Diogenes in der Tonne

Diogenes in der Tonne
Diogenes von Sinope
„Geh mir aus der Sonne“

Der kynische Philosoph Diogenes (griech.: Διογένης ὁ Σινωπεύς Diogenēs ho Sinōpeus; * ca. 391/399 v. Chr. in Sinope; † 323 v. Chr. in Korinth) lebte in Athen und war Schüler des Antisthenes (und dieser wiederum ein Schüler des Sokrates).

Er gilt als Verächter der Kultur und wirkte in seiner Philosophie mehr durch den praktischen Vollzug als durch Lehren. Völlige Unabhängigkeit des Menschen von der Außenwelt und allen konventionellen Verhältnissen war ihm Bedingung der wahren Tugend. Von den über ihn überlieferten legendären Anekdoten ist am bekanntesten die von „Diogenes in der Tonne“. Dabei handelt es sich vermutlich um einen Übersetzungsfehler eines von Seneca geprägten Ausspruches, dass ein Mann mit derart geringen Ansprüchen ebenso gut in einem Pithos, einer „Tonne“, leben könne. Wirklich in einer Tonne gelebt hat Diogenes wohl nie.

Diogenes war der erste Mensch, der sich als „Weltbürger“ (κοσμοπολίτης) bezeichnete, statt Bürger einer Stadt oder eines Staates.

Durch sein Bettlerleben erwarb er sich den Beinamen Kyon (Hund), den er sofort zu seinem Vorteil umdeutete und ihn als Titel auffasste. Die Philosophenschule der Kyniker leitet von dieser Lebenspraxis ihren Namen ab. Allerdings könnte der Name Kyniker auch vom Lehrort des Antisthenes, dem „Kynosarges“ herleiten. Heutige Begriffe wie zynisch und Zynismus werden ebenfalls davon abgeleitet.

Zu den Erkennungszeichen der Kyniker gehörten Wanderstab, Rucksack und Essensschale, die gleichzeitig die Grundprinzipien des Kynismus, nämlich Kosmopolitentum, Autarkie, Bedürfnislosigkeit und Parrhesie (freie Rede) symbolisieren.

Inhaltsverzeichnis

Anekdotisches

Folgende Anekdoten illustrieren die Bedürfnislosigkeit und Philosophie des Diogenes. Quelle ist meist Diogenes Laertios:

Diogenes wird nachgesagt, auf dem Marktplatz onaniert zu haben. Daraufhin angesprochen, soll er gesagt haben: „Wie schön wäre es doch, wenn man auch durch das Reiben des Bauches das Hungergefühl vertreiben könnte!“ (Οὐκ αἰσχρὸν οὐδὲν τῶν ἀναγκαίων βροτοῖς.)

Plutarch überlieferte folgende Begebenheit: Alexander dem Großen antwortete Diogenes, als dieser zu ihm trat und ihm einen Wunsch freistellte: „Geh mir ein wenig aus der Sonne“ (Μικρὸν ἀπὸ τοῦ ἡλίου μετάστηθι.), worauf Alexander entgegnete: „Wäre ich nicht Alexander, wollte ich Diogenes sein.“ (Εἰ μὴ Ἀλέξανδρος ἤμην, Διογένης ἂν ἤμην.)

Diogenes besaß einst einen Becher um damit Wasser zu schöpfen. Als er ein Kind sah, das mit bloßer Hand das Wasser auffing, warf er auch diesen weg.

Tagsüber ging Diogenes mit einer Laterne über den Marktplatz von Athen. Dazu erklärte er: „Ich suche einen wirklichen Menschen“. (Ἄνθρωπον ζητῶ.)

Einmal auf einem Marktplatz rief er laut: „Kommt herbei Menschen!“ Die Leute aber, die auf seinen Ausruf hinkamen, verscheuchte er mit den Worten: „Menschen habe ich zu mir gerufen, nicht Abschaum!“ (Ἄνθρώπους ἐκάλεσα, οὐ καθάρματα.)

Bilder

Literatur

  • Karlhans Abel, Michael Erler: Diogenes aus Sinope. In: Lexikon des Hellenismus. Hrsg. von Hatto H. Schmitt und Ernst Vogt. Wiesbaden 2005, S. 251.
  • Klaus Döring: Die Kyniker. C. C. Buchners Verlag, Bamberg 2006.
  • Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft. 2 Bde. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1983, ISBN 3-518-11099-3
  • Carl-Wilhelm Weber: Diogenes. Die Botschaft aus der Tonne. Nymphenburger, München 1987, ISBN 3-485-00552-5
  • Christoph Martin Wieland: Nachlaß des Diogenes von Sinope. 1769 In: Gesammelte Schriften, 1. Abteilung: Werke, Band V (7, 8/2), Waidmannsche Verlagsbuchhandlung, Hildesheim 1986.

Außerdem schreibt Lukian von Samosata in seinen satirischen Schriften „Verkauf der Philosophenschule“ und „Totengespräche“ über Diogenes.

Weblinks


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