Eine blassblaue Frauenschrift

Eine blassblaue Frauenschrift

Eine blaßblaue Frauenschrift ist der Titel einer Erzählung des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel aus dem Jahr 1941.

Es ist eine Geschichte über den Verrat einer Liebe, ein Psychogramm eines Opportunisten und ein zeitgeschichtliches Dokument über den latenten Antisemitismus in der Ersten Republik.

Inhalt

Im Österreich des Jahres 1936, kaum zwei Jahre vor dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich unter Hitler, blickt der 50jährige Leonidas stolz auf sein bisheriges Leben zurück. Der Sohn eines armen Gymnasiallehrers ist durch die Heirat mit der bildhübschen Millionenerbin Amélie Paradini in die höchsten Kreise der Gesellschaft aufgestiegen. Als Sektionschef im Unterrichtsministerium gehört er zur politischen Elite des Landes.

An seinem Geburtstag erhält er einen Brief, geschrieben in einer blassblauen Frauenschrift. Es ist ein Brief von der Jüdin Vera Wormser, der Liebe seines Lebens. Eine kurze, aber heftige Liebesaffäre vor 18 Jahren in Heidelberg verbindet die beiden. Nun schreibt Vera, die sich nun in Wien aufhält, dass ein „begabter, junger Mann von 17 Jahren“, allem Anschein nach sein Sohn, in Deutschland „aus bekannten Gründen“ nicht mehr das Gymnasium besuchen könne. Sie bittet „den Herrn Sektionschef“ nun darum, ihm einen Platz in einer guten Schule in Wien zu verschaffen.

Leonidas ist wie vom Donner gerührt, liest den Brief auf der Toilette, um den neugierigen Blicken seiner Ehefrau zu entgehen. Er erinnert sich an Vera, ihre kurze Beziehung und vor allem an seine Lügen – und sein schlechtes Gewissen erwacht.

Im ersten Moment möchte er mutig sein, sich zu seiner Liebe und seinem „in hohem Maße israelitischen“ Sohn bekennen. Bei einer Kabinettsrunde gefährdet der ansonsten opportunistische Beamte sogar seine berufliche Stellung, als er sich, gegen den Geist der Zeit, für einen jüdischen Universitätsprofessor einsetzt.

In der Mittagspause wendet sich das Bild: Leonidas kommt nach Hause und wird von seiner Frau, die ihn der Untreue verdächtigt, auf den Brief angesprochen. Er gibt ihn ihr; sie erkennt den Sinn zwischen den Zeilen nicht und entschuldigt sich unter Tränen für ihre Eifersucht. Nun wäre der Moment für ein Geständnis gekommen, doch er lässt ihn verstreichen, weniger aus Feigheit als aus Bequemlichkeit.

Als sich bei einem anschließenden Treffen mit Vera auch noch aufklärt, dass dieser 17-Jährige gar nicht sein Sohn ist, sondern der einer Freundin Veras, flüchtet sich Leonidas wieder vollends in seine aalglatte Angepasstheit, lässt den jüdischen Gelehrten fallen und führt sein selbstzufriedenes Leben weiter wie vor diesem Tag. Jedoch erfährt er, dass er mit Vera tatsächlich einen Sohn hatte, der unglücklicherweise im Alter von 2 Jahren gestorben ist.

Verfilmung

Die Erzählung wurde 1984 von Axel Corti als Eine blaßblaue Frauenschrift (mit Friedrich von Thun in der Hauptrolle) verfilmt.

Literatur

  • Franz Werfel: Eine blaßblaue Frauenschrift, Fischer (Tb.), Frankfurt 1990, ISBN 3-596-29308-1
  • Franz Werfel, Martin Benrath: Eine blaßblaue Frauenschrift, Hörbuch (3 CDs), L&M 2000, ISBN 3-89849-637-6

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