Friedelehe

Friedelehe

Die Friedelehe, auch Friedelschaft, ist ein in den 1920er Jahren von Herbert Meyer in die historische Forschung eingeführter Begriff für eine Eheform des Frühmittelalters, deren Existenz umstritten ist.

Inhaltsverzeichnis

Definition der Friedelehe nach Meyer

„Friedel“ leitet sich vom mittelalterlichen „friudiea“ ab, was so viel wie Geliebte heißt; „Ehe“ stammt vom mittelhochdeutschen Wort „ewe“ mit der Bedeutung „Recht, Gesetz“.

Charakteristika der Friedelehe sind:

  • Der Ehemann wird nicht Vormund der Frau.
  • Die Ehe beruhte auf einer Willensübereinkunft zwischen Mann und Frau; beide hatten also den Wunsch zu heiraten.
  • Die Frau hatte wie der Mann ein Recht darauf, die Scheidung zu verlangen.
  • Die Friedelehe wurde in der Regel zwischen Paaren aus unterschiedlichen Ständen geschlossen.
  • Friedelehen ermöglichten Polygynie.
  • Die Kinder aus einer Friedelehe unterstanden nicht der Verfügungsgewalt des Vaters, sondern lediglich der der Mutter.
  • Kinder aus einer Friedelehe waren zunächst voll erbberechtigt; durch den zunehmenden Einfluss der Kirche wurde ihre Position aber immer mehr abgeschwächt.
  • Eine Friedelehe kam allein durch öffentliche Heimführung der Braut und die Hochzeitsnacht zustande; zudem erhielt die Braut eine Morgengabe.
  • Eine Friedelehe konnte zu einer Muntehe umgewandelt werden, wenn der Ehemann nachträglich den Brautschatz leistete.
  • Muntehe und Friedelschaft konnten (insbesondere im Adel) nebeneinander bestehen, was später als Polygamie angesehen wurde.[1]

Die Friedelehe wurde von der Kirche im 9. Jahrhundert für illegitim erklärt. Trotzdem haben sich Reste dieser Eheform bis in die Neuzeit hinein in der Form der morganatischen Ehe (auch Ehe zur linken Hand genannt) erhalten.

Neben der Friedelehe existierte im Mittelalter des Weiteren die bereits erwähnte Muntehe, die Kebsehe und die Raub- oder Entführungsehe.

Kritik an Meyers Definition

Nach neueren Forschungen (u.a. von Else Ebel, Karl Heidecker und Andrea Esmyol) verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei der Friedelehe jedoch um ein bloßes Forschungskonstrukt handeln könnte und durch eine fehlerhafte Quellenauslegung Meyers entstanden ist. Insbesondere Esmyol widerlegt in ihrer Dissertation Geliebte oder Ehefrau? Konkubinen im frühen Mittelalter die Grundannahmen von Meyers Definition. Insbesondere ergeben sich folgende Kritikpunkte:

  • Nach Überprüfung der von Meyer verwendeten altnordischen Quellen kann Ebel seine Folgerungen nicht bestätigen. Insbesondere kritisiert sie, dass Textstellen aus dem Zusammenhang gerissen wurden, was ihren Sinn verfremdet hat.
  • Die von Meyer verwendeten Textbelege beziehen sich laut Esmyol sämtlich entweder auf Muntehen oder Konkubinate, lassen jedoch keinen Rückschluss auf die Existenz einer freieren Eheform, der Friedelehe, zu.
  • Zudem stammen die von Meyer verwendeten Quellen häufig aus Zeiten, in denen sogar nach seiner eigenen Meinung die Friedelehe nicht mehr existiert hat.

Dass sich Meyers Theorie dennoch in der Forschung über Jahrzehnte hinweg durchsetzen konnte, liegt an ihrem spezifischen Entstehungsfeld - zum einen charakterisiert die Zeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts die Suche nach historischen Vorbildern der freieren Partnerwahl, zum anderen sorgte gerade die Zeit des nationalsozialistischen Regimes dafür, dass Meyers Theorie nicht weiter reflektiert wurde (sie passt sehr gut in die nationalsozialistische Ideologie, die das germanische Erbe hervorhebt).

Die Friedel war aber sicher mehr als nur eine Geliebte (Kebse, Konkubine).[1]

Literatur

  • Herbert Meyer: Friedelehe und Mutterrecht. Weimar 1927 (Trotz des recht alten Erscheinungsdatums weiterhin das zentrale Werk zur Friedelehe.)
  • Else Ebel: Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen: Philologische Studien zur sogenannten “Friedelehe.”, Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde 8, Berlin, Walter de Gruyter, 1993
  • Andrea Esmyol: Geliebte oder Ehefrau? Konkubinen im frühen Mittelalter, Köln 2002, ISBN 3-412-11901-6
  • Will-Erich Peuckert Ehe; Weiberzeit-Männerzeit-Saeterehe-Hofehe-Freie Ehe Classen, Hamburg.
  • Heiner Lück: Über den Sachsenspiegel. Dößel ²2005. S. 53-56.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Thomas Olechowski: Rechtsgeschichte: Einführung in die historischen Grundlagen des Rechts, 3. Auflage, Facultas Verlag, 2010, ISBN 3-7089-0631-4, S. 305, Nr. 3205 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)

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