Gutsbezirk

Gutsbezirk

Gutsbezirke (in Österreich Gutsgebiet) waren den Landgemeinden vergleichbare kommunale Einheiten.

Es bestand in ihnen allerdings keine Gemeindevertretung. Vielmehr wurden sie verwaltet vom Gutsvorsteher, dem Besitzer (Eigentümer) des Gutsbezirkes. Alle öffentlichen Rechte und Pflichten trafen sich daher in seiner Person.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im landwirtschaftlich geprägten preußisch-mecklenburgisch-norddeutschen Raum bestanden Gutsbezirke in hoher Zahl, meist im ostelbischen Raum, aber auch in Schleswig-Holstein (dort als Nachfolger des Adligen Gutes), bis zu ihrer Auflösung in den Jahren 1928 und 1929.

Die kommunale Struktur des Landes war früher geprägt von dem Dualismus zwischen

  • Einzelhöfen, Dörfern oder Dorfanteilen, auf denen der Adel seinen Sitz hatte („Rittergüter“: selbstständige Gutsbezirke) und
  • Dörfern, in denen freie Bauern auf eigener Feldmark zusammenwohnten.

Der herrschaftliche Grundbesitz des Rittergutes beruhte auf der Wehrverfassung und dem Lehnswesen der altdeutschen Staaten. Danach wurden als Rittergüter die Landgüter bezeichnet, deren Besitzer dem Landesherren zur Leistung von Ritterdiensten verpflichtet waren. Die „Ritterbürtigkeit“ stand fast ausschließlich dem Adel zu. Dieser leistete Kriegsdienst, der Bauer zahlte Steuern.

Im übrigen war auch der Landesherr teilweise als bäuerlicher Grundbesitzer tätig, indem er Staatsgüter, die „Domänen“ bewirtschaften ließ. Auch diese waren als Gutsbezirke organisiert.

Zur besonderen Geschichte in Schleswig-Holstein siehe: Adliges Gut.

Königreich Preußen

Das Gutshaus in Rexin, Kreis Stolp

In den als Altpreußen[1] bezeichneten preußischen Provinzen (Brandenburg, Sachsen, Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien) stellte der Gutsbezirk einen räumlich abgegrenzten Teil des platten Landes dar, dessen Gebiet und Bewohner der obrigkeitlichen Gewalt eines Gutsherrn unterworfen war. Der Begriff des Gutsbezirks tauchte erstmals im preußischen Gesetz über die Armenpflege von 1842 auf. Historisch bildete sich der preußische Gutsbezirk heraus, nachdem in Folge der Bauernbefreiung und der Abschaffung der Erbuntertänigkeit das Obereigentum des Gutsherrn am Bauernland und dem gutsherrlichen Vorwerkland zur bäuerlichen Feldmark und damit zur bäuerlichen Gemeinde gelangte. Zuvor kannte das Allgemeine Landrecht lediglich Dorfgemeinden und über diesen stehende Gutsherrschaften. Ab 1807 trat die bäuerliche Gemeinde rechtlich neben den Gutsbezirk, der ein selbstständiges kommunales Gebilde darstellte, ohne jedoch, anders als die Gemeinde, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu sein. In den Rechten und Pflichten war der Gutsbezirk der Gemeinde allerdings nach den Bestimmungen der preußischen Landgemeindeordnung gleich gestellt. Nach der preußischen Kreisordnung von 1872 (KrO) konnten die Gutsbezirke selbstständige Amtsbezirke bilden (§ 48 Nr. 2 KrO), die größeren Gutsbezirke, zu denen auch juristische Personen zählten, bildeten einen eigenen Wahlverband für den Kreistag (§ 85 Buchst. a KrO). die übrigen Gutsbezirke bildeten einen Wahlverband mit den Gemeinden (§ 98 KrO), wobei die Vertretung durch den Gutsbesitzer und nicht durch einen gewählten Vertreter erfolgte.

Der Gutsbesitzer war als Gutsvorsteher vom Landrat zu bestätigen. Er konnte seine Aufgaben an einen Stellvertreter übertragen, als Stellvertreter konnte auch der Vorsteher einer benachbarten Gemeinde bestimmt werden. Die Bestellung eines Stellvertreters war zwingend erforderlich, wenn Gutseigentümer eine unverheiratete oder verwitwete Frau war, das Gut im Eigentum einer juristischen Person stand, die elterliche Gewalt über den Gutsbesitzer seiner Mutter zustand oder wenn Vormund oder Pfleger des Besitzers eine Frau war. Träger der gegenüber dem preußischen Staat bestehenden Rechte und Pflichten war – mit Ausnahme des Schulwesens – der Gutsherr. Bis zum Inkrafttreten der Kreisordnung von 1872 hatte er insbesondere die Polizeigewalt inne, die gutsherrliche Gerichtsbarkeit wurde durch Verordnung vom 2. Januar 1849 abgeschafft.

Gutsbezirke, konnten, soweit sie diesen Status nicht bereits vor der Bauernbefreiung besaßen, in den altpreußischen Provinzen vom König zum Rittergut erhoben werden. In Hannover konnte seit 1874 der Oberpräsident Rittergüter bilden und aufheben. Neben den privaten Gutsbezirken bestanden fiskalische Gutsbezirke (Domänen).

Königreich Sachsen

In Sachsen[2] wurden Gutsbezirke nach der Eingliederung in das Deutsche Reich 1866/1871 geschaffen, so z. B. für den Kasernenkomplex Dresden-Neustadt (Albertstadt). Sie sind nach 1918 und erneut 1945 weggefallen. Sie bestanden als besondere Selbstverwaltungskörperschaften. Nach § 82 der sächsischen Reichslandgemeindeordnung (RLGO) zählten die königlichen Schlösser, die bisher keiner Gemeinde angehörigen Staats- und Privatwälder, Kammer- und Rittergüter sowie den Rittergütern gleich gestellte Güter als Gutsbezirke. Anfang des Jahres 1910 bestanden in Sachsen 1218 Gutsbezirke. Die Gutsbezirke wurden durch den Gutseigentümer vertreten, seine Stellung entsprach der einer Gemeindevertretung. Sofern er nicht auf seinem Gut anwesend war, hatte er einen Stellvertreter zu bestimmen

Die Auflösung der Gutsbezirke 1928 bis 1930

Am 1. Januar 1928 bestanden in Preußen neben etwa 1.000 Stadtgemeinden etwa 29.000 Landgemeinden und 11.894 selbstständige Gutsbezirke.

Um allen Einwohnern des preußischen Staates die Möglichkeit einer Vertretung ihrer Interessen auf kommunaler Ebene zu ermöglichen, hatte das preußische Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts vom 27. Dezember 1927 in seinem § 11 grundsätzlich die Aufhebung der Gutsbezirke vorgeschrieben.

Ab 30. September 1928 und zu späteren Stichtagen sind danach zum größten Teil alle Gutsbezirke aufgelöst worden. Auf Grund von Vorschlägen der Landräte wurden sie benachbarten Landgemeinden eingegliedert oder selbst in Landgemeinden umgewandelt.

Am 1. August 1930 gab es aufgrund dieser Reform nur noch 275 Gutsbezirke, die meisten waren große Forstgutsbezirke.

Größere Forst- und Wasserflächen blieben aber weiterhin als Gutsbezirk außerhalb der „normalen“ Kommunalstruktur, da sich in ihnen ein Gemeindeleben nicht entfalten konnte, zum Beispiel:

Die Verordnung über die Gutsbezirke und gemeindefreien Grundstücke von 1938

Mit der Einführung der reichseinheitlichen Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 und der Wiederaufrüstung ergab sich die Notwendigkeit, im gesamten deutschen Reich eine einheitliche Regelung über die Gebiete zu treffen, in denen sich – bedingt durch die Wehrmacht – kein Gemeindeleben entfalten konnte. Das waren im Wesentlichen die Truppenübungsplätze.

Umwandlung bestehender Gutsbezirke

Die bestehenden preußischen Truppenübungsplätze wurden nach und nach in Gutsbezirke nach Reichsrecht umgewandelt.

Preußen

  • Rheinprovinz: Luftwaffengutsbezirk Ahrbrück in den Landkreisen Ahrweiler und Mayen zum 1. April 1942,
  • Provinz Oberschlesien: Luftwaffengutsbezirk Udetfeld im Landkreis Warthenau: vorbereitet, aber nicht mehr durchgeführt,
  • Provinz Ostpreußen: Heeresgutsbezirk Mielau in den Landkreisen Mielau, Praschnitz und Zichenau zum 1. Juli 1943.

Außerpreußisches Reichsgebiet

Generalgouvernement

  • Distrikt Radom: Heeresgutsbezirk Mitte Radom in der Kreishauptmannschaft Radom zum 1. Juli 1943.

Heutige Rechtslage

In der Bundesrepublik Deutschland ist das Kommunalrecht wieder Landesrecht geworden. Heute werden noch einige gemeindefreie Gebiete in Deutschland als Gutsbezirke bezeichnet, darunter:

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schmidt in Fleischmann (Hg.): Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Band 2, Tübingen 1913, S. 299ff., Stichwort „Gutsbezirke (selbständige) A. Preußen“
  2. Seyffarth in: Fleischmann (Hg.): Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Band 2, Tübingen 1913, S. 299ff., Stichwort „Gutsbezirke (selbständige) B. Sachsen“

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