Finanzkapitalismus

Finanzkapitalismus

Der Begriff Finanzkapital wurde von dem Austromarxisten Rudolf Hilferding geprägt. In seinem Buch Das Finanzkapital beschreibt er eine Epoche des Spätkapitalismus, in der das in wenigen Händen konzentrierte Geldkapital zur politischen und wirtschaftlichen Beeinflussung dienen würde. Nach Hilferding würden die Banken einen zunehmenden Anteil am Gewinn der Aktiengesellschaften abschöpfen. Dadurch würde ein immer größerer Teil des Industriekapitals nicht mehr der Industrie, sondern den Banken gehören und er bezeichnet dies als Finanzkapital. So verstanden ist dieser Begriff wichtig für die leninsche Theorie des Imperialismus und des staatsmonopolistischen Kapitalismus'. Innerhalb des Marxismus ist diese Begriffsverwendung allerdings umstritten.[1]

Heute wird der Begriff Finanzkapital in den Wirtschaftswissenschaften teilweise synonym zum Begriff Geldkapital verwendet. In der politischen Diskussion wird der Begriff Finanzkapital, wie auch der Begriff Finanzkapitalismus, insbesondere von Globalisierungskritikern und Gewerkschaften, häufig abwertend verwendet, um eine von der Realwirtschaft völlig losgelöste Finanzwirtschaft als geldgierig zu verurteilen.[2] Der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger sieht sich durch diese Begriffsverwendung an die Verschwörungstheorie des „raffenden (jüdischen) Kapitals“ erinnert und rügt dies als strukturellen Antisemitismus.[3]

Inhaltsverzeichnis

Siehe auch

Literatur

  • Guenther Sandleben: Nationalökonomie und Staat. Zur Kritik der Theorie des Finanzkapitals, VSA-Verlag, Hamburg 2003
  • Wilhelm Smaldone: Rudolf Hilferding. Dietz, Bonn 2000
  • Alexander Stein: Rudolf Hilferding und die deutsche Arbeiterbewegung. Gedenkblätter. Auvermann, Hannover 1946
  • W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus Dietz Verlag Berlin

Weblinks

Rudolf Hilferding und Das Finanzkapital von Reinhard Faltello und Miodrag Jovanovic

Einzelnachweise

  1. Robert Kurz: Die Tücken des Finanzkapitals
  2. Verdi: "Finanzkapitalismus - Geldgier in Reinkultur!" (PDF)
  3. Thomas Schmidinger schreibt: „Mit der Unterscheidung von Finanzkapital und produktivem Kapital, von Spekulanten und Nichtspekulanten können jedoch Schuldige ausgemacht werden, kann wieder einmal die Wut über den Kapitalismus zu einer Wut auf bestimmte Bösewichte umgewandelt werden.“ Dabei sei jedoch jede Marktkalkulation eine Spekulation. Struktureller Antisemitismus und verkürzte Kapitalismuskritik

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