Deutscher Esperanto-Bund

Deutscher Esperanto-Bund

Der Deutsche Esperanto-Bund (DEB; auf Esperanto: Germana Esperanto-Asocio, GEA) ist ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein. Das Ziel des Bundes ist es vor allem, die Sprache Esperanto in Deutschland zu fördern.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Leistungen

Der DEB hat 1600 Mitglieder, die zentral verwaltet werden; in den meisten Bundesländern gibt es Landesverbände, außerdem sind dem DEB Ortsgruppen angeschlossen.

Jährliche Hauptveranstaltung ist der Deutsche Esperanto-Kongress, den der DEB manchmal gemeinsam mit Esperanto-Verbänden von Nachbarländern organisiert. Auf dem Kongress wird alle zwei Jahre der Vorstand gewählt. Vorsitzender des DEB ist seit 2007 der Münsteraner Sprachwissenschaftler Dr. Rudolf Fischer.

Das Verbandsorgan heißt Esperanto aktuell, das diesen Titel seit 1982 hat und in seiner jetzigen Grundform seit 1992 erscheint. Längere Zeit war es in eine deutsch- und eine esperantosprachige Ausgabe geteilt. Bücher über Esperanto kann man über den Buchversand des DEB beziehen.

Der DEB hat in Herzberg/Harz seine Aus- und Weiterbildungsstätte (Interkultura Centro Herzberg, ICH). Dort kann man die Sprache erlernen oder anderen Vorträgen, Kursen und Seminaren folgen. In Berlin gibt es ein Informationszentrum des DEB. Das Deutsche Esperanto-Institut (Germana Esperanto-Instituto, GEI) beschäftigt sich vor allem mit dem Abnehmen von Esperanto-Sprachprüfungen.

Die eigenständige Jugendorganisation Deutsche Esperanto-Jugend e. V. wurde 1951 gegründet und hat ihre Geschäftsstelle in Berlin. Sie organisiert jedes Jahr in der Silvesterwoche ihre Internationale Woche.

International

Der DEB ist Anschlussverband im Esperanto-Weltbund UEA, seit 1934 und dann wieder seit 1955, und entsendet Delegierte in den UEA-Verbandsrat. Bislang haben in Deutschland acht (mit Danzig 1927: neun) Esperanto-Weltkongresse (UK) stattgefunden, zuletzt in Berlin 1999. Sie werden von der UEA in Zusammenarbeit mit dem nationalen Esperanto-Verband organisiert, also in Deutschland mit dem DEB.

In der Vergangenheit waren Deutsche mehrmals Generalsekretär oder stellvertretender Vorsitzender der UEA. Ehrenmitglieder aus Deutschland sind dem UEA-Jahrbuch zufolge Dr. Werner Bormann und Richard Hirsch.

Die Deutsche Esperanto-Jugend gehört zu den Landessektionen der Weltorganisation junger Esperantisten TEJO.

Unabhängig von der UEA organisieren der DEB und die Jugend beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen mit Esperanto-Verbänden in Nachbarländern. Ferner fördert der DEB Esperantisten in unterschiedlichen Ländern Afrikas.

Einige der größten internationalen Esperanto-Treffen Europas finden alljährlich in Deutschland statt, etwa die Internationale Woche der Deutschen Esperanto-Jugend, das privat organisierte Internationale Festival oder das Frühjahrsfamilientreffen des Deutschen Esperanto-Bundes.

Geschichte

Eduard Mybs, Arzt aus Altona, Vorsitzender 1906-11

Gründungsphase

Für die Geschichte der gesamten Esperanto-Sprachgemeinschaft wichtig ist der Nürnberger Weltspracheverein von 1885, der 1888 vom Volapük zum Esperanto gewechselt war. In Nürnberg wurde auch die erste Esperanto-Zeitschrift herausgegeben, La Esperantisto. Dies war aber noch nicht der Auftakt zur späteren deutschen Esperanto-Bewegung.

Bereits 1903 hatte Ludwig E. Meier von der Münchner Ortsgruppe an einen deutschlandweiten Verband gedacht, den Schritt zur Gründung aber noch nicht gewagt. Die Berliner Ortsgruppe gab 1904 ihre Esperantistischen Mitteilungen heraus, die 1905 zum Germana Esperantisto wurden. Dieses Forum initiierte dann 1906 in Braunschweig die Gründung einer Deutschen Esperantisten-Gesellschaft. 1909 erfolgte die Umbenennung zum heute bekannten Namen, als die Gesellschaft sich von einem Verein von Einzelmitgliedern in einen Bund von Esperanto-Gruppen umwandelte.

Erster Weltkrieg

Der Krieg erfasste den DEB ebenso unvorbereitet wie die deutsche Gesellschaft an sich, dennoch konnte das Verbandsorgan Germana Esperantisto von Friedrich Ellersiek weitergeführt werden. Ähnlich stabil war von den kriegführenden Ländern am ehesten noch der britische Bund. Das Verbandsorgan betonte im Krieg deutsche Friedensbereitschaft, war aber auch von Ernst und Patriotismus geprägt. Auf der Rückseite der ersten Kriegsausgabe warb man für die Esperanto-Übersetzung von Bertha von Suttners Antikriegsroman Die Waffen nieder.

Der DEB bzw. ein von ihm initiiertes Komitee gab die regierungsamtlichen Informationsblätter auf Esperanto heraus und verschickte sie an Esperantisten in den neutralen Ländern. Dieses Vorgehen ahmten später auch Esperantisten in Frankreich und Italien nach.[1]

Weimarer Zeit

Der Krieg hatte sowohl nationalistische als auch internationalistische Strömungen verstärkt. Es gab Anfeindungen gegen Esperanto als "westliche Phantasterei", aber auch Zuspruch. So war Reichspräsident Friedrich Ebert Schirmherr des Esperanto-Weltkongresses in Nürnberg 1923.[2] Die Esperantisten benutzten als Argument für Esperanto, dass die Völkerverständigung wichtiger als je zuvor sei.

Potsdam, Pfingsten 1928: Deutscher Esperanto- Kongress u.a. mit Edmond Privat (1. Reihe, 3. v.r.) vom Esperanto-Weltbund

Organisatorisch und strategisch ist die Weimarer Zeit aus Esperanto-Sicht nicht sehr verschieden vom Kaiserreich. Neu war die Spaltung der Esperanto-Bewegung in eine "bürgerlich-neutrale", zu der der DEB gehörte, und eine "sozialistische" mit dem Deutschen Arbeiter-Esperanto-Bund.

Nationalsozialismus

Die nationalsozialistische Machtergreifung 1933 stellte den DEB vor die Frage, wie er sich der neuen Situation anpassen kann bzw. muss. Einerseits herrschte Unsicherheit darüber, was genau der DEB tun musste, um überleben zu können (die Arbeiter-Esperanto-Verbände wurden sofort verboten). Andererseits erhoffte der DEB sich sogar, das neue Regime würde Esperanto in seiner Auslandspropaganda verwenden, wie die Sowjetunion oder das faschistische Italien. Zur Selbstgleichschaltung gehörte die Einrichtung des Führerprinzips und schließlich, Anfang 1936, auch der Ausschluss jüdischer Mitglieder.

Kritiker des Anpassungskurses wiesen darauf hin, dass Adolf Hitler bereits in Mein Kampf seine Meinung über Esperanto offenbart hatte:

Solange der Jude nicht der Herr der anderen Völker geworden ist, muß er wohl oder übel deren Sprachen sprechen, sobald diese jedoch seine Knechte wären, hätten sie alle eine Universalsprache (z. B. Esperanto!) zu lernen, so daß auch durch dieses Mittel das Judentum sie leichter beherrschen könnte!

Erschwert wurde die Lage des DEB noch durch zwei weitere Entwicklungen: International fand damals die Umgestaltung der Esperanto-Bewegung statt, der Weltbund wurde zum Dachverband der nationalen Verbände und forderte deren offizielle politische Neutralität ein. National hatte sich eine Neue Deutsche Esperanto-Bewegung gegründet, ein nationalsozialistisch orientierter Verein, der sowohl vom Staat als auch vom Weltbund als alleinige Vertretung der deutschen Esperantisten anerkannt werden wollte[3].

Tatsächlich blieb der nationalsozialistische Staat dem Esperanto gegenüber misstrauisch. Am 18. Februar 1936 ordnete Martin Bormann an, dass NSDAP-Mitglieder nicht in "Kunstsprachevereinigungen" tätig sein durften. Da der DEB sich trotz dieser Entmutigung nicht auflöste, lösten die Politischen Polizeikommandeure der Länder im Juni 1936 die letzten Esperanto-Verbände in Deutschland auf.[4]

Esperanto selbst war nicht verboten, und so trafen sich Esperantisten privat zur Pflege ihrer Sprachkenntnisse. Im Krieg wurde aus Gründen der Zensur verboten, auf Esperanto Briefe zu schreiben.

Kalter Krieg 1945-1989 und Vereintes Deutschland

Deutsche Bundesbahn auf Esperanto, Mainz 1958, zum Esperanto-Weltkongress

In den drei Westzonen wurde der Deutsche Esperanto-Bund 1947 wiedergegründet, zunächst mit München als Sitz. Er führte sowohl die Tradition der sogenannten bürgerlichen als auch der Arbeiter-Esperantisten aus der Vorkriegszeit fort. Da er sich aber 1955 dem unpolitischen Esperanto-Weltbund UEA anschloss, gründete ein kleinerer Teil der Arbeiter-Esperantisten einen eigenen Verband, den Freien Esperanto-Bund für die deutschen Sprachgebiete.

Rudolf Fischer, Vorsitzender seit 2007

Noch in der sowjetischen Besatzungszeit wurden Esperanto-Organisationen auf dem Gebiet der späteren DDR verboten. Die "Werktätigen" wurden aufgefordert, sich stattdessen mit dem Russischen zu beschäftigen. Erst 1965 kam es zu einer Esperanto-Organisation in der DDR, und zwar innerhalb des Kulturbundes. Der DDR-Esperanto-Verband musste sich den staatlichen Vorgaben unterwerfen. Seine offizielle Aufgabe war es, im Kontakt mit ausländischen Esperantisten Propaganda für die DDR-Politik zu machen und die "westdeutsche Revanchepolitik" zu demaskieren.[5] 1968 verwahrte sich der DEB-Vorsitzende Werner Bormann gegen eine Behauptung des DDR-Verbandes aus dem Vorjahr, der DEB werde vom Gesamtdeutschen Ministerium finanziert oder diffamiere die DDR-Esperanto-Bewegung.[6]

Obwohl es schon vor 1989 individuelle Kontakte zwischen ost- und westdeutschen Esperantofreunden gegeben hatte, sind diese eher gering geblieben. Bis zum Mauerbau 1961 konnte in West-Berlin noch ein "Interzonentreffen" organisiert werden. 1991 vereinigten sich DEB und der DDR-Verband zum heute gesamtdeutschen Deutschen Esperanto-Bund.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Marcus Sikosek: Die neutrale Sprache. Eine politische Geschichte des Esperanto-Weltbundes, Bydgoszcz 2006, S. 86-88.
  2. Marcus Sikosek: Die neutrale Sprache. Eine politische Geschichte des Esperanto-Weltbundes, Bydgoszcz 2006, S. 182.
  3. Ulrich Lins: Die Gefährliche Sprache, Bleicher Verlag, ISBN 3-88350-023-2, S. 100-103.
  4. Marcus Sikosek: Die neutrale Sprache. Eine politische Geschichte des Esperanto-Weltbundes, Bydgoszcz 2006, S. 184, 187 (dort auch das Hitler-Zitat), S. 204/205.
  5. Marcus Sikosek: Die neutrale Sprache. Eine politische Geschichte des Esperanto-Weltbundes, Bydgoszcz 2006S. 263, S. 356/357.
  6. Werner Bormann: Antwort des DEB an den Zentralen Arbeitskreis der Esperantofreunde der DDR im Deutschen Kulturbund. In: Germana Esperanto-Revuo, Mai 1968, S. 52.

Weblinks


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