Industrial relations

Industrial relations

Unter Industriellen Beziehungen versteht man die Beziehungen zwischen dem Management eines Unternehmens und dessen Arbeitnehmern sowie die Beziehungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften.

Inhaltsverzeichnis

Zum Begriff

Der Begriff ist eine Lehnübersetzung des englischen Begriffs Industrial relations. An dem Begriff wird kritisiert, dass industry im Englischen umfassender (im Sinne von "Gewerbe") verstanden wird als der deutsche Begriff "Industrie".

In systemtheoretischer Perspektive bilden die Industriellen Beziehungen ein Subsystem der modernen kapitalistischen Gesellschaft (s. Dunlop, Wood et al., Rogowski).

Näheres

Industrielle Beziehungen sind ein Forschungsgebiet der Betriebswirtschaftslehre, der Industrie- und Betriebssoziologie sowie der Wirtschaftssoziologie. Als Ausgangspunkt liegt diesem folgender Sachverhalt zugrunde: Der auf dem Arbeitsmarkt vertraglich vereinbarte wirtschaftliche Austausch von Lohn gegen Arbeitsleistung führt zu sozialen Kooperations- und Konfliktbeziehungen zwischen Management und Arbeitnehmern/Betriebsrat bzw. zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft in einem Betrieb oder einer Branche (Wirtschaftszweig) oder in einem Staat (Beziehungen zwischen den Dachorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern).

Im historischen Verlauf der Industrialisierung waren die industrial relations zunächst durch ungeregelte soziale Konflikte (bis hin zum „Maschinensturm“) und einschneidende politische Repressionen gekennzeichnet. Erst im 20. Jh. bildeten sich Verhandlungsarenen auf unterschiedlichen Ebenen - Unternehmen, Wirtschaftszweig, Nationalstaat, Europäischer Wirtschaftsraum - heraus. In ihnen werden von den jeweiligen „kollektiven Akteuren“ (wie Management und Betriebsrat, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisation sowie staatliche Institutionen) Verträge und Vereinbarungen über die Bedingungen der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitnehmern abgeschlossen. Die beteiligten Organisationen können dabei auch soziale Druckmittel wie Streik und Aussperrung anwenden.

Pioniere in der Erforschung der Industriellen Beziehungen waren in Großbritannien Sidney und Beatrice Webb, in Deutschland Lujo Brentano und in den USA John R. Commons.

In der fachwissenschaftlichen Diskussion wird das deutsche System der industriellen Beziehungen auch als "duales System" der Interessenvertretung bezeichnet, weil die Arbeitnehmerinteressen einerseits durch den Betriebsrat, andererseits durch die Gewerkschaft über den Tarifvertrag vertreten werden. Im weiteren Sinne gehören auch die Beziehungen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen mit den für sie wichtigen staatlichen Instanzen (z. B. in der Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftspolitik) sowohl im nationalstaatlichen wie im europäischen Rahmen zum diesem Forschungsgebiet. Darüber hinaus übernimmt der Staat regulative Funktionen, indem er den Industriellen Beziehungen einen gesetzlichen Rahmen setzt (z.B. mit Betriebsverfassungsgesetz, Tarifvertragsgesetz, Mitbestimmungsgesetz). Mit der EU-Richtlinie über Europäische Betriebsräte (1994) wurde erstmals ein gesetzlicher Rahmen für eine transnationale Institution der Industriellen Beziehungen geschaffen.

Theorien

Das interdisziplinäre Forschungsfeld kennt eine Vielfalt theoretischer Ansätze für die Analyse und Erklärung komplexer Systeme, thematischer Komplexe oder auch nur einzelner Phänomene der nationalen und transnationalen industriellen Beziehungen. Im einzelnen sind diese:[1]

  • Systemtheorie (Dunlop, Luhmann)
  • Marxismus (politische Ökonomie / Regulationstheorie / Labour Process-Analyse)
  • Institutionalismus (historischer und evolutionärer, steuerungstheoretischer, neuer soziologischer, akteurzentrierter)
  • Handlungstheorie (Mikropolitik / Arbeitspolitik / Negotiation of Order / Strategic Choice)
  • Strukturationstheorie (Giddens)
  • Ökonomische Ansätze (Rational Choice / Transaktionskosten-Ansatz)

Literatur

Zeitschriften

Monographien

  • Joachim Bergmann/Rudi Schmidt (Hgg.): Industrielle Beziehungen. Institutionalisierung und Praxis unter Krisenbedingungen, Leske + Budrich, Opladen 1996, ISBN 3-8100-1722-1
  • Ralf Dahrendorf: Industrie- und Betriebssoziologie, Sammlung Göschen Band 103, ²1962, dort Unterkapitel: Industrielle Beziehungen, S. 101-107
  • John T. Dunlop: Industrial Relations Systems (1958), Revised Edition, Harvard Business School Press, Boston 1993, ISBN 0-87584-334-4
  • Friedrich Fürstenberg: Industrielle Arbeitsbeziehungen. Untersuchungen zu Interessenlagen und Interessenvertretungen in der modernen Arbeitswelt, Manz, Wien 1975
  • Walther Müller-Jentsch: Soziologie der Industriellen Beziehungen, Campus, Frankfurt am Main ²1997, ISBN 3-593-35705-4
  • Walther Müller-Jentsch/Peter Ittermann: Industrielle Beziehungen. Daten, Zeitreihen, Trends 1950-1999, Campus, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-593-36587-9

Zeitschriftenartikel

  • Walther Müller-Jentsch: Theorien der industriellen Beziehungen, in: Industrielle Beziehungen 1996, 3. Jg., H. 1, S. 36-64
  • Ralf Rogowski, R. (2000): Industrial Relations as a Social System, in: Industrielle Beziehungen 2000, 7. Jg., H. 1, S. 97–126
  • S. J. Wood/A. Wagner/E. G. A. Armstrong/J. F. B. Goodman/E. Davis: The 'Industrial Relations System' Concept as a Basis for Theory in Industrial Relations, in: British Journal of Industrial Relations 1975, 15. Jg., S. 291-308

Einzelnachweise

  1. Nach Walther Müller-Jentsch: Theorien industrieller Beziehungen, in: Ders.: Arbeit und Bürgerstatus. Studien zur sozialen und industriellen Demokratie, VS Verlag, Wiesbaden 2008, S. 239-283, ISBN 978-3-531-16051-1

Siehe auch


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