Gemeinschaft wiederum der Status des Klosters zugestanden. Christian de Chergé wurde zum Prior ernannt. Neben dem Klosterleben waren die Mönche weiterhin vor allem in der Landwirtschaft, als Lehrer und Ärzte tätig.

Entführung und Ermordung der Mönche

In der Nacht vom 26. zum 27. März 1996, inmitten des algerischen Bürgerkrieges, verschaffte sich eine Gruppe Bewaffneter gewaltsam Eintritt in das Kloster und entführte sieben der Mönche (alle französischer Nationalität), darunter den Prior Christian de Chergé. Zwei Mönche konnten sich verstecken. Kurze Zeit später bekannte sich die Groupe Islamique Armé (GIA), eine terroristische Splittergruppe, zur Tat und forderte die Freilassung eines ihrer Anführer, im Gegenzug für die Freilassung der Mönche. Das letzte Lebenszeichen der Mönche ist eine Tonbandaufnahme vom 20. April mit ihren Stimmen in Gefangenschaft; das Band wurde am 30. April an die französische Botschaft in Algier gesandt. Die Mönche wurden enthauptet und ihre Köpfe wurden am 30. Mai in der Nähe von Médéa aufgefunden. Die Körper der Mönche wurden nicht gefunden.

Die Morde wurden nie ganz aufgeklärt. Ein ehemaliger Prokurator der Trappisten, Armand Vieilleux, geht davon aus, dass ein Komplott der algerischen Armee dafür verantwortlich war, um die Weltöffentlichkeit gegen die terroristischen Gruppen im Lande aufzubringen. Dies wird im Wesentlichen von Abdelkader Tigha bestätigt[3], einem unbeteiligten Stabsfeldwebel des algerischen militärischen Geheimdienstes (DRS), der damals im lokal zuständigen Nachrichtenzentrum (CTRI) von Blida eingesetzt war:
Frankreich hatte zuvor die Zusammenarbeit mit den algerischen Generälen und dem algerischen Geheimdienst eingestellt, unter anderem, da das DRS trotz Kenntnis keine Information über die Planung der damaligen Anschläge in Paris weitergegeben hatte. Um wieder eine Zusammenarbeit zu erzwingen, veranlasste Geheimdienstkoordinator General Smain Lamari die Entführung der Mönche. Die eigentliche Entführung wurde von einer Gruppe durchgeführt, zu der Angehörige des CTRI und solche des Kommandos für Spezialoperationen (GIS) unter Führung von Major Lahia Bey Lajmi, alias Turki, gehörten. Weiter war ein vom Geheimdienst kontrollierter Teil der GIA beteiligt. Dieser stand unter Leitung des durch das DRS rekrutierten Agenten Azzout Mouloud, gleichzeitig Kommunikations- und Geheimdienstchef der GIA, Verantwortlicher für deren Auslandsnetzwerk und Organisator der Pariser Anschläge. Auch der Führer der GIA, Djamal Zitouni, tatsächlich eher unbedeutend und ebenfalls ein rekrutierter Agent, war beteiligt. Die Mönche wurden in Tala Karmout versteckt, einer baufälligen Gruppe von Häusern im algerischen Buschwald. Zunächst war die Situation weiter unter voller Kontrolle des Geheimdienstes, die Verlautbarungen der GIA und auch das Tonband stammen letztendlich vom Geheimdienst. Dann jedoch wurden die Mönche laut Abdelkader Tighavon von einer anderen Gruppe der GIA wieder-entführt, einer Gruppe unter dem Kommando von Bisi Hussein, die nicht unter der Kontrolle des Geheimdienstes stand und die mit Djamal Zitouni und Mouloud Azzout nicht einverstanden war.
Der ehemalige Prokurator Armand Veilleux berichtet, er habe von französischen Botschaftsbeamten erfahren, dass die Mönche vor der Enthauptung durch Maschinengewehrfeuer umgekommen seien[3]. Der im Ruhestand befindliche französische General Francois Buchwalter, damals französischer Militärattaché in Algier, berichtet, er wisse von einem algerischen Freund, dass dessen Bruder Pilot eines Hubschraubers gewesen sei, der islamistische Guerillas in einem Lager in den Bergen zwischen Blida und Medea angegriffen habe. Nach der Landung seien dann die von der Hubschrauberbewaffnung durchsiebten Körper der Mönche gefunden worden.[4]

Gegenwart

Das Kloster in Tibhirine ist seither verwaist, da die politische Lage angespannt bleibt. Die Gebäude des ehemaligen Klosters werden aber von der Bevölkerung und Angestellten des Erzbistums Algier notdürftig unterhalten.[5]

Die zwei überlebenden Mönche übersiedelten am 2. Juni 1996 ins Trappistenkloster im marokkanischen Fès, das 1984 als Zweigniederlassung des Klosters von Tibhirine gegründet worden war und bis zum Jahr 2000 ebenfalls „Notre Dame de l’Atlas“ hieß. Seither leben die Trappisten-Mönche im Kloster gleichen Namens in der marokkanischen Stadt Midelt (Region Meknès). [6]

Filme

  • 2003: Frère Luc, moine de Tibhirine. Dokumentarfilm von Silvère Lang. Zeugnis von algerischen Nachbarn und Mittarbeiter des Klosters. [7]
  • 2006: Le Testament de Tibhirine – Dokumentarfilm von Emmanuel Audrain

2010: Von Menschen und Göttern

Der in Cannes preisgekrönte Film (Originaltitel: Des hommes et des dieux) wurde von Regisseur Xavier Beauvois und Darstellern (unter anderen Lambert Wilson, Michael Lonsdale, Philippe Laudenbach und Jacques Herlin) im französischen Kloster Tamié recherchiert und vorbereitet. Lambert Wilson sagte in einem Interview: "Ich denke, die Leute lieben diesen Film, weil er bestimmte Werte bringt, die wir heute brauchen: Liebe, Brüderlichkeit, auf den Nachbarn zugehen. Der Film sagt: Habt keine Angst vor anderen! In einer Zeit, in der alle sagen – insbesondere in Frankreich: Habe Angst vor den Roma! Habe Angst vor den Arabern! Pass auf! Pass auf! Pass auf! Diese Männer zeigen dir, was man mit einer gegensätzlichen Philosophie erreichen kann: Geh, und hilf den anderen!".[8]

Literatur

  • Iso Baumer: Die Mönche von Tibhirine. Die algerischen Glaubenszeugen - Hintergründe und Hoffnungen. Verlag Neue Stadt, München, 2010; ISBN 978-3-87996-911-1
  • John W. Kiser: Die Mönche von Tibhirine. Märtyrer der Versöhnung zwischen Christen und Moslems, Interlaken, Schweiz: Ansata, 2002 ISBN 3-7787-7196-5
  • Marie-Christine Ray: Christian de Chergé, Prieur de Tibhirine. – Bayard/Centurion 1998 – ISBN 2-227-43665-4
  • Bernardo Olivera: Unsere Brüder von Atlas. Zeugen für Christus im muslimischen Algerien. Bernardus-Verlag, Langwaden, 1999; ISBN 3-934551-00-9
  • Bernardo Olivera: Mönch, Märtyrer und Mystiker: Christian de Chergé (1937–1996). In: Erbe und Auftrag 76 (2000)
  • Christian Salenson: Den Brunnen tiefer graben. Meditieren mit Christian de Chergé, Prior der Mönche von Tibhirine. Verlag Neue Stadt, München, 2010; ISBN 978-3-87996-910-4

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Armand Veilleux: Le témoignage des Martyrs de Tibhirine. Website der Abtei von Scourmont. Abgerufen am 26. Januar 2011.
  2. Les moines du monastère de Tibhirine. Website der katholischen Kirche in Algerien. Abgerufen am 26. Januar 2011.
  3. a b Marc Thörner: Tod der sieben Mönche – Was wussten Algier und Paris. In: Dok 5 - Das Feature. WDR 5, 2006, abgerufen am 12. Dezember 2010 (PDF, Skript einer Hörfunksendung, weitere Informationen unter http://www.wdr5.de/sendungen/dok-5/s/d/12.12.2010-11.05.html).
  4. Lara Marlowe: Sarkozy to release details about beheaded monks in Algeria. irishtimes.com (The Irish Times), 7. August 2009, abgerufen am 12. Dezember 2010 (englisch).
  5. Französische Ordensleute gedenken der 1996 in Algerien ermordeten Trappisten vom 9. November 2006
  6. Webseite der Abbaye Notre Dame de l'Atlas
  7. Kurzbeschrieb (französisch)
  8. Bernd Sobolla, Von Menschen und Göttern, in: Salzkorn (1/2011), S. 23.

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