Yogasutra

Yogasutra

Das Yogasutra (Sanskrit: योगसूत्र yogasūtra n. "Yogaleitfaden") ist ein zentraler Ursprungstext des Yoga. Es wurde von Patañjali verfasst, der vermutlich im 2. Jh. v. Chr. lebte. Yoga ist eine der sechs indischen orthodoxen Philosophien (Shaddarshana).

Wörtlich übersetzt bedeutet Sutra "Faden". Das Yogasutra ist also gewissermaßen ein Leitfaden für Yoga, der anders als die Bhagavadgita keine Rahmenhandlung besitzt und auch nicht gesungen wurde.

Das Yogasutra besteht aus 195 Sanskrit-Versen in vier Kapiteln, in denen in hochkonzentrierter Form die Essenz des Yogaweges gebündelt ist. Es ist eine der ältesten Überlieferungen der Yogatradition.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt der Sutren

Allgemein

Die Verse sind sehr knapp gehalten, so dass für die Interpretation ein großer Spielraum entsteht, was in den vielen Kommentaren und Übersetzungen deutlich zum Ausdruck kommt.

Der Autor fasst im Yogasutra das Wissen des Raja Yoga zusammen, wobei er sich eng an das System vom Sankhya anlehnt, aber auch Gedankengut aus verschiedenen Traditionen übernimmt. Patañjali gilt daher nicht als Begründer des Yoga, sehr wohl aber als erster, der den Yoga in einem Text als ganzes systematisch zusammengefasst hat.

Die acht Glieder des Yoga

Im Yogasutra wird Yoga als achtgliedriger Weg dargestellt, weswegen diese Form auch Ashtanga Yoga (ashta anga - acht Glieder) genannt wird. Die acht Aspekte sind:

  • Yama (Moral, Ethik – das Verhalten anderen gegenüber, gesellschaftliche Disziplin; allen voran Ahimsa = Gewaltlosigkeit / Satya = Wahrhaftigkeit (auch sich selbst gegenüber)
  • Niyama (Selbstdisziplin – das Verhalten sich selber gegenüber; wie Sauca = Reinheit /Samtosa = Zufriedenheit)
  • Asana (Übungen der Yogastellungen, körperliche Disziplin)
  • Pranayama (Beherrschung des Atems, mentale Disziplin)
  • Pratyahara (Sich-nach-Innen-Ausrichten, Disziplin der Sinne)
  • Dharana (Konzentration)
  • Dhyana (Meditation)
  • Samadhi (Ekstase, Versenkung, All-Einheit, Verwirklichung des höheren Selbst)

Alle acht Glieder des Yoga bilden eine untrennbare Einheit. Oft wurden sie als Stufen einer Entwicklung interpretiert, eigentlich beziehen sie sich jedoch auf verschiedene Aspekte des menschlichen Lebens, so dass sie nicht nacheinander zu praktizieren sind, sondern vielmehr einen ganzheitlichen Übungsweg repräsentieren, bei dem die verschiedenen Disziplinen zusammen wirksam werden. Als letztendliche Ziel des Yogaweges wird Samadhi genannt, die völlige Ruhe des Geistes.

Kapitelstruktur der Sutren

I. Samadhi

Im ersten Vers gibt Patañjali die Definition bzw. das Ziel des Yoga an:

„योग: चित्त-वृत्ति निरोध – yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ – Yoga ist jener innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen.

Patañjali Yoga Sutra, I.2, in der Übersetzung von Bettina Bäumer [1]

Danach erfolgt eine Beschreibung des menschlichen Geistes (citta) mit Methoden, diesen mittels Meditation und Konzentration zu beruhigen. Der Nennung der neun Hindernisse (antaraya), wie Krankheit oder Faulheit, folgt eine Beschreibung der verschiedenen Arten von Samadhi.

II: Sadhana

Im zweiten Kapitel werden die Ursachen des Leidens (klesha) genannt und deren Wirkungsweise beschrieben. Danach kommt die Unterrichtung der fünf ersten Schritte des achtfachen Yogaweges, nämlich Yama, Niyama, Asana, Pranayama und Pratyahara, mit deren Hilfe die Ursachen des Leidens angegangen werden können.

III. Vibhuti

Hier werden die anderen drei Glieder des achtfachen Yogas behandelt: Dharana, Dhyana und Samadhi. Zudem wird sehr ausführlich die Erlangung verschiedenster übernatürlicher Fähigkeiten (siddhi) durch Konzentration, beschrieben.

IV. Kaivalya

Das letzte Kapitel ist weniger strukturiert und beschäftigt sich zum Teil mit bereits behandelten Themen, aber schließlich auch die Befreiung des Selbstes durch den Yoga.

Kommentare

Das Yogasutra wurde im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder neu kommentiert und übersetzt. Der erste Kommentar stammt von Vyasa, der im 5. Jh. n. Chr. gewirkt hatte. Dieser Kommentar wurde von Shankara (788-820) , einem der größten indischen Philosophen, in einem Umfangreichen Werk nochmals kommentiert. Andere wichtige Kommentare sind Tattvavaisharadi von Vachaspati Mishra (9./10.Jh.), Rajamartanda von König Bhoja (um 1040) und Yogavarttika von Vijnanabhikshu (16.Jh). (2. Hälfte 16. Jh.)

Bis zum 18. Jh. wurden nicht weniger als 15 verschiedene Kommentare zum Yogasutra verfasst. Diese Zahl erhöht sich bis heute fortlaufend.

Übersetzungen

Das Yogasutra wurde um 1000 vom muslimischen Universalgelehrten al-Biruni ins Arabische übersetzt, dem Kitab Batanjali. Ansonsten blieb das Yogasutra bis in die Neuzeit außerhalb Indiens unbeachtet. Mit dem Aufkommen des Interesses an Yoga in Europa und Nordamerika, wurde das Yogasutra immer wieder neu in westliche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch gibt es mittlerweile mehrere Übersetzungen, die sich zum Teil stark voneinander unterscheiden. Auch die dazugehörigen Kommentare gehen je nach Ansicht des Autors weit auseinander.

Siehe auch

Bücher

  • P. Y. Deshpande/B. Bäumer: Die Wurzeln des Yoga, Otto Wilhelm Barth Verlag, 1976 Rezension
  • T.K.V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation – Das Yoga Sutra des Patanjali. Petersburg: Verlag Via Nova (1997)
  • Swami Durgananda: Yoga-Sutren des Patanjali. Lautersheim: Mangalam Books (2003). ISBN 3-922477-79-8
  • Swami Prabhavananda & Christopher Isherwood: Gotterkenntnis – Die Yoga-Sutras des Patanjali. Berlin: Ullstein Verlag (1998)
  • Karl-Otto Schmidt: Selbsterkenntnis durch Yoga-Praxis, Patanjali und die Yoga-Sutren. Hammelburg: Drei Eichen Verlag (2009).
  • R. Sriram: Yogasutra. Theseus Verlag (2006). ISBN 3-89620-292-8

Links

Einzelnachweise

  1. Die Yoga-Sûtras des Patañjali, abgerufen am 28. November 2009

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