Geomantik

Geomantik

Geomantie oder Geomantik (altgriechisch: γῆ [ɡɛː] „Erde“ und μαντεία [mantaia] „Weissagung“), also in etwa Weissagung aus der Erde). Geomantie im so genannten traditionellen Sinne ist eine seit langem in einigen Kulturen und Religionen verbreitete Methode des Hellsehens. Man nimmt das arabische Nordafrika als Ursprungsort an. Im zwölften Jahrhundert gelangte die Geomantie durch lateinische Übersetzungen arabischer Werke nach Europa und wurde in der Zeit der Renaissance zu einer beliebten Methode der Wahrsagung. Heute ist die Geomantie im ursprünglichen Sinn in Europa verschwunden. Der Begriff wird für andere Methoden verwandt, zum Beispiel in Zusammenhang mit den sogenannten Ley-Linien, die eher dem chinesischen Feng Shui ähneln.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In Europa wurde die Geomantie im 12. Jahrhundert durch lateinische Übersetzungen arabischer Texte bekannt, so z. B. durch die Abhandlung Ars geomancie von Hugues de Santella. Ein weiteres bekanntes Werk ist De geomantia von Robert Fludd im Tractatus secundus. De naturae simia seu technica macrocosmi historia, Oppenheim 1618, Frankfurt 1624.

Durch Araber, die an der ganzen Küste Ostafrikas Handel trieben und ihren Glauben verbreiteten, kam die Geomantie nach Madagaskar, wo sie als Sikidiy Verbreitung fand und auch heute noch betrieben wird.

Sikidiy-Methode in Madagaskar

In Europa wurde Sikidiy von dem französischen Kolonialbeamten Raymond Decary bekannt gemacht.

Eine Sikidiy-Übung beginnt mit einem Zufallsexperiment (der sog. „Befragung des Schicksals“), bei dem Samenkörner eines Fano-Baumes einer Akazienart verwendet werden. Unter dem Rezitieren von „Zauber“formeln nimmt der Wahrsager eine Hand voll Körner, deren Anzahl er nicht kennt, und legt sie als Haufen vor sich. Dann nimmt er davon immer zwei Körner weg, bis nur noch ein oder zwei Körner übrig bleiben. Diesen Vorgang wiederholt er 16 mal.

Jedes Ziehungsergebnis (ein oder zwei Körner) wird in einer quadratischen Tabelle von vier mal vier Feldern abgelegt, der Muttermatrix (Renin-Tiskidy). Jede der vier Spalten (von rechts nach links) und der vier Zeilen (von oben nach unten) hat einen Namen. Spalten: bilady, fahatelo, maly, tale; Zeilen: fianahana, abily, alisay, fahavalo.

Aus der Muttermatrix werden durch Additionen 8 weitere Figuren von je vier übereinander angeordneten Feldern errechnet. Diese 8 Figuren werden unter der Muttermatrix angeordnet. In jeden Feld sind im Ergebnis wieder entweder ein oder zwei Körner. Die „Töchter“ werden ermittelt, indem in einer festgelegten Reihenfolge je zwei Spalten oder zwei Linien addiert werden. Die Addition erfolgt modulo zwei,

  • das heißt ein Korn und ein Korn ergibt zwei Körner,
  • ein Korn und zwei Körner ergeben ein Korn, (von den drei Körnern wird werden wieder zwei Körner abgezogen, wie bei der Befragung des Schicksals, es bleibt 1 Korn)
  • zwei Körner und zwei Körner ergeben zwei Körner (von den vier Körnern wird werden wieder zwei Körner abgezogen, wie bei der Befragung des Schicksals, es bleiben 2 Körner).

Grundsätzlich unterscheiden die Wahrsager bei den 8 Tochterfiguren, von denen jede einen Namen hat (von links nach rechts: fahasivy, ombiasy, haja, haky, asorita, saily, safary, kiba) zwischen Figuren mit einer geraden Anzahl von Körnern, den Prinzen (mpanjaka), und den Figuren mit ungerader Anzahl, den Sklaven (andevo). Jede der Prinzen-Figuren, wie auch jede der Sklavenfiguren hat ebenfalls einen eigenen Namen. Prinzen: z. B. 1 1 1 1 tareky, 1 1 2 2 alsady, Sklaven: z. B. 1 1 1 2 karija, 1 1 2 1 alimizanda

Die Regeln der Interpretation sind komplex, aber prinzipiell sind Prinzen stärkere Figuren als Sklaven. Der Ratsuchende wird von der Spalte eins (bilady) der Muttermatrix repräsentiert. Bei der Frage nach einer Krankheit wurde z. B. diese Spalte 1 bilady zur Tochter haja addiert. Ist die Figur 1, die für den Ratsuchenden steht, ein Sklave, die Figur, die für die Krankheit steht ein Prinz, dann schließt der Wahrsager daraus, dass die Krankheit schwer ist.

Darüber hinaus ist jede der 16 möglichen Sikidy-Figuren einer Himmelsrichtung zugeordnet. Dies schwankt regional etwas, aber bei den Atandroy im Süden der Insel, sind z. B. die Figuren renilaza, alibiavo, karija und adalo dem Norden zugeordnet. Auch die Himmelsrichtungen spielen bei der Interpretation eine große Rolle. Ein Interpretation besagt z. B. dass sich zwei Prinzen und zwei Sklaven aus der gleichen Himmelsrichtung nie schaden.

Als außergewöhnlich (toka oder into) gelten Figuren, bei denen eine Himmelsrichtung unter den 16 Tableaus nur einmal vorkommt. Manchmal streuen die Wahrsager auf ein solchermaßen ungewöhnliches Tableau ein weißes Pulver, das sie später zu einem als gefährlich geltenden Talisman verarbeiten.

Europäische Methode (Robert Fludd)

Die 16 Figuren der Geomantie

Dieses geomantische System besteht aus 16 Figuren mit je vier Linien, die jeweils einen oder zwei Punkte haben können. Die Figuren haben alle eine Bezeichnung aus der ein Orakelspruch abgeleitet wurde.

Um auf das Orakel zu schlagen, wurde - entweder auf der Erde oder aber auch auf einem Blatt Papier - ein Raster gezeichnet, bei dem die verschiedenen Rechtecke jeweils einer Linie der Figuren entspricht. Ohne hinzuschauen zeichnete man nun mit einem Stock auf die Erde oder mit einem Schreibstift auf das Papier eine zufällige Anzahl von Punkten. Danach zählte man die Punkte in den jeweiligen Rechtecken, wobei eine ungerade Zahl einem Punkt bei der Figur entsprach, eine gerade zwei Punkte. Für jedes Orakel brauchte man vier Figuren, aus denen man eine Weissagung herauslas.

Moderne Verwendung des Begriffes Geomantie

Die heutige europäische Geomantie ist eine unwissenschaftliche esoterische Lehre, die sich selbst versteht als „ganzheitliche“ Erfahrungswissenschaft, die versucht, die Identität eines Lebensraumes, eines Ortes oder einer Landschaft zu erfassen und diese durch Gestaltung, Kunst oder Raum- und Landschaftsplanung zu berücksichtigen und individuellen Ausdruck zu verleihen.

Nach der Ansicht der modernen esoterischen Geomantie ist die ganze Erde mit globalen Gitternetzsystemen überzogen. Genannt werden dieses Gitternetzsysteme „Curry-Gitter“, „Ley-Linien“, „Hartmann-Gitter“ oder „Benker-Linien“. Diesem Gitter- und Liniensystem werden „energetische“ Eigenschaften und damit biologische Wirkungen zugesprochen.

Die Vorstellungen der Geomantie zu den von ihr postulierten Energien sind wissenschaftlich nicht haltbar. Die doppelblind durchgeführten, gut kontrollierten Versuche zur Radiästhesie, die die verschiedensten Behauptungen prüften, sind alle negativ ausgegangen. Gitter- und Liniensysteme und deren „Energieströme“ wurden noch nie mit physikalischen Messinstrumenten nachgewiesen.

Geomantie sei das Erkennen und Erspüren von guten Plätzen in Raum und Landschaft und damit die Grundlage für ein harmonisches und gesundes Wohnen und Leben. Die Aufgabe eines Geomanten bestehe darin, baubiologisches Wissen mit der geomantischen Kunst zu vereinen, Räume gestalten, den guten Ort erkennen und erspüren und mit den Menschen in Einklang zu bringen.

Damit hat sie sich von dem ursprünglichen arabischen Wahrsagesystem entfernt und ähnelt eher dem chinesischen Feng Shui.

Siehe auch

Literatur

  • Marc Chemelier, Denis Jacquet, Victor Randrianry, Marc Zabalia: Die Mathematik der Wahrsager von Madagaskar, in Spektrum der Wissenschaft Spezial, 2/2006, Ethnomathematik
  • Marcia Ascher: Mathematics Elswhere: An Exploration of Ideas across Cultures, Princeton University Press 2004
  • Werner Pieper, Hg.: Geomantie, Der Grüne Zweig 47, Löhrbach, ISBN 978-3-922708-47-6
  • John Michell: Sonne, Mond & Steine, Der Grüne Zweig 156, ISBN 978-3-925817-56-4

Weblinks

Links zur alten Geomantie der Araber und deren Rezeption
Sikidy in Madagaskar
Wissenschaftliche Kritik an esoterischer Geomantik
Esoterik
  • http://www.arkanum.com/geomantie Im Dialog mit der Landschaft
  • Werner Pieper, Hg.: Starke Plätze - Orte die zum Herzen sprechen, Der Grüne Zweig 110, ISBN 978-3-925817-10-6

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