Mazār-i Scharif

Mazār-i Scharif
مزار شريف
Mazār-i Scharif
Mazār-i Scharif (Afghanistan)
Mazār-i Scharif
Mazār-i Scharif
Basisdaten
Staat Afghanistan
Provinz Balch
Distrikt Mazār-i Scharif
Höhe 360 m
Einwohner 300.600 (2006)
ISO 3166-2 AF
Kultur
Stadtfest Mela-ye Gol-e Surkh (,Fest der roten Blumen‘)
Blaue Moschee in Mazâr-e Sharîf (Juni 2005)
Blaue Moschee in Mazâr-e Sharîf (Juni 2005)
36.767.116666666667

Mazār-i Scharif (persisch ‏مزار شريف‎, gesprochen ˌmæˈzɒːrɜ ʃæˈriːf, andere Transkription Masar-e Scharif, Mazar-i-Sherif) ist die Hauptstadt des gleichnamigen afghanischen Distrikts und der Provinz Balch.

Übersetzt bedeutet der Name der Stadt Grab des Heiligen und bezieht sich auf die u.a. hier vermutete Grabstätte von ʿAlī ibn Abī Tālib, Cousin und Schwiegersohn Mohammeds, der sowohl von Sunniten, Schiiten als auch Aleviten geehrt wird. Mazār-i Scharif gilt hierdurch als bedeutendster Wallfahrtsort Afghanistans und als heilige Stadt des Islam.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geografie

Lage innerhalb Afghanistans

9 Kilometer westlich des Stadtkerns fließt der Fluss Balch und bildet in seiner Umgebung eine Gebirgsflussoase. Nahezu parallel zu den geografischen Breitengraden erstrecken sich wenige Kilometer von der Stadt entfernt im Süden die Ausläufer des Marmalgebirges, selbst ein Ausläufer des Hindukuschs. Rund 100 Kilometer östlich fließt der Kunduz. Im Norden von Mazār-i Scharif, etwa in 56 Kilometern Entfernung, befindet sich die Staatsgrenze zu Tadschikistan, die durch den Verlauf des Amudarja markiert ist. Am Nordufer des Amudarja liegt die uzbekische Großstadt Termiz, welche über die Brücke der Freundschaft erreicht werden kann. Die afghanische Hauptstadt Kabul befindet sich zirka 200 Kilometer in südöstlicher Richtung.

In Mazâr-e Sharîf gilt die Zonenzeit UTC+4:30.

Geschichte

Auf dem Gebiet von Mazār-i Scharif befindet sich die antike Region Baktrien, die Stadt selbst war damals ein Vorort der bedeutenden Stadt Baktra, dem heutigen Balch (seit ca. 1700 ist es umgekehrt).

Seit Mitte der 1980er Jahre geriet Mazār-i Scharif unter den wachsenden Einfluss von Abdul Raschid Dostum, der dort für die sowjetischen Truppen den Versorgungsweg in die Sowjetunion sicherte. Nach deren Abzug gründete er die Dschunbisch-i Mill, die im folgenden afghanischen Bürgerkrieg auf verschiedenen Seiten kämpfte und seine Machtposition in der Stadt weiter festigte.

In der Stadt begründete Dostum am 21. März 1992 mit Ahmad Schah Massoud und anderen die Nationale Islamische Vereinigte Front zur Rettung Afghanistans, auch bekannt als ,Nordallianz‘.[2]

Nach der Übernahme der Macht in Afghanistan durch die Taliban blieb Masar-e Scharif noch bis 1998 unter Kontrolle Dostums. Zwischen Mai und Juli 1997 versuchten die Taliban mehrfach, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen, scheiterten jedoch zunächst. Berichte sprechen von Massakern der Taliban an der Bevölkerung nach der Einnahme der Stadt am 8. August 1998.

Am 9. November 2001 wurde die Stadt von der Nordallianz mit Hilfe US-amerikanischer Truppen wiederum unter der Führung von Dostum zurückerobert. Seit September 2005 betreibt die Bundeswehr hier, zusammen mit Norwegern und anderen Nationen, ihr flächenmäßig größtes Feldlager in Nordafghanistan (Camp Marmal).


Politik und öffentliche Verwaltung

Distrikte der Provinz Balch (hier ,Balkh‘)

Der Distrikt Mazār-i Scharif umfasst hauptsächlich das Stadtgebiet von Mazār-i Scharif, der Verwaltungsstatus ist mit dem einer kreisfreien Stadt vergleichbar.

Mazār-i Scharif bildet den Sitz des Gouverneurs von Balch, seit 2004 ist dies Mohammed Atta. In der Stadt befindet sich außerdem das Zentrum eines provinziellen Direktoriums des afghanischen Ministeriums für Drogenbekämpfung.[3]

Die Partei Hib-e-Paiwand-e-Mehanee Afghanistan (,Partei der nationalen Einigkeit Afghanistans‘) hat ihren Hauptsitz in Mazār-i Scharif.[4]

Bei der Präsidentschaftswahl in Afghanistan 2009 gaben laut der unabhängigen Wahlkommission Afghanistans insgesamt 96.461 Wahlberechtigte im Distrikt Mazār-i Scharif eine gültige Stimme ab. Die drei meistgewählten Kandidaten waren:

Infrastruktur

Hauptverkehrsachse mit Blauer Moschee am Ende

Verkehr

Schienenverkehr

Seit Mai 2010[6] befindet sich eine eingleisige Eisenbahnstrecke zwischen Hairatan und Mazâr-e Sharîf in Bau, um die bereits bestehende Bahnstrecke zwischen Hairatan und Termiz bis zum Flughafen Mazār-i Scharif zu verlängern.[7] Nach der Fertigstellung wäre sie die erste intakte Bahnstrecke seit 1929, die nicht an einem afghanischen Bahnhof in Grenznähe endet. Das beauftragte Unternehmen für den Bau ist die staatliche usbekische Eisenbahngesellschaft.

Luftverkehr

Acht Kilometer östlich der Stadt befindet sich der Flughafen Mazār-i Scharif.[8] Dieser verfügt über einen militärischen Teil, der im Rahmen der Operation Enduring Freedom genutzt wird, und einen nicht-militärischen Teil, der u.a. Bedeutung als Zwischenstation für Pilgerreisen nach Mekka hat.[9]

Elektrische Energie

In Mazar-e Sharif befindet sich ein Wärmekraftwerk, das mit Erdgas aus Scheberghan und Turkmenistan betrieben wird.[10]

Außerdem verfügt die Stadt über ein Umspannwerk mit einer Anschlussleistung von max. 16 Megavoltampere.[11] Dieses Werk ist ein Teil des North East Power System (,nordöstliches Energiesystem‘) und unterstützt u.a. die Energieversorgung von Kabul.[12]

Bildungseinrichtungen

In Mazār-i Scharif befindet sich die ‏دانشگاه بلخ‎ (,Universität von Balch‘) mit Fakultäten für Ingenieurwissenschaften, Geschichte und Literatur, Agrarwissenschaft, Medizin, Recht und Politik sowie Pädagogik.[13]

Medizinische Einrichtungen

Inklusive dem Flughafengelände stehen vier größerere Krankenhäuser und sieben medizinische Zentren mit unterschiedlichen Kapazitäten zur Verfügung (2005),[14] darunter eine der wenigen psychiatrischen Kliniken des Landes.[15]

Kampfmittelbeseitigung

Mehrere Mine clearance agencies (,Entminungs-Organisationen‘) haben in Mazār-i Scharif eine Zweigstelle,[16][14] um die Entschärfung und Entsorgung von Landminen, die vor allem aus der Zeit des sowjetisch-afghanischen Krieges stammen, zu koordinieren. Das nahe der Stadt stationierte Einsatzgeschwader Mazar-e Sharif der Bundeswehr setzte eine Kampfmittelbeseitigungs-Einheit ein, um Landminen und Blindgänger unschädlich zu machen. Das Einsatzgeschwader beendete jedoch seinen Einsatz Ende 2010 und verlegte zurück nach Deutschland.[17]


Provincial Reconstruction Team

In Mazār-i Scharif befindet sich ein Provincial Reconstruction Team (,regionale Wiederaufbaugruppe‘), das der ISAF angehört. Es unterstützt sowohl staatliche als auch nichtstaatlichen Projekte in den Bereichen Bildung, Verkehrsinfrastruktur, medizinische Versorgung und Ausbildung von Polizeikräften.[18]

Wirtschaft

Mazār-i Scharif liegt in einer der Regionen des Landes, in denen die Produktion von Schlafmohn zur Weiterverarbeitung zu Opium und Heroin eingestellt wurde (2009).[19]


Kultur und Sport

Buzkashi ist ein beliebter Sport in Mazār-i Scharif. Hierbei treten mehrere Reiter gegeneinander an, um zu dem Leib einer toten Ziege zu gelangen und diesen als Erster zu einem vorher festgelegten Punkt zu bringen. Zum Abschluss kommt es zu einem paiga genannten Wettrennen. Eine einzige Partie Buzkashi kann sich über mehrere Tage erstrecken.[20]

Jedes Jahr wird am 21. März[21] das Frühlings- und Neujahrsfest نو روز (Nouruz ,neuer Tag‘) begangen, welches in Mazār-i Scharif den Namen Mela-ye Gol-e Surkh (,Fest der roten Blumen‘, gemeint sind Mohnblumen[1]) trägt und das größte seiner Art in Afghanistan ist.[22] Das besonders hier zelebrierte Lied zu dem Fest heißt Molla Mammad Jaan.[23]

Bekannte Personen

Zeichnung von Mohammed Akbar (vor 1913)
Söhne und Töchter der Stadt
  • Zalmay Khalilzad (Sonderberater des US-Außenministeriums für Afghanistan, später US-Botschafter in der UNO)
  • Morsal Obeidi (sog. „Ehrenmordopfer“, verstarb in Hamburg)
Weitere Personen
  • Mohammed Akbar, Militärführer im Ersten Anglo-Afghanischen Krieg, liegt hier begraben[21]

Siehe auch

Weblinks

Neben den Einzelnachweisen können folgende Webseiten weiterführende Informationen vermitteln:

 Commons: Mazar-e Sharif – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. a b Webseite von ADRA Deutschland: Stadtportrait: Mazar-e-Sharif im Norden von Afghanistan (25. August 2008)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  2. Webseite der Bibliothek des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika: The Fall of Kabul, April 1992 (1997, englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  3. Webseite des UNODC: AFG/I87- Strengthening Provincial Capacity for Drug Control (englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  4. Webseite des afghanischen Justizministeriums: Licensed Political Parties (englisch), Nr. 57  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  5. Webseite der unabhängigen Wahlkommission Afghanistans: Province: Balkh, Auflistung der Ergebnisse der einzelnen Wahlstationen, der Distrikt Mazār-i Scharif entspricht den Stationen 1901001 bis 1901048, vgl. balkh.pdf auf einer weiteren Webseite der IEC  (zuletzt abgerufen am 1. August 2010)
  6. Webseite der ISAF: Construction of Railway from Uzbekistan to Mazar-e-Sharif Begins (28. Mai 2010, englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  7. Webseite der Asiatischen Entwicklungsbank: ADB-Funded Railway to Help Afghanistan Improve Regional Links, Boost Growth (30. September 2009, englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  8. Webseite des afghanischen Ministeriums für Verkehr und staatliches Flugwesen: Mazar I Sharif (englisch), Flughafeninformationen  (zuletzt abgerufen am 1. August 2010)
  9. Webseite der deutschen Luftwaffe: Der Auftrag (13. August 2009)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  10. Webseite des UNDP: Provincial Profile - Balkh - (englisch)  (zuletzt abgerufen am 1. August 2010)
  11. Webseite der Westhaus Group: comissioning & handing over Substation Mazar e Sharif (englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  12. Webseite der Deutschen Botschaft Kabul: Deutschland ist ein starker und verlässlicher Partner bei Aufbau und Verbesserung der afghanischen Energieversorgung  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  13. Webseite des afghanischen Ministeriums für höhere Bildung: Balkh University (englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  14. a b Webseite des afghanischen Ministeriums für ländlichen Wiederaufbau und Entwicklung: BALKH (englisch), S. 11, Überschrift E. Health (a) und S. 4 unten, Tabellenüberschrift International and National NGO Operations (b)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  15. Webseite des UNODC: Implementing Alternatives to Imprisonment, in line with International Standards and National Legislation (Mai 2008, englisch), Seite xiii  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  16. Webseite der ICBL: Afghanistan (englisch), Überschrift Survey and Assessment  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  17. Webseite der deutschen Luftwaffe: Ein ganz normaler Tag in Mazar-e Shari (12. April 2010), Überschrift Explosiver Fund  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  18. Webseite des deutschen Auswärtigen Amtes: Deutsches Engagement in Nordafghanistan (Kundus, Faisabad und Mazar-e-Sharif) (12. Juli 2010)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  19. Webseite des UNODC: AFG/F98 - Monitoring of Opium Production in Afghanistan (englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  20. Webseite von ADRA Deutschland: Buzkashi ist Afghanistans stolzester Volkssport (29. Oktober 2008)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  21. a b Webseite des afghanischen Außenministeriums: About Afghanistan (englisch), Überschrift MAZAR-E SHARIF im letzten Drittel der Webseite  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  22. Webseite des afghanischen Außenministeriums: Story of the Week: Afghan people to prepare to celebrate Nawrouz (18. März 2008, englisch)  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)
  23. Webseite der UNESCO: Nomination for inscription on the Representative List in 2009 (2. Oktober 2009, englisch), Überschrift 2. Description of the element  (zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2010)

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