Ella Lingens

Ella Lingens

Ella Lingens-Rainer (* 18. November 1908 in Wien; † 30. Dezember 2002 ebenda) war eine österreichische Juristin und Ärztin und als Gegnerin des Nationalsozialismus von 1943 bis 1945 in KZ-Haft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ella Lingens, 1908 in Wien geboren, hatte in München, Marburg und Wien Medizin und Jura studiert. Sie war verheiratet mit dem aus dem Deutschen Reich stammenden Arzt Dr. Kurt Lingens, der schon 1933 wegen seiner Zugehörigkeit zu einer antifaschistischen Studentengruppe von allen deutschen Hochschulen ausgeschlossen worden war.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 überlegte das Paar, ob es in die Emigration gehen oder in Österreich bleiben sollte, ob es möglich wäre zu bleiben, ohne mitschuldig zu werden. Sie entschlossen sich vorerst noch nicht zu emigrieren.

In den Monaten nach dem 12. März 1938 verhalfen sie jüdischen Kommilitonen Ella Lingens' zur Emigration. Während der Novemberpogrome („Reichskristallnacht“) gewährten sie in ihrem Haus am Rande Wiens zehn jüdischen Familien Unterstand. Weiteren Juden half das Paar nach Ungarn zu fliehen, nahm Einzelne vorübergehend bei sich auf und unterstützte die Eltern ausgewanderter Freunde mit Lebensmitteln.

Im Sommer 1942 begannen die umfangreichen Deportationen der noch in Wien verbliebenen Juden. Einige wandten sich an das Ehepaar Lingens um Hilfe. Im Sommer 1942 wurden Ella und Kurt Lingens von der polnischen Untergrundbewegung, mit der sie in Kontakt standen, ersucht zwei jüdische Ehepaaren bei der Flucht zu helfen. Sie nahmen ein Paar bei sich auf und fanden ein Versteck für das Zweite. Mit Hilfe eines Mittelsmannes sollten die beiden Paare in die Schweiz gebracht werden. Dieser Mittelsmann, ein ehemaliger Schauspieler namens Klinger, war allerdings ein Spitzel der Gestapo, der die Fliehenden am 4. September 1942 in Feldkirch an die Behörden verriet und ihre Helfer denunzierte. Ella und Kurt Lingens wurden verhaftet und im Wiener Hauptquartier der Gestapo am Morzinplatz inhaftiert. Kurt Lingens wurde einer Strafkompanie in Russland zugewiesen.

Ella Lingens wurde zunächst vier Monate im Gestapo-Gefängnis in Wien eingesperrt und wiederholt verhört. Im Februar 1943 wurde sie, wie auch Karl Motesiczky, der mit dem Paar an der Rettung von Wiener Juden beteiligt gewesen war, in das KZ Auschwitz deportiert. Motesiczky starb dort am 25. Juni 1943. Bis zum Dezember 1944 blieb Lingens in Auschwitz und wurde dann in das KZ Dachau überführt, wo sie bis zu dessen Befreiung durch die US-amerikanische Armee 1945 inhaftiert blieb. Obwohl sie dort als Häftlingsärztin eine privilegierte Stellung genießt, setzt sie sich täglich für ihre Mithäftlinge ein und versucht, ihnen zu helfen, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Doch auch für sie ist Auschwitz die „Hölle“. Im April 1943 erkrankt sie an Flecktyphus und überlebt nur mit Mühe.

Nach ihrer Befreiung schrieb sie, sie habe sich in Auschwitz im Gedanken an ihr Kind, den dreijährigen Peter Michael Lingens, durch den Nationalsozialismus nicht ihre Ehre und Selbstachtung rauben lassen.

Danach muss sich Ella Lingens in ihrem neuen Leben zurechtfinden. Wie viele Überlebende des Holocaust plagen auch sie Schuldgefühle: „Lebe ich, weil die anderen an meiner Stelle gestorben sind?“ fragt sie sich wieder und wieder. Im Gegensatz zu vielen anderen KZ-Häftlingen beginnt sie aber schon 1947, ihre Erinnerungen aufzuschreiben und das in Auschwitz Erlebte zu analysieren.

In den Jahren nach der Befreiung, als die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs totgeschwiegen wird, lässt sich Ella Lingens nicht davon abhalten, an die Verbrechen der Vergangenheit zu erinnern. Sie geht trotz der damit verbundenen psychischen Belastung als Zeitzeugin an Schulen und zu Lehrerseminaren, um die nachfolgende Generation über die dunkle Vergangenheit von Faschismus, Krieg und Terrorherrschaft zu informieren. Obwohl im Ausland hoch verehrt und gewürdigt, bleibt Ella Lingens in Österreich großteils unbekannt. Nach dem Krieg beendete sie ihr Medizinstudium, arbeitete in mehreren Kliniken und im öffentlichen Gesundheitswesen Österreichs. Sie wurde Ministerialrätin im Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz und trat 1973 in den Ruhestand.

1980 zeichnete Yad Vashem in Jerusalem Ella Lingens-Rainer und Kurt Lingens mit der Ehrenmedaille Gerechte unter den Völkern aus.

Am 30. Dezember 2002 starb Ella Lingens-Rainer in Wien und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem ehrenhalber gewidmeten Grab (Gruppe 40, Nummer 90) beigesetzt.

2003 erschien ihr Buch Gefangene der Angst – Ein Leben im Zeichen des Widerstandes, das von ihrem Sohn, der inzwischen zu einem der bekanntesten Journalisten Österreichs geworden war, herausgegeben wurde. Darin beschrieb sie die Jahre des Widerstandes und ihre Erfahrungen als Gefangene in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten.

Sonstiges

Eine Wiener AHS in Floridsdorf trägt seit dem Jahr 2006 den Namen ELLA LINGENS Gymnasium.

Literatur

  • Ella Lingens: Gefangene der Angst - Ein Leben im Zeichen des Widerstandes, Deuticke im Zsolnay Verlag, Wien 2003, ISBN 3-216-30712-3

Weblinks


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