Die Einheitsübersetzung (EÜ) ist eine deutsche Bibelübersetzung für den liturgischen Gebrauch im römisch-katholischen Gottesdienst. Sie wird vom Katholischen Bibelwerk herausgegeben und ist 1962 bis 1980 von katholischen Theologen unter Beteiligung evangelischer Theologen erarbeitet worden. Gemeinsam verantwortet waren das Neue Testament und die Psalmen. Die evangelische Seite zog sich 2005 aus dem Projekt einer Revision der Einheitsübersetzung zurück.

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung

Die Einheitsübersetzung will Folgendes erreichen:

  1. Ersetzung der vielen in Verwendung stehenden Übersetzungen (nicht nur innerhalb der eigenen Kirche, sondern auch in der Öffentlichkeit und in den Medien),
  2. einheitlicher Text für den kirchlichen Gebrauch in der römisch-katholischen Messe,
  3. Übersetzung nahe an den griechischen und hebräischen Urtexten, aber möglichst in heutiger Sprache, unabhängig von älteren Bibelübersetzungen,
  4. Übersetzung auch für Schulunterricht geeignet, daher mit Anmerkungen zum besseren Verständnis,
  5. Übersetzung in geeigneter Sprach-Rhythmik zum Vorlesen und zur Psalmodie und
  6. Einbeziehung von Erkenntnissen der modernen Bibelwissenschaft.

Um die breite Verwendbarkeit (Aspekt 3-6) zu erreichen, wurden außer Theologen, Philologen und Bibelwissenschaftlern auch Fachleute für Didaktik, Medien, Kirchenmusik und Germanistik einbezogen.

Die Entstehung der Einheitsübersetzung

Der Impuls des Katholischen Bibelwerks Stuttgart wurde aus aktuellen Gründen (Zweites Vatikanisches Konzil, Ökumene) rasch aufgegriffen. An einer Planungsgruppe deutscher katholischer Bischöfe beteiligten sich bald auch die österreichischen katholischen Bischöfe und die evangelische Michaelsbruderschaft. 1962 wurden Fachausschüsse gebildet. Tatsächlich kam also die evangelische Seite als eine Art Juniorpartner in ein eigentlich katholisches Projekt hinein, und zwar in Gestalt einer Bruderschaft mit besonderer Nähe zum Benediktinertum.

Die Michaelsbrüder betätigen sich seit 1945 als eine Lobbygruppe an jedem liturgischen Projekt innerhalb der evangelischen Kirche. Es ist dieser Lobbyarbeit, aber natürlich auch dem eingebrachten Sachverstand zu danken, dass Anliegen der Bruderschaft entsprechend gut positioniert worden sind. Leider steht dem Einfluss der Bruderschaft als Lobbygruppe kein entsprechendes zahlenmäßiges Gewicht in der Pfarrerschaft gegenüber, auch sind die Ansichten der Brüder keineswegs repräsentativ für die Pfarrerschaft oder die aktiven evangelischen Gemeindeglieder. Für die ihre Tagzeiten betenden Michaelsbrüder musste z.B. ein moderner singbarer Psalter höchst interessant sein, das sagt aber noch gar nichts darüber aus, wie attraktiv die evangelische Öffentlichkeit oder die Pfarrerschaft einen gregorianisch getönten Psalter finden würde.

Die offizielle Kooperation beider Kirchen begann 1967 und wurde 1970 durch einen Vertrag der deutschen Diözesen bekräftigt. Man arbeitete im gesamten deutschsprachigen Raum zusammen (Bundesrepublik Deutschland, DDR, Österreich, Schweiz, Südtirol, Luxemburg und Ostbelgien).

Ausschlaggebend für eine evangelische Mitarbeit an der EÜ war die Tatsache, dass die Revision der Lutherbibel zu dieser Zeit tief in der Krise steckte und nur die Wahl zu lassen schien zwischen einer schwer verständlichen alten Fassung und einer radikalen Revision, die auf wenig Anerkennung stieß (sog. Eimer-Testament, da in der Wendung „das Licht nicht unter den Scheffel stellen“ der Scheffel durch den Eimer ersetzt worden war).

Im Gegensatz zu weitergehenden Erwartungen von katholischer Seite hatte die Evangelische Kirche in Deutschland aber offenbar zu keiner Zeit vor, den Luthertext in der Liturgie durch die Einheitsübersetzung zu ersetzen. In diesem Sinne war die EÜ in der EKD nie eine „kirchenamtliche“ Übersetzung. Tatsächlich ist die Bedeutung der Bibel in beiden Konfessionen nicht die gleiche; wie emotional breite evangelische Kreise auf den Entzug des vertrauten Luthertextes reagieren würden, hätte der katholische Partner eigentlich schon damals beim Ringen um die Revision der Lutherbibel bemerken können.

Die Lutherbibel hat der EÜ so manche Formulierung geliefert, und die jetzt vorliegende EÜ ist in diesem Sinne keine völlig unabhängige Neuübersetzung und bringt sich durch die breite Aufnahme „nichtkatholischen“ Sprachgebrauchs auch in Konflikt mit neuen vatikanischen Übersetzungsrichtlinien.

Die EÜ ist in dem Sinne allerdings eine unabhängige Übersetzung zu nennen, dass die Herausgeber sich nicht mit der zeitgleich in den (protestantischen) Bibelgesellschaften schon weit fortgeschrittenen Theorie und Praxis des Bibelübersetzens befassten. Während die Bibelgesellschaften schon damals dahin tendierten, wenige Hauptübersetzer durch viele Fachleute beraten zu lassen, sind an der EÜ sehr viele Übersetzer beteiligt, was eine entsprechend große Uneinheitlichkeit im Stil mit sich bringt, mit nicht eben günstigen Konsequenzen für die Einprägsamkeit der Bibeltexte im EÜ-Wortlaut.

Zur Geschichte der Bibelübersetzung

Hauptartikel: Geschichte der Bibelübersetzung

In den Ostkirchen wurde die Bibel schon früh in Landessprachen übersetzt, während im Westen zumindest seit dem Ende des Frühmittelalters die dem Hieronymus zugeschriebene lateinische Vulgata maßgebend blieb. Von der gotischen Wulfila-Bibel (um 360) und dem Mondseer Matthäus (748) sowie einigen freien, poetischen Wiedergaben (z.B. Heliand) abgesehen, entstanden deutsche Übersetzungen erst im späten Mittelalter. Ihre Ausstrahlung war in der Zeit handschriftlicher Vervielfältigung eher gering und auf den kleinen Kreis der Lesekundigen beschränkt - ein Kreis von Gebildeten, die größtenteils auch des Lateinischen kundig waren.

Zu größerer Bibelverbreitung im Volk kam es durch Luthers Übersetzung (Lutherbibel) und den Buchdruck. Zeitgleich wurden Bibel(teil)drucke relativ erschwinglich und nahm die Lesefähigkeit größerer Bevölkerungskreise zu. Die Lutherbibel diente jahrhundertelang als Schulbuch. Sie war auch für die Kirchenmusik wichtig (siehe Bach) und für die Entwicklung der deutschen Schriftsprache. Im katholischen Raum blieb das negative Urteil Roms zu Luthers Übersetzungswerk lange prägend, doch haben die im 16. Jahrhundert herausgebrachten katholischen Bibeln teilweise eine große Nähe zur Lutherbibel.

Eine „Einheitsübersetzung“, wie sie der deutschsprachige Protestantismus in der Lutherbibel besaß, kannte die Römisch-Katholische Kirche nicht. Nach der Allioli-Bibel (1830 und 1899) entstanden bis 1960 etwa 25 katholische Übersetzungen ins Deutsche, z.B. die Volksbibel 1912 und die Klosterneuburger Bibel 1934. Manche hatten besondere Nähe zu den Urtexten, andere zielten auf neue Liturgie oder eine interessante Sprache. Die erste ökumenische Bibel verdankt sich amerikanischem Vorbild (Good News for Modern Man). Die 1971 als „Die gute Nachricht“ veröffentlichte Übersetzung hielt zwar sofort in den evangelischen Konfirmandenunterricht breiten Einzug, schien aber für die Liturgie wenig geeignet - sofern sie nicht von vornherein auf den Widerstand konservativerer Kreise traf.

Der Ruf nach der „Einheitsübersetzung“ verdankt sich dem Zweiten Vatikanischen Konzil und wurde innerhalb der EKD von den Kreisen aufgegriffen, die der Gute-Nachricht-Übersetzung ablehnend gegenüberstanden, aber den Luthertext für wenig zukunftsfähig hielten. Heute wird die Einheitsübersetzung nicht nur von Katholiken verwendet, sondern auch die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (die sog. Mormonen) benutzt sie für ihre deutschen Publikationen.

Die Einheitsübersetzung gilt als gut verständlich, neigt aber zu Konjekturen und gibt den hebräischen Gottesnamen inkonsequent mit „Jahwe“ wieder - womit sie ein Kind der Exegese der 60er und 70er Jahre ist.

Im Psalter ist die Übersetzung für den gregorianischen Gesang eingerichtet worden, besitzt aber im Blick auf diesen Zweck größere Defizite, was im benediktinischen Raum zu einer Neuübersetzung (Münsterschwarzacher Psalter) Anlass gab.

Die Einheitsübersetzung bietet erklärende Vorworte zu den einzelnen biblischen Büchern, viele Zwischentitel und Fußnoten, welche unter anderem auf historische, theologische und bibelkritische Aspekte eingehen. Diese nützlichen Beigaben sind für die ökumenischen Teile der EÜ ökumenisch verantwortet und sollten insofern eine überkonfessionelle Position darstellen.

Revision der Einheitsübersetzung

Seit mehreren Jahren ist eine Überarbeitung der ersten und derzeit gültigen Übersetzung geplant. Im September 2005 kündigte die EKD ihre Mitarbeit an diesem Projekt auf, so dass die katholische kirchenamtliche Übersetzung sich in Zukunft nicht mehr „ökumenisch“ nennen kann.

Als Begründung nannte der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, die vom Vatikan herausgegebene Instruktion Liturgiam authenticam über den Gebrauch der Volkssprachen bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie von 2001. [1] Danach sollen für eine Bibelübersetzung in eine Volkssprache die Tradition und Frömmigkeitsgeschichte stärker als bisher berücksichtigt und „nichtkatholischer“ Sprachgebrauch ausdrücklich vermieden werden. Bei unklaren Stellen hat der Übersetzer jeweils der Linie zu folgen, die durch die nach dem 2. Vatikanum neu überarbeitete Vulgata (Nova Vulgata) vorgegeben wird. Dies alles soll offenbar dazu führen, dass die katholischen Bibelausgaben in den zahlreichen Landessprachen ein möglichst einheitliches Bild bieten und katholische Christen weltweit die gleiche Bibel lesen.

(Eine stärkere Rückbindung an die Frömmigkeitsgeschichte würde paradoxerweise zu einer größeren Nähe der EÜ zur Lutherbibel führen, da diese sehr stark an der mittelalterlich-lateinischen Tradition der Vulgata partizipiert – und, was das Neue Testament betrifft, diese Tradition in der deutschen Sprache auch bis heute repräsentiert.)

Nach Abschluss der Übersetzungsarbeit ist die Übersetzung einer vatikanischen Approbation zu unterziehen. Für die EKD zeigte sich hier eine entscheidender Differenz. Zwar hatte die katholische Seite in Deutschland signalisiert, dass auch vatikanische Dokumente einer Exegese unterzogen würden, doch nahm die katholisch dominierte Übersetzungskommission Abstand von einem ursprünglich vereinbarten Konsensprinzip. Somit sah die EKD nach eigenem Bekunden keine andere Möglichkeit, als sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Der EKD-Rat „bedauere diese Entwicklung“, habe aber „alle erdenklichen Anstrengungen unternommen, um das jetzt eingetretene Ergebnis zu vermeiden“. [2] Die Frankfurter Allgemeine Zeitung interpretierte die Entscheidung der EKD positiv: „Während die Zusammenarbeit über Jahre davon lebte, dass Protestanten Zugeständnisse machten, lassen sie sich nun nicht mehr das Gesetz des Handelns von Rom diktieren. Offenheit und Nüchternheit bringen die Ökumene eher voran als Schummeleien.“ [3]

Tatsächlich hatte sich die EKD aber schon seit Jahren von der EÜ distanziert und den Grundsatz wiederholt, bei ökumenischen Veranstaltungen neben der EÜ in gleicher Wertigkeit auch die Lutherbibel zu verwenden.

Die Reaktionen auf das Scheitern der gemeinsamen Übersetzung waren unterschiedlich.

Die katholische Seite reagierte mit Unverständnis. Der damalige Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, sprach von einer „erheblichen Belastung“ [4] für die Ökumene und warf den EKD-Vertretern einen zu plötzlichen Rückzug ohne Klärungsversuch vor.

Einzelnachweise

  1. Deutsche Übersetzung der Instruktion Liturgiam authenticam
  2. Pressemitteilung der EKD
  3. Kommentar in der FAZ vom 8. September 2005
  4. Meldung des Evangelischen Pressedienstes

Weblinks

Online-Texte

Ausstieg der evangelischen Kirche

Diverses


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