Faustkeilschaber

Faustkeilschaber

Keilmesser (auch Faustkeilmesser oder Faustkeilschaber) sind eine Leitform des Mittelpaläolithikums, typischerweise des Micoquien (etwa 100.000 bis ca. 50.000 v. Chr./ 45.000 BP)[1]. Sie sind ein Universalwerkzeug des "klassischen" Neandertalers der Würm-Eiszeit bzw. Weichsel-Eiszeit. Vereinzelt kommen sie bereits in Fundstellen der Riss-Eiszeit vor. Während Faustkeile meist symmetrisch sind und zwei schneidende Längskanten aufweisen, besitzen Keilmesser nur eine schneidende Kante. Sie weisen eine lange, meist auf beiden Flächen retuschierte Schneide auf. Die gegenüberliegende Seite ist stumpf und diente als Griff. Keilmesser sind im allgemeinen kleiner als Faustkeile. Es werden mehrere Formen unterschieden:

  • Bocksteinmesser: mit dreieckigem Umriss, geradem Rücken und ebensolcher Schneide
(nach der Bocksteinschmiede im Lonetal (Baden-Württemberg).
  • Pradnikmesser: mit geknicktem Rücken, die Schneide scheint oft nachgeschärft (nach einer Fundstelle in Polen)
  • Typ Klausennische: nur im Schneiden- und Spitzenbereich beidseitig retuschiert mit stumpfem Rücken
  • Typ Wolgograd

Verbreitet waren Keilmesser vor allem in Mittel- und Osteuropa, seltener in Westeuropa. In Frankreich werden sie als Micoquien-Messer bezeichnet, in Osteuropa als Pradnik-Messer. Wichtige Fundplätze mit Keilmessern in Deutschland sind neben den für die Subtypen namengebenden Fundstellen die Balver Höhle, Lichtenberg (Lkr. Lüchow-Dannenberg), Buhlen, Königsaue bei Aschersleben, Salzgitter-Lebenstedt oder die Sesselfelsgrotte bei Essing. Wegen des Leitform-Charakters gibt es in Mitteleuropa den Vorschlag, statt Micoqien den Begriff Keilmesser-Gruppen zu verwenden.[2]. Das funktionale Konzept des Keilmessers kann man bis heute bei den Ulu-Messern der Inuit beobachten.[3]

Literatur

  • Bosinski, G. (1967): Die mittelpaläolithischen Funde im westlichen Mitteleuropa. Fundamenta A/4. Köln & Graz.
  • Hahn, J. (1993): Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten: Einführung in die Artefaktmorphologie. Archaeologica Venatoria 10, überarbeitete 2. Auflage, Tübingen. S. 191-193.
  • Hoffmann, E. (1999): Lexikon der Steinzeit. Beck, München, ISBN 3-406-42125-3.
  • Mania, D. (2002): Der mittelpaläolithische Lagerplatz am Ascherslebener See bei Königsaue (Nord-harzvorland). Praehistoria Thuringica 8, 16-75.
  • Richter, J. (1997): Der G-Schichten-Komplex der Sesselfelsgrotte. Zum Verständnis des Micoquien. Sesselfelsgrotte III. Quartär-Bibliothek 7. Saarbrücken.
  • Veil, S. et al. (1994): Ein mittelpaläolithischer Fundplatz aus der Weichsel-Kaltzeit in der norddeutschen Tiefebene bei Lichtenberg, Ldkr. Lüchow-Dannenberg – Zwischenbericht über die archäologis-chen und geowissenschaftlichen Untersuchungen 1987 - 1992. Germania 72, 1-65.

Einzelnachweise

  1. Richter, J. (2002): Die 14C-Daten aus der Sesselfelsgrotte und die Zeitstellung des Micoquien/M.M.O. Germania 80, 2002, 1-22.
  2. Jöris, O. (2004), Zur chronostratigraphischen Stellung der spätmittelpaläolithischen Keilmessergruppen. Der Versuch einer kulturgeographischen Abgrenzung einer mittelpaläolithischen Formengruppe und ihr europäischer Kontext. 84. Ber. Röm.-German. Komm.
  3. Steguweit, L. (2003), Gebrauchsspuren an Artefakten der Hominidenfundstelle Bilzingsleben (Thüringen). Tübinger Arbeiten zur Urgeschichte 2. Rahden/Westf. (Leidorf)., S. 84

Weblinks


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