Guerber

Guerber
Joseph Guerber, Portrait aus der Biographie von Heinrich Cetty, 1910
Titelblatt zu Joseph Guerbers bekanntestem Buch, der Biographie über Bruno Franz Leopold Liebermann

Joseph Guerber (* 23. April 1824 in Weissenburg (jetzt Wissembourg), Elsass; † 16. Juli 1909 in Straßburg) war katholischer Priester, Straßburger Domherr, 1874 – 1903 Abgeordneter des Deutschen Reichtstages zu Berlin, katholisch-elsässischer Publizist und Buchautor. In Straßburg ist die „Rue Joseph Guerber“ nach ihm benannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Joseph Guerber wurde am 23. April 1824 in dem elsässischen Städtchen Weissenburg, hart an der Grenze zur bayerischen Rheinpfalz geboren. Deshalb beherrschte er sowohl französisch als auch deutsch mit „gleicher Leichtigkeit und Eleganz in Wort und Schrift“, wie es in seiner Biographie heißt. Zwei ältere Brüder, die sich dem geistlichen Stand gewidmet hatten, wurden seine Vorbilder. Joseph Guerber trat in das kleine Seminar zu Straßburg ein und wechselte schließlich an das große Seminar. In Straßburg erhielt er 1848 auch die Priesterweihe und ging danach für ein Jahr an die Universität in Bonn, um seine Studien zu komplettieren. Im bewegten Revolutionsjahr 1849 trat Guerber seine erste Seelsorgestelle, als Vikar der Pfarrei St. Georg zu Hagenau an. Als Kaplan wechselte er vier Jahre später nach Straßburg, St. Johann, danach amtierte er kurzfristig in Mutzig. Im Jahre 1855 avancierte sein älterer Bruder Viktor Guerber zum Pfarrer von Hagenau. Viktor Guerber war zu dieser Zeit schon eine Berühmtheit im elsässischen Klerus, er schrieb für den Katholik, das Organ des sogenannten Mainzer Kreises, für den elsässischen Volksfreund und andere Blätter. Joseph Guerber kam 1855 als Vikar (=Hilfsgeistlicher) zu seinem Bruder nach Hagenau. In Joseph Guerbers Biographie heißt es darüber:

So ergänzten sich beide Brüder aufs Trefflichste. Die Herzensgüte des einen (Joseph Guerber) bildete das Gegengewicht zur Strenge des anderen und lange Jahre hindurch wussten die Pfarrkinder von St. Georg in Hagenau nicht, was sie mehr bewundern sollten: die herzliche Einfachheit des Vikars oder die herbe, männliche Tugend des Pfarrers.“

Heinrich Cetty, Biographie Joseph Guerber, 1910

1871 ernannte man Joseph Guerber zum Superior des kleinen Seminars zu Zillisheim, Oberelsass , 1873 kehrte er nach dessen staatlich verfügter Zwangsauflösung nach Hagenau zurück und wurde schließlich 1881 Superior der Barmherzigen Schwestern im Allerheiligenkloster zu Straßburg. Außerdem erhielt er die Ernennung zum Kanonikus und Ehrendomherrn in Straßburg. Die Stellung als geistlicher Vater und Superior der Barmherzigen Schwestern behielt er bei bis zu seinem Tode 1909. Joseph Guerber war ein weithin geschätzter Kanzelredner und viele seiner Predigten sind später im Druck erschienen. Hierzu berichtet etwa der Hagenauer Stadtarchivar Andre Marcel Burg in seinem Standardwerk über das Kloster Marienthal:

Einige Wochen später, nachdem das Elsaß durch den Frankfurter Friedensvertrag an Deutschland abgetreten worden war, krönte am 26. September 1871 Bischof Räß, umgeben vom Straßburger Hohen Domkapitel, die Madonna mit dem Kinde. Generalvikar Marulla sang das Hochamt und Joseph Guerber, der spätere Reichstagsabgeordnete, damals noch Vikar bei seinem älteren Bruder in Hagenau, hielt eine hervorragende Predigt, die im Drucke erschien.

Andre Marcel Burg "Kloster Marienthal", Phalsbourg, 1959, Seite 205

Papst Pius X. erteilte Joseph Guerber kurz vor dessen Tod, aus Rom seinen speziellen Segen und man übermittelte dies telegraphisch an den Schwerkranken, der es dankbar aufnahm. Der Priester starb am 16. Juli 1909 in Straßburg und wurde am 18. Juli in der dortigen Kirche St. Charles bestattet. Bischof Adolf Fritzen und Weihbischof Franz Zorn von Bulach gaben ihm das letzte Geleit, ebenso, im Auftrag der Regierung, Hugo Zorn von Bulach, Bruder des Letzteren und Reichstagsabgeordneter.

Politisches und publizistisches Wirken

Von 1878–1903 war Joseph Guerber Abgeordneter des Deutschen Reichtstages in Berlin, für den Wahlkreis Gebweiler, heute Guebwiller. Anfangs zählte er sich zu den sogenannten Protestlern akzeptierte aber später die politischen Gegebenheiten und trat für die Selbstverwaltung der Reichslande Elsaß-Lothringen sowie für die Rechte der katholischen Kirche ein. Das Parlamentsamt fasste er als Pflicht und Opfer auf, die er seiner elsässischen Heimat brachte. Der Aufenthalt in Berlin war kein Vergnügen für ihn und er schrieb seinen Straßburger Schwestern u.A. einmal von dort in einem Brief:

Ich bitte Gott, daß unsere Schwestern den Geist des Gebetes und der Vereinigung mit Gott mitten unter ihren täglichen Arbeiten bewahren. Dann führen sie ein Leben, das tausendmal edler und verdienstvoller ist, als das meiner geschätzten Kollegen aus dem Reichstage. Sollten die Schwestern das nicht glauben wollen, so mögen sie einmal nur auf ein paar Stunden hierher kommen und dieses Gerede mit anhören. Ich bin sicher, daß sie für immer bekehrt sind.

Heinrich Cetty, Biographie Joseph Guerber, 1910

Jakob Ignatius Simonis (1831-1903, Professor in Colmar und am großen Seminar in Straßburg, Pfarrer in Bischheim, Herausgeber des „Volksboten“, Supérior des Frauenklosters Niederbronn) und Joseph Guerber galten als die führenden Köpfe der katholisch-elsässischen Fraktion im Deutschen Reichstag zu Berlin.

Guerber war ab 1846 Leiter des „Kirchen- und Schulblatts“, 1858–1873 Redakteur des Straßburger „Volksfreundes“, ab 1866 auch Redakteur des „Volksboten“. Außerdem schrieb er im renommierten „Elsässer“, im Mainzer Katholik, und in den „Münchner Gelben Blättern“. Seine Zeitungsartikel ließ er wegen seiner exponierten politischen Stellung meist unter dem Pseudonym „Bernhard“ oder dem davon abgeleiteten Kürzel „br“ erscheinen.

Überdies publizierte er mehrere kirchen- und heimatgeschichtliche Bücher. Weit über das Elsaß hinaus berühmt wurde 1880 seine vom Mainzer Diözesanadministrator Dr. Christoph Moufang angeregte Biographie des Seminarregens und Mitbegründers des Mainzer Kreises, Bruno Franz Leopold Liebermann, ebenso seine Monographie über den Straßburger Bischof Andreas Räß, einen Schüler und Vertrauten Liebermanns. Die Biographie über Liebermann ist äußerst fundiert und bis heute ein Standardwerk zur Kirchengeschichte im südwest-deutschen Raum des 19. Jahrhunderts. Im Vorwort dazu schreibt der Reichstagsabgeordnete Joseph Guerber die zeitgeschichtlich interessanten und mutigen Ausführungen:

In unseren Tagen eben, wo der "Staatsgott" an der Kirche in anderer Form das zu vollziehen drohte, was die große Revolution unter Voltaire`s Firma in Frankreich frevelte, ist es an der Zeit, das Leben und Wirken eines Mannes uns zu vergegenwärtigen, welcher Zeuge und Opfer einer viel härteren Verfolgung war, welcher eine grausigere Zerstörung erlebte und am Abschluß derselben als Wiederaufbauer auftrat. Diejenigen, welche durch Gottes Vorsehung bestimmt sind, die Lücken wiederum auszufüllen, die durch den "Kulturkampf" in Sions heilige Mauern gerissen worden, werden eine leichtere Aufgabe haben als Superior Liebermann vom Mainzer Seminar. Diesem wurde die schwere Aufgabe, nicht nur die von Gott Berufenen zum geistlichen Leben heranzubilden, sondern inmitten einer grenzenlosen Zerfahrenheit die richtige Doctrin aufzustellen und die Entwöhnten unter die richtige Disciplin zu beugen. Der Gedanke, die Geschichte Liebermanns zu schreiben, rührt aus dem Mainzer Seminar her, von dem nunmehrigen würdigen Regens desselben, Dr. Moufang . Als er in Folge der Maigesetze die Räume seines Seminars sich entvölkern sah, stieg vor seiner Seele die Erinnerung an Liebermann auf, der ja im Jahre 1804, in eben diesen geisterhaft leeren Räumen sein Restaurationswerk begann. In dieser Erinnerung an Kämpfe und Kämpfer alter Zeiten lag eine Verheißung für die Zukunft, eine Mahnung zur Ausdauer in der Gegenwart. An Liebermanns Thatkraft und Gottesvertrauen, so wollte es scheinen, müssten sich Gottes Streiter zur Ausdauer emporarbeiten, um dereinst dessen Gotteswerk wieder fortzuführen. Liebermanns Leben müsste ihnen dargestellt werden. Da aber Liebermann durch seine Geburt, seine Vorbildung, sein erstes und letztes Wirken dem Elsaß angehört, so fiel natürlich einem Elsäßer die Aufgabe zu, die halbverwischten Züge seines Lebens wieder aufzufrischen und in einem vollständigen Bilde darzustellen.

Joseph Guerber, Bographie über Bruno Franz Leopold Liebermann, 1880

Mehr in seiner elsässischen Heimat verbreitet blieben die lokalgeschichtlichen Novellen:„Erzählungen des alten Bäckerjörg“ (1873), „Niklaus der Schütz“ (1894), „Gottvertrauen“ (1895), „Um den Odilienberg“ (1901), „Der Landsknecht“ (1902), sowie „Aus trüben Zeiten“ (1903). Mit dem ebenfalls aus seinem Heimatort Weissenburg stammenden Straßburger Weihbischof Karl Marbach verband Guerber eine langjährige Freundschaft und es wurde unter dem Titel “Briefe von Joseph Guerber an den jungen Carl Marbach“ eine diesbezügliche Briefesammlung veröffentlicht. Abbe` Heinrich Cetty veröffentlichte 1910 in der Oberelsässischen Verlagsanstalt Mühlhausen seine Biographie über Joseph Gürber mit einem Portraitbild.

Werke (Auswahl)

  • Haguenau et la Réforme, 1861
  • „Festpredigt gehalten in Marienthal bei Gelegenheit der Krönung des Gnadenbildes durch Bischof Andreas Räß von Straßburg, am 25. September 1871“; Strassburg, 1871, 15 S.
  • „Festpredigt bei Anlaß des 25-jährigen Jubiläums des Pfarrers Philippi in Molsheim, den 20. April 1879 gehalten“, Mömpelgard (Montbéliard), Verlag Paul Hoffmann, 1879, 25 Seiten.
  • Trauer-Rede auf den Herrn Baron Peter Rielle von Schauenburg, 1882
  • Andreas Räß, Bischof von Straßburg“, Freiburg, Herder-Verlag
  • Bruno Franz Leopold Liebermann, Freiburg, Herder-Verlag, 1880
  • „Erzählungen des alten Bäckerjörg“ (1873),
  • „Niklaus der Schütz“ (1894),
  • „Gottvertrauen“ (1895),
  • „Um den Odilienberg“ (1901),
  • „Der Landsknecht“ (1902), Rixheim, F. Sutter & Comp. 1902
  • „Aus trüben Zeiten“ (1903).
  • Bauern- und Schwedenkrieg im Elsass, erschienen 1929

Literatur

  • Heinrich Cetty, „Joseph Guerber“, Mühlhausen, Oberelsässische Verlagsanstalt, 1910, 112 Seiten mit Bild.
  • Eintrag Joseph Guerber in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 495.
  • Andre Marcel Burg (Stadtarchivar Hagenau): "Kloster Marienthal", Phalsbourg, 1959, Seite 205

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