Forschungsamt

Forschungsamt

Das Forschungsamt (FA) oder später Forschungsamt der Luftwaffe war ein Nachrichtendienst im Reichsluftfahrtministerium im Dritten Reich.

Es wurde am 10. April 1933 von Hermann Göring gegründet und beschäftigte sich mit technischer Aufklärung, wie Signalen und Bandmitschnitten und Kryptographie. Anfang 1935 wurde Prinz Christoph Ernst August von Hessen-Kassel (14. Mai 1901 – 12. Oktober 1943) Leiter des Forschungsamtes. Dienstaufsichtlich unterstand es dem Preußischen Staatsministerium unter Staatssekretär Paul Körner (1893-1957).[1]

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Das Amt entstand im Zusammenhang der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Mit der „Machtergreifung“ kam es am 28. Februar 1933 zur Aufhebung des Post-. Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses. Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat: Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. [2] Der Artikel 117 behandelte u.a. das Briefgeheimnis. Er lautete: Artikel 117. Das Briefgeheimnis sowie das Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich. Ausnahmen können nur durch Reichsgesetz zugelassen werden. Siehe hierzu die §§ 99 bis 101 der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253 in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Januar 1924 (RGBl. I. S. 15) Durch § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I. S. 83) in Verbindung mit Artikel 48 Abs. 2 Satz 2 wurde der Artikel 117 "bis auf weiteres" außer Kraft gesetzt. [3]

Aufgaben

Die Aufgaben gehen zum Teil aus den Vernehmungen während des Nürnberger Prozesses hervor:

„ Ich bitte das Hohe Gericht, auch meine Schwierigkeit in Rücksicht stellen zu wollen; auch ich spreche nicht gerne über diese Dinge. Ich muß hinzufügen, daß Göring der einzige Chef des Forschungsamts war. Das ist jene Institution, die alle Telephonüberwachungen im Dritten Reiche übernahm. Dieses Forschungsamt begnügte sich nicht, wie es hier geschildert worden ist, nur mit telephonischem Abhören und Decodieren, es hatte auch seinen eigenen Nachrichtendienst bis herunter zu eigenen Beamten, die Erkundigungen einziehen konnten, so daß es durchaus möglich war, auch über den Marschall von Blomberg vertrauliche Erkundigungen einzuziehen. Als Helldorf Göring die Akte übergeben hatte, sah Göring sich gezwungen, diese Akte Hitler zu geben. Hitler erlitt einen Nervenzusammenbruch und entschloß sich, den Marschall Blomberg sofort zu entlassen. Wie Hitler es später auch den Generalen in öffentlicher Sitzung gesagt hat, war sein erster Gedanke, zum Nachfolger Blombergs den Generaloberst von Fritsch zu ernennen. In dem Augenblick, als er diesen Entschluß aussprach, erinnerten ihn Göring und Himmler, daß dieses nicht möglich sei, da Fritsch durch eine Akte aus dem Jahre 1935 aufs schwerste kriminell belastet sei.“

Hans Bernd Gisevius, 25. April 1946 Vormittag[4]

Eine entsprechende Bezeichnung für das Forschungsamt der Luftwaffe suggerierend, fragte Otto Stahmer, der Verteidiger von Göring im Nürnbergerprozess: Hing damit im Zusammenhang das Forschungsamt der Luftwaffe?

„Nein, das Forschungsamt der Luftwaffe war etwas absolut anderes, hatte mit Forschung einerseits und mit der Luftwaffe andererseits nicht das geringste zu tun. Der Ausdruck war eine Art Camouflage, denn, als wir an die Macht kamen, war ein ziemliches Durcheinander in dem technischen Teil der Überwachung wichtiger Nachrichten. Ich habe deshalb zunächst das Forschungsamt gegründet, das heißt eine Stelle, wo alle technischen Einrichtungen zur Überwachung des Funkbetriebes, der Telegraphie, der Telephonie und aller sonstigen technischen Einrichtungen möglich war. Da ich damals nur Reichsluftfahrtminister war, konnte ich diese Apparatur nur bei mir unterbringen und wählte diesen Camouflage-Ausdruck. Der Apparat diente dazu, vor allen Dingen die auswärtigen Missionen, die wichtigen Persönlichkeiten, die mit dem Ausland telephonierten, telegraphierten und funkten, wie das überall und in allen Staaten üblich ist, zu überwachen, zu dechiffrieren und den einzelnen Ressorts dann die Auswertung zuzustellen. Das Amt hatte keinen Agentendienst, keinen Nachrichtendienst, sondern war eine rein technische Stelle, erfaßte Funkspruch, erfaßte Telephongespräche, wo es befohlen war zu überwachen, erfaßte die Telegramme und gab die Auswertung an die interessierten Stellen. In diesem Zusammenhang kann ich betonen, daß ich auch viel über die Meldungen des Herrn Messersmith [5] , die hier eine Rolle spielten, gelesen habe. Er war zeitweise der Hauptlieferant für derartige Meldungen.“

Hermann Göring 14. März 1946 Vormittag[6]

Gliederung

Gegliedert war das Amt in die Abteilungen:

  • Abt. I: Verwaltung
  • Abt. II: Personal
  • Abt. III: Erfassungsansatz
  • Abt. IV: Dechiffrierung
    • Zum Dechiffrieren der Zeichen waren Tabelliermaschinen eingesetzt. Diese standen in der Zentrale, der im Juli 1931 in Konkurs gegangenen, Danatbank in der Behrendstraße zwischen Wilhelmstraße und Friedrichstraße im Reichskommissariat für Luftfahrt.
  • Abt. V: Auswertung
  • Abt. VI: Technisches Amt
  • Abt. XII: wissenschaftliche Auswertung

Überwachungen

Abhörprotokolle wurden auf braunem Papier geschrieben.

Besetzung Norwegens

Die Entscheidung zur Besetzung Norwegens vom 2. April 1940 basiert auf einer vom Forschungsamt dechiffrierten Nachricht eines finnischen Diplomaten, die von Paris nach Helsinki gefunkt wurde. Die Nachricht der finnischen Botschaft behauptete, dass Winston Churchill der scheidenden französischen Regierung bei einem Treffen mitgeteilt hätte, dass britische Expeditionstruppen auf dem Weg nach Norwegen seien.

Militärattachés beim Papst

Während des Zweiten Weltkrieges leitete die Gruppe "Luft" der Abwehr-Abteilung 1, der Abwehrstelle (AST) des Wehrkreises VII in München der spätere CSU-Vorsitzende Josef Müller. Einer seiner Mitarbeiter war Wilhelm Schmidhuber. Schmidhuber hatte im Mai 1940 dem Papst-Vertrauten Robert Leiber jenen Zettel hineingereicht, auf dem das Datum des Beginns der deutschen Westoffensive (10. Mai 1940) stand. Der belgische Gesandte bei Pius XII. Adriano Nieuwenhuys telegrafierte das an seine Regierung, weshalb Göring wusste, dass ein deutscher Verräter am 29. April 1940 aus Berlin kam. Am 8. März 1940 warnte Leopold II. Maurice Gamelin, dass die Wehrmacht den Hauptschlag durch die Ardennen führen würde und so die alliierten Truppen einschließen würde [7].

Telefonüberwachung und Funküberwachung

Die Überwachung wurde durch das Postministerium geschaltet. In Berlin konnten 500 Telefonanschlüsse abgehört werden. Regionale A: Stellen: Köln, Nürnberg, Hamburg, 1935 München. Die B-Stellen waren im Eigentum der Reichspost. Eutin beendete im Juli 1945 die Funküberwachung, Prien am Chiemsee wurde weiter betrieben.

Gebäude

Mit der Kunst am Bau für die Dechiffrierzentralen wurde Bernhard Bleeker beauftragt.

München

Das Luftgaukommando VII Süd wurde von 1937 bis 1938 nach Plänen von German Bestelmeyer errichtet. Das Gebäude befindet sich auf der Südseite der Prinzregentenstraße. Die Gartenmauer ziert ein Pinienzapfenbrunnen des Bildhauers Joseph Wackerle, die Westseite des Carré ziert die Wagmüllerstraße 18-20, der Amtssitz von Karl Michael Betzl.[8]

Dresden

Das Luftgaukommando IV wurde 1938 nach Plänen von Wilhelm Kreis und Plastiken von Karl Albiker in der August Bebel- Straße 19 erbaut. [9]

Personalentwicklung

  • 1933: 120 Mitarbeiter
  • 1938: 3.500 Mitarbeiter [10]
  • 1944: 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Name Vorname Titel Link
Albrecht
Baldini
Barth Ferdinand
Barthel
Barthels Ökonom
Bautz Regierungsamtmann
Berggren Ministerialrat
Bertram Bruno
Böczy von Hauptmann
Bormann Reichsangestellter
Böttcher SS-Untersturmführer seit 1932 FA Oberregierungsrat V-Mann APA
Braun Herbert Max
Breuer Ministerialrat FA-Hauptabteilungsleiter
Brieschke
Czwalina Regierungsrat
Dierks
Dorner
Ertle Dr. DNB Stockholm Selbstmord
Fiebel Dr.
Fischer Sekretärin
Fleischmann Oberregierungsrat
Foss Bernhard Dr. Regierungsrat V-Mann AA
Gerke
Gerlach technischer Regierungsoberinspektor
Gern
Gerstmeyer Dr.
Gevers
Günther Lothar ab 1937 FA, Oktober 1944 zur Wehrmacht eingezogen, am 28. August 1944 in Kriegsgefangenschaft bei Paris
Hanschel Leutnant
Henke Regierungsrat
Hennecke
Hentschel Oberregierungsrat
Hessen Fritz Christoph von Prinz seit 20. April 1936 SS
Heydenreich
Hilligardt Dr.Regierungsrat V-Mann Reichswirtschaftsministerium
Hirsekorn Wilhelm SS-Sturmbannführer Leibstandarte Adolf Hitler
Huppertsberg Ing. Dr. Oberregierungsrat
Kempe Fritz Oberregierungsrat FA Hauptabteilungsleiter
Kirbach Theodor Oberregierungsrat
Kittel Ulrich
Klautschke Dr. Regierungsrat V-Mann zum OKW
Klitzing Klaus von
Kluth Hanna Sekretärin
Körschner Dr.
Kubat SS-Sturmbannführer
Kunsemüller Oberregierungsrat
Kurzbach W. Dr.
Kutscha Dr.
Lanitzki Herbert V-Mann Reichspost
Lewin
Marquardt Erwin
Massener Oberleutnant
Mews Dr.
Meyerheine
Mikuta
Möhring
Muggernthaler Regierungsrat
Müller Josef Dr.
Müller Johann
Neuenhoff Gerhard Dr. (*14. Oktober 1907)
Niedermayer Ferdinand (*14. Januar 1903 in St. Petersburg)
Oden RegierungsratIng.
Ohlbrecht Helmut Abwehrbeauftragte des Forschungsamtes
Oster Hans Oberst Mai - Oktober 1933 [11]
Patzig Regierungsoberinspektor
Peemöller Christian Forschungsstelle Hamburg
Peipe Walter
Petzel Oberregierungsrat
Plaas Hartmut Oberregierungsrat (1899-44), Adjutant von Hermann Ehrhardt [12]
Popp Rudolf Regierungsrat seit Juni 1934 Dienststellenleiter Erfassung Forschungsamt Berlin
Proksch Regierungsrat
Püschel Willi
Radtke Rudolf französischsprachig
Rahn Eberhard
Rautenkranz Dr.Regierungsrat
Rebien Hermann (*1901)
Recnicek Emil Ludwig Freiherr von (+1935) hörte Gespräche in italienischer Sprache ab
Rentschler Erwin Regierungsrat
Roese
Roos Dr.
Rosenhahn Walter Oberregierungsrat
Ruhbaum Heinrich
Sanders Johann
Sauerbier SS
Schade
Schapper Gottfried Dr.Ministerialdirektor letzter Amtsleiter
Scheske
Scheven von
Schimpf Hans Korvettenkapitän FA-Amtsleiter (1921 Chiffrier- und Horchleitstelle)
Schmidt Herbert
Schnarr Otto
Scholz Regierungsrat, V-Mann RSHA
Schröder Georg Ministerialdirektor FA-Hauptabteilungsleiter, Kryptologie
Schröder Oskar Forschungsleitstelle Köln-Deutz, Erfasser
Schulz Oberregierungsrat
Schwartmann Sekretärin
Schwarz Klaus (*1913) seit 1940 FA
Seifert Walther Ministerialrat FA-Hauptabteilungsleiter (*9. November 1896), Horchsammelstelle bei der Festungsfunkstelle

Königsberg, von 1925 bis 1932 im Wehrmachtsamt 20 Leitungen abgehört, im FA Bewertungen.

Severitt Dr. Reichsangestellter V-Mann zum Propagandaministerium
Siewert Heinz
Soltikow Michael Graf
Stabenow Fritz Dipl. Ing. Oberregierungsrat FA-Hauptabteilungsleiter
Steiner Hans
Stock
Stormann
Terzenbach
Thieme Regierungsrat
Tondorf SS
Ullrich Oberregierungsrat
Völkel Peter Dr. Regierungsrat
Wächter Oberregierungsrat
Weidenhoft Sekretärin
Wenzel Oberregierungsrat
Weste Alfred Reichsangestellter
Wrede Dr. V-Mann AA

Literatur

  • Günther W. Gellermann: ... und lauschten für Hitler. Geheime Reichssache: Die Abhörzentralen des Dritten Reiches. Bonn 1991, ISBN 3-7637-5899-2.

Einzelnachweise

  1. Alfred Kube, Pour le mérite und Hakenkreuz Seite 63
  2. Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat Text:[1]
  3. Verfassung Text [2]
  4. zeno, Der Nürnberger Prozeß, Hauptverhandlung, 114. Tag
  5. George Strausser Messersmith (1883-1960) 1933 Generalkonsul der USA in Berlin, Time Apr. 15, 1946, Messersmith's Nose
  6. zeno, Der Nürnberger Prozeß, Hauptverhandlung, 180. Tag
  7. John H. Waller, The Unseen War in Europe Page 124
  8. Staatsbauamt München I, Wagmüllerstraße 18-20
  9. ifz, Luftgaukommando IV
  10. Interrogation of Paul Körner by Eric Kaufmann, Nürnberg, No. 439D, 15 Sep. 1947, "U.S.Army, Nürnberg Trials." nach Robert H. Whealey, Hitler And Spain Page 126
  11. Deutsches Historisches Museum, Biografie Hans Oster Seite 63
  12. James Riordan, Arnd Krüger The International Politics of Sport in the 20th Century page 229

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