Nierenszintigrafie mit MAG3

Nierenszintigrafie mit MAG3

Die dynamische Nierenszintigrafie mit MAG3 ist ein diagnostisches Verfahren in der Nuklearmedizin und dient der Nierenfunktionsprüfung. MAG3 steht für Mercaptoacetyltriglycin bzw. Mercaptoacetylglycylglycylglycin. Das Verfahren hat sich als Standardverfahren etabliert und andere Methoden (z.B. „nach Oberhausen“) verdrängt. MAG-3 wurde 1986 an der University of Utah von Alan R. Fritzberg, Sudhakar Kasina, and Dennis Eshima entwickelt.[1][2] Die Phase III-Tests wurden 1988 erfolgreich beendet.[3] Wesentliche Arbeiten zur Verwendung von MAG-3 u.a. zur Clearanceberechnung bei Kindern mit Hilfe der Single-Sample-Bubeck-Methode wurden von Bernd Bubeck geliefert, der auch den Begriff der tubulären Extraktionsrate (TER) etablierte.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die ideale Substanz zur Funktionsszintigrafie soll sich schnell und stark in der Niere anreichern sowie ohne parenchymale Retention in den Urin ausgeschieden werden, um damit Gewebe und Hohlraumsystem der Nieren beurteilen zu können. Daneben sollte sie pro Nierenpassage möglichst vollständig entfernt werden. Die Substanz sollte darüber hinaus mit einem Gammaemitter markierbar sein, der mit Hilfe von Gammakameras gut darstellbar ist und zu einer geringen Strahlenbelastung des Patienten führt.

Die Clearance-Bestimmung mit o-Iod-Hippursäure ist bis heute der Goldstandard in der Nuklearmedizin, da sein biologisches Ausscheidungsverhalten nahezu ideal für die Fragestellung der Clearancebestimmung ist. Es wird schneller ausgeschieden als jedes andere bekannte Radiopharmakon. Das im Radiopharmakon OJH verwendete 131I besitzt jedoch einen Betastrahlenanteil und eine vergleichsweise lange Halbwertszeit von 8 Tagen, was eine hohe Strahlenbelastung mit sich bringt. OJH wird heute daher kaum mehr verwendet.

99mTc-MAG3 verbesserte die Bildqualität von Nierenszintigrammen, da das Radionuklid 99mTc durch seine geringere Photonenenergie (140 keV anstelle von 364 keV) den Abbildungseigenschaften von Gammakameras entgegenkommt. Darüber hinaus ist die Strahlenbelastung durch die Untersuchung durch den Wegfall der Beta-Komponente und die mit 6 Stunden erheblich kürzere Halbwertszeit von 99mTc erheblich geringer als bei Verwendung von OJH; bei gleicher injizierter Aktivität ist die Strahlenbelastung der Nieren um einen Faktur 3,6 und das „Effektive Dosisäquivalent“ (nach ICRP 1979) um den Faktor 6,2 niedriger und beträgt ca. 0,8 mSv.

Indikation

Die Nierenszintigrafie mit MAG3 dient der Darstellung, Perfusions- und Funktionskontrolle der Nieren bei Verdacht auf eine Schädigung oder Beeinträchtigung der Nierenfunktion;

Die Untersuchung

Vorbereitung

Kinder sollen einen halben Liter ihres Lieblingsgetränkes, Erwachsene sollen 10 ml/kg Körpergewicht Flüssigkeit trinken und vor Untersuchungsbeginn die Harnblase leeren.

Dosierung

Bei kombinierter Perfusions- und Funktionsszintigrafie wird bei Erwachsenen eine Dosis von 150–200 MBq 99mTc-MAG3, bei Kindern 4 MBq pro kg Körpergewicht verabreicht. Bei einer reinen Funktionsszintigrafie wird bei Erwachsenen 60–80 MBq und bei Kindern 1–2 MBq/kg Körpergewicht verabreicht. Bei einer rein quantitativen Clearancebestimmung ohne Kameramessung wird 10–20 MBq verwendet.

Untersuchungsablauf

Die Gesamt-Untersuchungsdauer beträgt etwa eine Stunde. Nach Feststellung der Krankenvorgeschichte (Anamnese) erfolgt die Injektion des Radiopharmakons. Dieses sollte schnell und möglichst in einem kleinvolumigen Bolus gespritzt werden, gefolgt von 10–20 ml isotoner Kochsalzlösung, in unmittelbarem Anschluss und mit maximal möglichem Druck. Nun folgt die insgesamt etwa 30 minütige Aufnahme mit Hilfe einer Gammakamera.

Es wird meist eine kombinierte Perfusions- und Funktionszintigraphie durchgeführt: Während der ersten Minute werden 60 Aufnahmen von jeweils einer Sekunde Dauer angefertigt (dynamische Perfusionsaufnahme). In Minute zwei wird mit einem Bild pro 5 Sekunden akquiriert und im Anschluss bis Minute 20 einminütige Aufnahmen erstellt (Funktionsaufnahme). Der Patient sitzt üblicherweise, der Kopf der Gammakamera liegt am Rücken des Patienten an. Während der Aufnahme werden ein bzw. zwei Blutentnahmen durchgeführt. Ggf. kann während der Aufnahme ein Diuretikum verabreicht werden, um die Nierenfunktion anzukurbeln. Nach dem Ende der Aufnahme sollte der Patient Wasser lassen und im Anschluss eine Aufnahme im Liegen erfolgen (Kamerakopf ebenfalls am Rücken anliegend), um so eine mögliche Lageveränderung der Nieren beurteilen zu können.

Auswertung

Zur Auswertung werden ROIs über beide Nieren, einem Aortenabschnitt und eine Untergrundregion gelegt. Die Untergrundregion befindet sich idealerweise außerhalb großer Gefässe und außerhalb von Leber und Milz, idealerweise zwischen beiden Nieren. Mit Hilfe der beiden Nieren-ROIs werden von Minute eins an separate Perfusionskurven erstellt. Die Aorten-ROI dient der Kontrolle der Bolus-Qualität. Die Untergrund-ROI wird ausschließlich für die Seitenberechnung benutzt.

Zeitpunkt 0 für alle Berechnungen wird mit Hilfe eines Markers manuell festgelegt. Er ist definiert als der Fußpunkt der zuerst ansteigenden Nieren-ROI-Kurve. Die den Kurven zugrundeliegenden Rohdaten werden mit einem üblichen Verfahren geglättet; über den gesamten Untersuchungsablauf erzeugten Funktionskurven sind Grundlage der Berechnung des Funktionsanteils beider Nieren. Die Berechnung basiert auf den im Zeitintervall 60–100 Sekunden nach Kurvenanstieg ermittelten Daten. Damit wird vermieden, dass der Seitenanteil einer gestauten Niere überschätzt wird; ebenso liegt der Zeitpunkt von möglichen Aktivitätsschwankungen der Untergrund-ROI außerhalb dieses Zeitfensters und geht aus diesem Grund nicht verfälschend in die Berechnung ein.

Der Clearance-Index, angegeben in Cps/MBq (Counts per Second per Megabecquerel), errechnet sich wie folgt:



\frac{(F_1+F_2)}{D_i \!\ \delta t} f_{AC} \!\ 10^x

mit

F1 = Teilintegral des Steigungsdreiecks unter Nierenkurve 1
F2 = Teilintegral des Steigungsdreiecks unter Nierenkurve 2
Di = Aktivitätsdosis zum Zeitpunkt der Injektion
δt = Zeitintervall, über das integriert wird
fac = Schwächungskorrekturfaktor eµs mit µ=1,53 [cm-1](Schwächungskoeffizient für 99mTc)
s = Abstand Niere - Hautoberfläche [cm]
10x = Skalierungsfaktor mit x=0..2

Ergebnis

Die Nierenszintigrafie mit MAG3 dient der Perfusions-, Funktions-, und Clearance-Bestimmung beider Nieren absolut oder im Vergleich vor bzw. nach einem Eingriff (z.B. Chemotherapie). Daneben liefert sie die Organgrößen, zeigt Verschmelzungs- Wander oder Stauungss- bzw. Doppelnieren und stellt eine ggf. bestehende Harnabflußstörung dar. Mit Hilfe der MAG-3-Clearance kann man die tubuläre Extraktionsrate TER bei Erwachsenen und Kindern bestimmen.

Einzelnachweise

  1. Fritzberg AR, Kasina S, Eshima D, Johnson DL: Synthesis and biological evaluation of technetium-99m MAG3 as a hippuran replacement. In: J. Nucl. Med.. 27, Nr. 1, 1986, S. 111–6. PMID 2934521.
  2. Taylor A, Eshima D, Alazraki N: 99mTc-MAG3, a new renal imaging agent: preliminary results in patients. In: Eur J Nucl Med. 12, Nr. 10, 1987, S. 510–4. doi:10.1007/BF00620476. PMID 2952506.
  3. Al-Nahhas AA, Jafri RA, Britton KE, et al.: Clinical experience with 99mTc-MAG3, mercaptoacetyltriglycine, and a comparison with 99mTc-DTPA. In: Eur J Nucl Med. 14, Nr. 9-10, 1988, S. 453–62. doi:10.1007/BF00252388. PMID 2975219.

Literatur

Bernd Bubeck: Technetium 99m-MAG-3 für die nuklearmedizinische Nierenfunktionsdiagnostik; Pharmakokinetik und klinische Anwendung im Vergleich mit radiojodierter Jodhippursäure, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage Online bei Nuklearmedizin.ch.

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