Friedrich Hirzebruch

Friedrich Hirzebruch
Friedrich Hirzebruch an der DMV-Jahrestagung 1980 in Dortmund

Friedrich Ernst Peter Hirzebruch, auch Friedrich E. P. Hirzebruch, (* 17. Oktober 1927 in Hamm) ist ein deutscher Mathematiker. Er ist bekannt sowohl für seine wegbereitenden Arbeiten in der modernen algebraischen Geometrie unter Anwendung topologischer Methoden als auch als Wissenschaftsorganisator, der sich an führender Stelle um die internationale Verflechtung der deutschen Mathematiker nach dem Zweiten Weltkrieg verdient gemacht hat.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hirzebruch studierte von 1945 bis 1950 Mathematik, Physik und Mathematische Logik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Er wurde 1950 bei Heinrich Behnke und Heinz Hopf mit der Arbeit „Über vierdimensionale Riemannsche Flächen mehrdeutiger analytischer Funktionen von zwei komplexen Veränderlichen“ zum Dr. rer. nat. promoviert. Er war zunächst Wissenschaftlicher Assistent am Mathematischen Institut der Universität Erlangen. Von 1952 bis 1954 arbeitete er am Institute for Advanced Study in Princeton, wo er besonders mit Kunihiko Kodaira zusammenarbeitete. Dort machte er durch den Satz von Riemann-Roch-Hirzebruch international auf sich aufmerksam. 1955 habilitierte er sich für Mathematik in Münster.

Nach einer Assistenzprofessur an der Princeton University, USA, in den Jahren 1955/1956 erhielt er einen Ruf auf eine Professur an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er bis zu seiner Emeritierung 1993 lehrte. Er war Gastprofessor an der University of California, Berkeley, Harvard University, University of Pennsylvania, Mathematical Sciences Research Institute (Berkeley), College de France (Paris), Institut des Hautes Etudes Scientifiques (Bures-sur-Yvette), Universität Oxford, Universität Amsterdam, Universität Kabul, Chinesische Akademie der Wissenschaften Peking, Universität Kyoto, Instituto de Matematica Pura e Aplicada Rio de Janeiro.

Er ist Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn, das 1980 aus dem 1969 von ihm gegründeten Sonderforschungsbereich Theoretische Mathematik an der Universität Bonn hervorging. Er leitete das Institut von 1981 bis 1995. Zudem war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 1961/1962 und 1990, Präsident der European Mathematical Society (EMS) von 1990 bis 1994 sowie Vorsitzender des wissenschaftlichen Rates des Internationalen Banach-Zentrums für Mathematik von 1993 bis 2002.

Friedrich Hirzebruch ist seit 1952 verheiratet und hat drei Kinder.

Wirken

Hirzebruch forschte insbesondere auf den Gebieten der algebraische Geometrie, Topologie, Zahlentheorie und Singularitätentheorie. Sein Werk Neue topologische Methoden in der algebraischen Geometrie, zwischen 1956 und 1995 in mehreren Auflagen erschienen und ins Englische, Japanische und Russische übersetzt, ist ein Standardwerk. Mit dem nach ihm benannten Satz von Riemann-Roch-Hirzebruch, der eine der wichtigsten Entwicklungen der modernen Mathematik einleitete, legte er 1954 die Basis für sein international hohes Ansehen. Das Theorem setzt das arithmetische Geschlecht (definiert als alternierende Summe der Dimensionen der Kohomologiegruppen der Garbe der Schnitte eines unitären Vektorbündels) mit der Todd-Klasse gleich. Es wurde in den 1950er Jahren von Hirzebruch noch mit Kobordismentheorie bewiesen, heute benutzt man den Atiyah-Singer-Indexsatz, das dieses ganze Gebiet vereinheitlichte. Mit Armand Borel gab er mit seiner Verallgemeinerung des Riemann-Roch-Satzes eine neue Interpretation von Weyls Charakterformeln für Liegruppen. In den 1960er Jahren begründete er mit Michael Atiyah die topologische K-Theorie, eine Kohomologietheorie mit Vektorraumbündeln (in dem Buch Ebbinghaus u.a. „Zahlen“ gibt er ein Beispiel für deren Anwendung auf die Klassifikation von Divisionsalgebren). In den 1970er Jahren untersuchte er u.a. algebraische Flächen wie die Hilbertschen Modulflächen. Ein weiteres Arbeitsgebiet waren besonders in den 1960er Jahren die Topologie von Singularitäten (exotische Sphären usw.), ein Gebiet auf dem auch sein Student Egbert Brieskorn in den 1960er Jahren bedeutende Ergebnisse erzielte.

Ein von Hirzebruch 1954 gestelltes Problem zur Topologie algebraischer Varietäten wurde 2009 von Dieter Kotschick gelöst.

Friedrich Hirzebruch kreierte die „Mathematische Arbeitstagung“, die seit 1957 die internationale Mathematiker-Elite an der Bonner Universität versammelt. Der von ihm aufgebaute Sonderforschungsbereich „Theoretische Mathematik“ erlangte internationales Ansehen. Besondere Anerkennung verdiente er sich durch den Aufbau des Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn.

1958 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Edinburgh (Komplexe Mannigfaltigkeiten).

Zu seinen Doktoranden zählen u.a. Don Zagier, Egbert Brieskorn, Klaus Jänich, Detlef Gromoll, Klaus Lamotke, Winfried Scharlau, Matthias Kreck und Lothar Göttsche.

Viele seiner Bücher, Aufsätze und Vorträge zeichnet ein besonderes pädagogisches Geschick aus.

Ehrungen und Auszeichnungen

Hirzebruch erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen und Ehrendoktorate der Universitäten von Warwick (1980), Göttingen (1982), Oxford (1984), Wuppertal (1987), Notre Dame (1989), Trinity College, Dublin (1992), Athen (1993), Potsdam (1995), Konstanz (1999) und Augsburg (2007). Er ist Mitglied der Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina zu Halle, der Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste zu Düsseldorf, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, der Sächsische Akademie der Wissenschaften sowie der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, der Wissenschaftsakademien in den Niederlanden, Ukraine, Russland, Frankreich, Großbritannien, USA und Irland zudem der Academia Europaea, Er ist zudem Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der American Academy of Arts and Sciences.

1962 und 1990 war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung.

Schriften (Auswahl)

Literatur

  • Wolfgang Ebeling: Lattices and Codes. A Course Partially Based on Lectures by F. Hirzebruch. Vieweg, Braunschweig u. a. 2002, ISBN 3-528-16497-2.

Einzelnachweise

  1. Laudatio des Deutschen Mathematikervereins auf die Cantor-Medaille
  2. Jean-Marie Thiébaud: L’Ordre du Trésor sacré (Japon). In: Editions L’Harmattan. L’Harmattan, Dezember 2007, abgerufen am 27. Juli 2009 (französisch).

Weblinks


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