Hanslick

Hanslick

Eduard Hanslick (* 11. September 1825 in Prag; † 6. August 1904 in Baden bei Wien) war ein österreichischer Musikästhet und einer der einflussreichsten Musikkritiker seiner Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Eduard Hanslick im 40. Lebensjahr

Hanslick wuchs in Prag auf. Sein Vater Joseph Adolph Hanslick, der ursprünglich Priester werden wollte und in einem Kloster als Sängerknabe die Liebe zur Musik entdeckte, brach das Theologiestudium ab und widmete sich der Philosophie und Ästhetik. Eine Weile hatte er darin ein Lehramt an der Prager Hochschule inne. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Bibliograf und mit Unterricht, besonders in der Musik. Er war verheiratet mit Karoline Kisch, Tochter des Prager Grosskaufmanns und Hoffaktors Salomon Abraham Kisch (ca. 1768–1840 Prag) und der Rebekka Götzl (ca. 1769–1859 Prag), Tochter des Wiener Großhändlers Samuel Götzl. Die mütterliche Herkunft aus einer prominenten jüdischen Familie war später wiederholt Anlass antisemitischer Angriffe gegen Eduard Hanslick.

Eduard Hanslick berichtet in seinen Memoiren, dass er und seine vier Geschwister umfassend vom Vater erzogen wurden: Er „unterrichtete uns in allen Gegenständen selbst, auch im Klavierspiel“.

Hanslick studierte zunächst Rechtswissenschaften und krönte den Abschluss dieses Studiums 1849 mit einer Promotion. Er erhielt aber auch Klavier- und Kompositionsunterricht bei Václav Jan Křtitel Tomášek. Zufolge der Schilderung in seiner Autobiographie Aus meinem Leben studierte er die sämtlichen Etüden Chopins, Henselts und Sigismund Thalbergs; zudem komponierte er Lieder, von denen ein Heft sehr später veröffentlicht wurde. Von 1850 bis 1852 arbeitete Hanslick als Jurist in Klagenfurt. Während der Märzrevolution 1848/49 war er als politischer Kommentator auf der "falschen" Seite und musste sich beruflich umorientieren, als die Reaktionsära begann. Seine Beamtenlaufbahn verfolgte er nicht weiter und wendete sich stattdessen der Musikästhetik zu.

In seiner Autobiografie Aus meinem Leben (1894) äußerte sich Hanslick entsetzt über das damalige Niveau des Wiener Konzert- und Theaterlebens (das stark auf die späteren Kriegsgegner Frankreich und Italien ausgerichtet war). Er begann regelmäßig Kritiken für die Wiener Zeitung, ab 1855 für die Presse und 1864–1901 für die Neue Freie Presse zu schreiben. Sein bekanntestes Werk Vom Musikalisch-Schönen erschien 1854 und wurde als Habilitation anerkannt. Es war sofort ein großer Erfolg, erlebte in den folgenden Jahren Neuauflagen und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

In seiner Schrift bezog er zu der in den 1840er Jahren vorherrschenden Gefühlsästhetik eine Gegenposition. Daraus erklärt sich die berühmteste Aussage dieser Schrift, wonach der Inhalt der Musik aus „tönend bewegten Formen“ bestehe. Mit dieser Parallelsetzung von Inhalt und Form nahm er einen Gedankengang aus Hegels Phänomenologie des Geistes auf. Dass er das „Ausdrücken“ dem „Darstellen“ vorzog und erklärte, damit sei die Doppelung zwischen Darstellung und Dargestelltem überwunden, rückt Hanslick in die Nähe der Einfühlungstheorie. Gegner, so Franz Brendel in einer Rezension in der Neuen Zeitschrift für Musik, hielten ihm vor, dass über die von ihm bestrittene Möglichkeit einer objektiv verstehbaren Programmmusik erst eine künftige Musikwissenschaft entscheiden könne.

1861 erhielt Hanslick eine Universitätsprofessur für Ästhetik und einen ersten Lehrstuhl Geschichte der Musik in Wien. Er betrachtete die Musik der Wiener Klassik, etwa die Wolfgang Amadeus Mozarts und Ludwig van Beethovens, als Höhepunkt der musikalischen Entwicklung und sah in Robert Schumann und Johannes Brahms würdige Nachfolger. Auch deswegen stand er der so genannten Neudeutschen Schule um Franz Liszt und Richard Wagner kritisch gegenüber. Dies hielt ihn weder davon ab, Schumanns Musikanschauung zu kritisieren, noch davon, Wagners Musik zu loben.

Hanslick wird allgemein als heftiger Kritiker und Gegner Wagners angesehen. Die Figur des „Merkers“ Sixtus Beckmesser in Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg war vom Komponisten zunächst als Parodie auf seinen vermeintlichen Gegner und Kritiker Hanslick geplant: er benannte die Figur des Kritikers im zweiten Prosaentwurf des Textbuchs von 1862 mit „Hans Lick“, später als „Veit Hanslich“ (bevor sie dann zu "Beckmesser" wurde). Dabei wird übersehen, dass Hanslick in der Zeit um 1845, als Wagner die ursprüngliche Konzeption der Meistersinger aufzeichnete, noch ein begeisterter Anhänger Wagners war. Wagner und Hanslick begegneten einander im Sommer 1845 erstmals in Marienbad, wo Wagner sich zur Kur aufhielt, und zwar exakt an dem Tag, nachdem Wagner dort seine erste Meistersinger-Entwurfsskizze abgeschlossen hatte.

Die Wiener Tradition der Musikkritik war ein Freiraum für die Kunst der Polemik, der im Bereich der Politik noch enge Grenzen gesetzt waren. Auch Hanslick gelang es nicht immer, sachlich zu bleiben: Eine Kritik über Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Violinkonzert in D Op 35 gipfelt etwa in den Worten, das Werk bringe „uns auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört“.

Hanslick ist auch als Kritiker Hugo Wolfs bekannt. In die Biographie Anton Bruckners hat er insoweit hineingewirkt, als er in seinem Amt als Professor für Ästhetik über Bruckners Gesuch zur Anstellung als Dozent für Tonsatz an der Wiener Universität entscheiden musste. Hanslick hat das Gesuch zuerst abgelehnt; doch hat er sich später einer entgegengesetzten Mehrheit in dem zuständigen Gremium gebeugt.

Sein ehrenhalber gewidmetes Grab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gr. 18, R. 1, Nr. 9).

Immer wieder wird Hanslick, besonders von den Bruckner-Biografen, als Antagonist Anton Bruckners dargestellt. Übersehen wird hierbei allerdings, dass Bruckner ohne Hanslicks Einfluss wahrscheinlich nicht nach Wien gegangen wäre, denn dieser hat ihm in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bei einem Liederwettstreit in Linz mit dem Hinweis ermutigte, nach Wien zu gehen, da er es dort weit bringen werde. Aus dieser Zeit ist eine Fotografie Hanslicks erhalten, die er Bruckner mit Widmung zukommen ließ. Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass Hanslick sich über den Organisten Bruckner überschwänglich äußerte – und über Bruckners Erfolge bei dessen Orgeltournee in Nancy und Paris schwärmte –, den Komponisten aber ablehnte, da hier zwei allzu unterschiedliche Musikauffassungen aneinanderprallten. Hanslick betonte in seinen Kritiken stets, wie sympathisch der Mensch Bruckner ihm sei, dass er seine Musik aber nicht verstehen könne.

Bücher

  • Vom Musikalisch-Schönen. Ein Beitrag zur Revision der Ästhetik der Tonkunst. 1854 (Volltext der Erstausgabe)
  • Geschichte des Concertwesens in Wien Bd.2. Aus dem Concertsaal. 1870 (Online-Faksimile)
  • Die moderne Oper [1]. Kritiken und Studien. 1875
  • Musikalische Stationen. Die moderne Oper 2. 1880
  • Aus dem Opernleben der Gegenwart. Die moderne Oper 3. Neue Kritiken und Studien. 1884
  • Suite. Aufsätze über Musik und Musiker [1877-1884]. 1884
  • Concerte, Componisten und Virtuosen der letzten fünfzehn Jahre. Kritiken [1870-1884]. 1886
  • Musikalisches Skizzenbuch. Die moderne Oper 4. Neue Kritiken und Schilderungen [1883-1887]. 1888
  • Musikalisches und Litterarisches. Die moderne Oper 5. 1890
  • Aus dem Tagebuche eines Musikers. Die moderne Oper 6. 1892
  • Aus meinem Leben. 2 Bd. 1894
  • Fünf Jahre Musik [1891-1895]. Die moderne Oper 7. 1896
  • Am Ende des Jahrhunderts. Die moderne Oper 8. 1899
  • Aus neuer und neuster Zeit. Die moderne Oper 9. Musikalische Kritiken und Schilderungen. 1900

Literatur

  • Rudolf Bockholdt: Hanslick, Eduard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, S. 637 f.
  • Ambros Wilhelmer, Der junge Hanslick. Sein "Intermezzo" in Klagenfurt 1850-1852. Klagenfurt 1959
  • Michael Jahn, Was denken Sie von Wagner? Mit Eduard Hanslick in der Wiener Hofoper. Kritiken und Schilderungen. Schriften zur Wiener Operngeschichte 4. Verlag Der Apfel, Wien 2007. ISBN 978-3-85450-223-4

Weblinks


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