Maria Rohrbach

Maria Rohrbach

Maria Rohrbach-Wior (* 18. Juli 1929 in Münster) war Opfer eines deutschen Justizirrtums.

Inhaltsverzeichnis

Erster Prozess

Am 12. April 1957 entdeckten zwei Kinder beim Spielen den im Wasser schwimmenden Unterkörper einer männlichen Leiche. Stunden zuvor hatte ein Gärtner den dazugehörigen Oberkörper im flussaufwärts gelegenen Aasee gefunden. Die Teile – es fehlten noch der Kopf und die Beine – gehörten zu einem etwa 40 Jahre alten Mann, der offensichtlich getötet und anschließend zersägt worden war. Wie die späteren Ermittlungen ergaben, handelte es sich bei der Leiche um den Anstreicher Hermann Rohrbach aus Münster.

Die Ermittlungsbehörden und das gesamte Umfeld von Rohrbach legten sich in einer Art Vorverurteilung schnell auf Rohrbachs Frau Maria als Täterin fest. Sie hatte zur Tatzeit eine außereheliche Beziehung zu einem britischen Besatzungssoldaten, die von ihrem 16 Jahre älteren Mann allerdings geduldet wurde. Hermann Rohrbach selbst war homosexuell und die Ehe für beide eine Zweckgemeinschaft.

Trotz intensiver polizeilicher Verhöre legte Maria Rohrbach kein Geständnis ab, sondern beteuerte stets ihre Unschuld. Da die Ermittlungsbehörden fest davon ausgingen, mit Maria Rohrbach die Mörderin gefasst zu haben, bauten sie die Anklage vor dem Landgericht Münster auf Indizien auf. Eine Schlüsselrolle spielten dabei der fehlende Kopf des Opfers und das Gift Thallium. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Maria Rohrbach ihren Mann über einen längeren Zeitraum systematisch mit Thallium vergiftet habe. Das Thallium stamme aus dem Rattengift Celiopaste,[1] das die Angeklagte ihrem Mann in Malvenblütentee verabreicht habe. Die These des Malvenblütentees wurde aufgestellt, da Celiopaste aus Sicherheitsgründen mit einem intensiven tiefblauen Farbstoff versehen ist und dieser Tee das zur damaligen Zeit einzige Nahrungsmittel war, das von Natur aus eine ähnliche Farbe hat. In der Rohrbachschen Wohnung wurden jedoch weder das damals nur per Unterschrift in Drogerien erhältliche Celiopaste noch der Malvenblütentee gefunden. Der Münchner Chemiker Walter Specht, der als Gutachter in diesem Prozess auftrat und dafür die Summe von 3500 DM erhielt, fand bei Analysen in Hermann Rohrbachs Torso und in dem Kaminrohr der Wohnung erhebliche Mengen von Thallium. Daraus wurde geschlossen, dass Maria Rohrbach den Kopf ihres Gatten nach der Zerteilung des Körpers im heimischen Ofen verbrannt habe.[2]

Maria Rohrbach wurde angeklagt, ihren Ehegatten Hermann Rohrbach am 11. April 1957 in Münster ermordet zu haben. Sie habe ihren Mann mit Thallium vergiftet und dann zerstückelt. Am 18. April 1958 wurde sie in einem Indizienprozess vom Schwurgericht wegen Mordes zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe erfolgte in der Frauenstrafanstalt Anrath.[2]

Wiederaufnahmeverfahren

Im ungewöhnlich heißen und trockenen Sommer 1959 tauchte der Schädel des Ermordeten – von dem man angenommen hatte, er sei verbrannt worden – in einem ausgetrockneten Tümpel (ein ehemaliger Bombentrichter) auf.

Am 3. Mai 1961 begann ein Wiederaufnahmeverfahren. Im Verlaufe dieses Verfahrens wurden erhebliche Fehler bei der Durchführung der Gutachten des Chemikers Prof. Walter Specht, unter anderem durch Heinrich Kaiser, aufgedeckt. Speziell bei der Durchführung der Analytik zum Nachweis der angeblichen Thallium-Vergiftung wurden haarsträubende methodische Mängel nachgewiesen. Am 30. Juni 1961 wurde Maria Rohrbach schließlich durch ein Schwurgericht im Landgericht Münster wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. In diesem Verfahren wurde lediglich festgestellt, dass Maria Rohrbach ihren Mann nicht durch Rattengift umgebracht haben konnte.

Nach Aussage des zuständigen Landgerichtsdirektors Kösters war es dem Gericht nicht möglich Rohrbach „wegen erwiesener Unschuld freizusprechen“, so dass „ein erheblicher Tatverdacht an ihr hängenbleibt“. Aus diesem Grund erhielt sie für die verbüßte Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten auch keine Haftentschädigung. Da diese, so Kösters, „nur völlig Unschuldigen gewährt werden könne“.[3]

Der Mörder von Hermann Rohrbach wurde bis zum heutigen Tag nicht ermittelt. Nach dem Freispruch im Wiederaufnahmeverfahren bekam Maria Rohrbach eine neue Identität[4] und lebte zunächst in einer süddeutschen Kleinstadt. Später zog Rohrbach nach Krefeld und arbeitete dort als Serviererin. Am 28. September 1963 heiratete sie den kaufmännischen Angestellten Kart St. Aus der Ehe ging eine gemeinsame Tochter hervor. Bereits 1964 scheiterte diese Verbindung, und nach schweren ehelichen Auseinandersetzungen erstattete ihr zweiter Mann Strafanzeige gegen seine Frau.[3] In jenem Jahr wäre es aufgrund der Anschuldigungen von St. fast zu einem dritten Mordprozess gegen Maria Rohrbach gekommen. St. beschuldigte Maria Rohrbach des Mordversuchs an ihm. Außerdem habe sie ihm den Mord an ihrem ersten Mann gestanden. Diese Aussage wurde von der Oberstaatsanwaltschaft in Münster als „nicht glaubwürdige Aussage“ gewertet.[5][6]

Der Prozess um Maria Rohrbach wurde in mehreren Fernsehdokumentationen (ARD und ZDF) verfilmt.[7][8]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Anmerkung: In der Literatur zum Fall wird stets Celiopaste geschrieben, während es korrekt Zelio-Paste® heißt
  2. a b Suchten und fanden (siehe Titelbild). In: Der Spiegel. Nr. 26, 1961, S. 28–37 (online).
  3. a b Staatsanwalt in Münster stellt neue Ermittlungen im Fall Maria an. In: Hamburger Abendblatt, 7. Dezember 1964
  4. Maria Rohrbach trägt schon einen anderen Namen. In: Hamburger Abendblatt, 3. Juli 1961
  5. Kein neuer Prozeß gegen Maria Rohrbach. In: Hamburger Abendblatt, 8. Dezember 1964
  6. Wieder Ermittlungen im Fall Rohrbach. In: Hamburger Abendblatt, 7. Dezember 1964
  7. G. Wolf: Enthüllende Akzente. In: Hamburger Abendblatt, 5. Januar 2005
  8. Der Fall Rohrbach. In: Hamburger Abendblatt, 19. August 1966

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