Adélaïde Labille-Guiard

Adélaïde Labille-Guiard
Selbstporträt mit zwei ihrer Schülerinnen, Marie-Gabrielle Capet und Marie-Marguerite Carreaux de Rosemond, 1785

Adélaïde Labille-Guiard später auch „Madame Vincent“ genannt (* 11. April 1749 in Paris; † 24. April 1803 in Paris), war eine französische Malerin des ausgehenden 18. Jahrhunderts und Gründerin der ersten Pariser Frauenschule für Malerinnen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Selbstporträt, Aquarellminiatur von 1774
Der Maler François-André Vincent im Jahr 1783
Der Bildhauer Augustin Pajou, Pastell aus dem Jahr 1783.

Kindheit und Jugend

Adélaïde Labille wurde 1749 als Tochter von Marie-Anne Saint-Martin und des Kurzwarenhändlers Claude-Edme Labille als die Jüngste und einzig überlebende von acht Geschwistern im östlichen Teil der Neuve des Petits-Champs in der Nähe von der Pfarrkirche Saint-Roch in Paris geboren.[1] Sie erhielt, womöglich in einer Klosterschule, ihre Allgemeinbildung. Anschließend half sie im Bekleidungsgeschäft des Vaters „La Toilette“ aus, das sich in der selben Straße wie ihr Haus befand[2]. Bereits im Alter von vierzehn Jahren hatte sie die Idee Malerin zu werden. Einer der vielen Künstler in der Rue Neuve des Petits-Champs war der Genfer Miniaturmaler François-Elie Vincent (1708–1790), der auch ein guter Bekannter von Adélaïde Labilles Vater war.[3] Bei ihm lernte sie kleine Porträts für Medaillons oder als Schmuckstücke für Tabatieren (Schnupftabakdosen) herzustellen. Vincents Sohn François-André Vincent, der ein hochbegabter Maler war, wurde zu Adélaïdes Freund und eigentlichem Lehrer. Adélaïdes Mutter, die während ihrer ganzen Kindheit und Jugend hinweg kränklich war, starb schließlich im Jahr 1768.

Mit zwanzig Jahren am 25. August 1769 heiratete sie den Steuerbeamten Louis-Nicolas Giuard, der auch aus der Nachbarschaft von der Rue Neuve des Petits-Champs stammte. Die Freundschaft zu Vincent wurde nun vorab unterbrochen, da dieser für sechs Jahre nach Rom ging. Adélaïde Labille-Guiards Ehe blieb kinderlos, so dass sie ihr Studium wieder aufnahm. Sie hielt sich dann bis 1774 bei dem führenden Pariser Pastellmaler Maurice Quentin de La Tour auf, um die Pastelltechnik, die damals sehr in Mode war, zu erlernen. Dabei wurde sie jedoch enttäuscht, da ihre Pastellbilder bei der Masse des Angebotes, nicht sonderlich beachtet wurden. Labille-Guiard stellte erstmals am 25. August 1774 auf der „Ausstellung für Malerei und Skulpturen von Saint-Luc“ eine Selbstporträtminiatur in Aquarell und ein Pastel mit dem Titel „Porträt eines Friedensrichters“ in Paris aus.[4] Sie begann um 1777,[5] erneut bei ihrem Freund Vincent, der mittlerweile wieder aus Rom zurück war, die Ölmalerei zu studieren. Da sie sich von ihrem Mann noch nicht scheiden lassen konnte, ließ sie sich am 27. Juli 1779 rechtmäßig von ihm trennen.

Popularität

Am 1. Mai 1782 stellte Labille-Guiard erstmals, zwei Wochen lang, im „Salon de la Correspondance“ aus. Dabei zeigte sie drei Pastelle, ein mittelgroßes Porträt des Graf von Clermont-Tonnerre und zwei Kopfstudien eines jungen Mannes und einer jungen Frau[6]. Minister, Prinzessinnen und auch andere Künstler ließen sich nun von ihr porträtieren. Im Juni 1782 wurden Arbeiten von Labille-Guiard und von Élisabeth Vigée-Lebrun nebeneinander im Salon de la Correspondance ausgestellt, dabei waren sich beide davor bereits auf der Ausstellung von Saint-Luke 1774 begegnet[7]. Der Porträtist Alexander Roslin stellte Labille-Guiard 1783 der Königlichen Akademie, der satzungsgemäß höchstens vier Frauen angehören durften, vor.[8] Für die Aufnahme musste sie zwei Ölbilder anfertigen und wurde nach langer Beratung mit 29 von insgesamt 36 Stimmen mit ihrem Porträt des Bildhauers Augustin Pajou am 31. Mai 1783, am selben Tag wie die Malerin Élisabeth Vigée-Lebrun, in die Akademie aufgenommen.[9]

Das weit verbreitete Lob, mit dem man sie im Salon der Akademie empfing, wurde durch einen Skandal gestört. Ein verleumderischer Pamphlet mit dem Titel „Suite de Malborough au Salon 1783“ bezichtigte Labille-Guiard ähnlich wie später auch bei Vigée-Lebrun der sexuellen und ethischen Unschicklichkeit.[10] Es wurde darin behauptet, dass sie Arbeiten von Vincent als ihre eigenen ausgestellt habe sowie nach Vincent auch zweitausend Affären genossen haben soll.[11] Durch ein versiertes Schreiben am 19. September an die Gräfin d’Angiviller, die sowohl Labille Guiards Gönnerin, wie auch die Frau des Generaldirektors der königlichen Gebäude [12] war, konnte die Druckschrift zu ihrer Erleichterung unterdrückt werden. Dennoch gingen später auch weiterhin ähnliche Schriften in Umlauf.

Da sie aus Erfahrung wusste, mit welchen Schwierigkeiten künstlerisch begabte Frauen zu kämpfen haben, eröffnete sie als zusätzliche Einkommensquelle etwa um 1780 die erste Pariser Frauenschule für Malerinnen, in der sie 1783 neun Schülerinnen unterrichtete. Unter ihren Schülerinnen waren die Miniaturmalerin Marie-Thérèse de Noireterre (1760-1819), die Porträtmalerin Jeanne Bernard (1763-1842) die später einen Schüler Vincents, Laurent Dabos (1761-1835) heiratete und sich fortan wie ihr Mann der Genremalerei wandte, Mademoiselle Verrier die im Salon von 1786 ausstellte, heiratete später einen Monsieur Maillard, Mademoiselle Alexandre ist nur in den Ausstellungen De la Jeunesse in den Jahren 1784 sowie 1786 vertreten. Eine Tante des Königs ordnete Labille-Guiard 1788 an, eine Pomponne Hubert gegen ein Sälar von 1200 Pfund im Jahr als Schülerin aufzunehmen. Im Jahr 1785 wurde ihr erstes nahezu lebensgroßes Gruppenbildnis „Selbstbildnis mit zwei ihrer Schülerinnen, Marie-Gabrielle Capet und Marie-Marguerite-Carreaux de Rosemond“ ausgestellt. Mademoiselle Rosemond stellte ihre Kunstwerke 1783, 1784 und 1786 an der Place Dauphine aus, heiratete schließlich 1788 einen Schüler des deutschen Kupferstechers Johann Georg Wille verstarb jedoch noch im selben Jahr.

Ihre erfolgreichsten Jahre hatte Adélaïde Labille-Guiard zwischen 1785 und 1789, darunter Bildnisse von Claude-Joseph Vernet (1785), Charles-Amédée-Philippe van Loo (1785), Mesdames Marie Adélaïde (1787), Victoire (1788) und Marie Louise Élisabeth de Bourbon (1788) Töchter von Louis XV sowie von Élisabeth Philippine Marie Hélène de Bourbon (1788) aus. Im Jahr 1788 beauftragte der Graf de Provence, Louis Stanislas Xavier, der Bruder von Louis XVI, Labille-Guiard, ihn im Zentrum eines großen Gruppenbildnisses zu porträtieren, das jedoch während der Französischen Revolution neben einigen anderen ihrer Kunstwerke verbrannt werden musste. Diese schwer erworbenen königlichen Verbindungen machten sie nach 1789 politisch verdächtig.

Revolution und Tod

Im Atelier von Madame Vincent in der Zeit um 1800, gemalt 1808 von ihrer Schülerin Marie Capet. Öl auf Leinwand, 69,0 x 83,5 cm

Erstaunlicherweise hat die Politik und die Französische Revolution ihre Arbeit nicht beeinträchtigt. 1789 machte sie eine patriotische Spende an die Nationalversammlung. Wie einst die Prinzessinnen und Aristokraten so ließen sich nun die neuen Machtinhaber, die Abgeordneten der Nationalversammlung, allen voran der berühmte Maximilien Robespierre, von Adélaïde Labille-Giuard porträtieren. Im Jahr 1791 stellte sie dreizehn Pastellbilder von Vertretern der Nationalversammlung aus. Darüber hinaus hat sie sich für das Recht der Frau auf künstlerische Betätigung eingesetzt. In einer Rede vor der Akademie forderte sie Frauen unbeschränkt zuzulassen. Der Antrag wurde daraufhin angenommen. Als die Revolution später vorüber war, wurde diese fortschrittliche Bestimmung wieder annulliert. Weil radikale Kräfte immer mehr Kontrolle über die Revolution gewannen, zog sich Labille Guiard zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück.

Ihre Abwesenheit in Paris hat wohl dazu beigetragen, dass sie die Revolution gut überstehen konnte. Bis zum Jahr 1795 lebte sie mit ihrem Freund Vincent, seinem Bruder Marie-Alexandre-Francois Vincent und zwei ihrer Schülerinnen Marie-Gabrielle Capet und Marie-Victoire d'Avril in einem am 8. März 1792 gemeinsam erworbenen Haus in Pontault-en-Brie. Aufgrund des neuen liberalen Eherechts konnte sie sich am 12. Mai 1793 nun von ihrem Mann scheiden lassen. Nachdem sie anschließend wieder gemeinsam nach Paris zurückkehrten, bekam Labille-Guiard 1795 als erste Frau die Erlaubnis ein Atelier im Louvre zu beziehen, wo sie mit ihren Schülerinnen Capet und d'Avril weiter arbeiten konnte. In ihren letzten Lebensjahren stellte sie sporadisch Bilder in Salons aus. Ihr wohl letztes Kunstwerk Porträt der Familie malte sie im Jahr 1801. Am 8. Juni 1800 (19 prairial an VIII)[13] heiratete sie schließlich als inzwischen Einundfünfzigjährige, in Anwesenheit ihrer Freundinnen Capet und d'Avril, ihren Jugendfreund den Maler François André Vincent. Allerdings dauerte die Ehe nur knapp drei Jahre, da Madame Vincent 1803 in Paris verstarb.

Werke

Adélaïde Labille-Guiard hat nicht nur selbst eine große Karriere, sondern setzte sich auch bestimmt und erfolgreich für die Interessen von Malerinnen ein um deren Berufschancen zu verbessern. Allerdings ist Labille-Guiards Ansehen durch den ihrer Zeitgenossin, der Malerin Élisabeth Vigée-Lebrun überschattet worden. Ihre Werke fielen nach ihrem Tod im Misskredit. So erreichte beispielsweise das Pastellporträt von Vien, das nach dem Tode Vincents 1816 versteigert wurde, nur 38 Francs[14]. Erst im Kontext einer geschlechtergeschichtlich interessierten Kunstgeschichte wird die Qualität ihrer Kunst wieder bewusst gemacht. Die größte Sammlung ihrer Werke besitzt der Louvre[15]. Weitere ihrer Bilder findet man unter anderem im Getty Center[16], der Harvard University Art Museum[17], Honolulu Academy of Arts, Kimbell Art Museum, Los Angeles County Museum of Art[18], National Gallery of Art[19], Nationalmuseum in Warschau, The National Museum of Women in the Arts[20] und auf Schloss Versailles[21]. Das lebensgroße Selbstbildnis mit ihren Schülerinnen, Marie-Gabrielle Capet und Carreaux de Rosemond von 1785 hängt heute im Metropolitan Museum of Art[22].

Literatur

  • Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, ISBN 0-89236-954-X
  • Frances Borzello: Seeing ourselves, women's self-portraits, Thames & Hudson, 1998
  • Whitney Chadwick: Women, art and society, Thamas & Hudson, 2007
  • Christie's catalogue, 7. Dezember 1995
  • Nancy G. Heller: Women artists, an illustrated history, Abbeville Press Publishers, 2003
  • Edith Krull: Women in art, Studio Vista, 1984
  • Anne Marie Passez: Adelaide Labille-Guiard (1749-1803): Biographie et catalogue raisonné de son oeuvre, Paris 1973
    • Englische Ausgabe: Adelaide Labille-Guiard, Catalogue Raisounne, Her Life & Her Work, 1749-1803, (Hardcover), Frances Schram, 1982, ISBN 0-8390-0321-8
  • Rozsika Parker; Griselda Pollock: Old Mistresses: Women, Art and Ideology, Pandora, 1995
  • Baron Roger Portalis: Adélaïde Labille-Guiard, Paris, 1902
  • Mary Sheriff: The Exceptional Woman: Elisabeth Vigee Le Brun and the Cultural Politics of Art, University of Chicago Press, 1997
  • Ann Sutherland Harris; Linda Nochlin (Hg.): Women Artists: 1550-1950, Los Angeles County Museum of Art, Random House, 1988

Einzelnachweise

  1. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.8 (Kapitel:„Communities“)
  2. Joachim Lebreton: Notice nécrologique sur Madame Vincent née Labille; Paris 1803
  3. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.11 (Kapitel:„Communities“)
  4. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.5 („Paintings in the Margins“)
  5. Eintrag als Malerin von Pastellen und Miniaturen in Abbé Lebruns: Almanach historique et raisonné des architectes, peintres, sculpteurs, graveurs et ciseleurs; Paris, 1776, S. 115.
  6. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.18 (Kapitel:„Commerce and Curiosity“)
  7. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.24 (Kapitel:„Commerce and Curiosity“)
  8. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.28 (Kapitel:„Commerce and Curiosity“, letzter Abschnitt)
  9. Gottfried Sello: Malerinnen aus fünf Jahrhunderten. Ellert und Richter, Hamburg 1988, Artikel Adelaide Labille-Guiard
  10. Laura Auricchio: Adelaide Labille-Guiard: Artist in the Age of Revolution; J. Paul Getty Museum, 2009, S.35-36 (Kapitel:„Notice, Networks, and Notoriety 1783-1787“)
  11. Germaine Greer: The obstacle race: the fortunes of women painters and their work, Tauris, 2001, S. 100
  12. (Directeur-général des bâtiments du roi)
  13. Anne-Marie Passez: Adélaïde Labille-Guiard; 1973; S.42
  14. Neil Jaffares: Dictionary of pastellists before 1800; Artikel Adélaïde Labille-Guiard
  15. Louvre (franz.)
  16. Getty Center
  17. Harvard University Art Museum
  18. Los Angeles County Museum of Art
  19. National Gallery of Art, Washington D.C.
  20. The National Museum of Women in the Arts
  21. Versailles
  22. Metropolitan Museum of Art (engl.)

Weblinks

 Commons: Adélaïde Labille-Guiard – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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