Iveta Radičová

Iveta Radičová
Iveta Radičová (2010)

Iveta Radičová (geborene Karafiátová; * 7. Dezember 1956 in Bratislava) ist eine slowakische Soziologie-Professorin und Politikerin. Seit dem 8. Juli 2010 war die stellvertretende Vorsitzende der Partei Slowakische Demokratische und Christliche Union – Demokratische Partei (SDKÚ-DS) Ministerpräsidentin der Slowakei, die einer Vier-Parteien-Koalition vorstand, seit 11. Oktober 2011 ist sie nach einer verlorenen Vertrauensfrage nur noch kommissarisch im Amt.

Leben

Radičová studierte von 1975 bis 1979 Soziologie an der Comenius-Universität Bratislava und war später dort und in der Slowakischen Akademie der Wissenschaften tätig. 1990 schloss sie ein Postdoktoranden-Studium an der Universität von Oxford ab. Bis zum Jahr 2005 hatte sie Gastprofessuren an Universitäten in Großbritannien, Schweden, Finnland, Österreich und den USA und war parallel dazu Expertin der Europäischen Kommission im Bereich Sozialpolitik.[1] Seit 2005 ist sie Soziologieprofessorin in Bratislava.

Sie begann ihre politische Karriere 1990–1992 als Mitglied der Bewegung Öffentlichkeit gegen Gewalt (slowak. Verejnosť proti násiliu) und war 2005–2006 Ministerin für Arbeit, Soziales und Familie. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen 2006 wurde sie für die Oppositionspartei SDKÚ-DS erstmals Abgeordnete im slowakischen Parlament.

2009 trat Radičová als Kandidatin der Oppositionsparteien SDKÚ-DS, SMK-MKP und KDH sowie der außerparlamentarischen OKS bei den Präsidentschaftswahlen am 21. März 2009 an. Sie kam im ersten Wahlgang mit 38,05 % der Stimmen hinter dem amtierenden Präsidenten Ivan Gašparovič auf den zweiten Platz. In der Stichwahl gegen Gašparovič am 4. April 2009 unterlag sie mit 44,47 % der Stimmen.[2] Kurz danach, am 23. April 2009, gab sie ihren Parlamentssitz auf, nachdem sie unerlaubter Weise anstelle einer anderen Abgeordneten gestimmt hatte.[3]

Iveta Radičová trat bei den Parlamentswahlen in der Slowakei 2010 als Wahlkampfleiterin und Spitzenkandidatin der SDKÚ-DS an. Ihre Partei wurde mit 15,42 % mit großem Abstand hinter den Sozialdemokraten (34,79 %) zwar nur zweitstärkste Kraft. Da es dem sozialdemokratischen Amtsinhaber Robert Fico wegen der strukturellen Mehrheit der eher dem konservativen Spektrum zugeordneten Parteien SDKÚ-DS, SaS, KDH und Most–Híd im Slowakischen Nationalrat (zusammen 79 von 150 Sitzen) aber nicht gelang, eine Regierung zu bilden, wurde Radičová von Staatspräsident Ivan Gašparovič am 23. Juni 2010 mit der Regierungsbildung beauftragt.[4]

Sie wurde am 8. Juli 2010 als erste Frau als slowakische Ministerpräsidentin[5] an der Spitze einer bürgerliche Regierungskoalition vereidigt.[6] Ihr Kabinett erhielt am 10. August 2010 mit sämtlichen Stimmen der Koalition (79 von 145 abgegebenen) das Vertrauen des Parlaments[7].

Radičová lebt in der Gemeinde Nová Dedinka (Okres Senec), hat eine Tochter und ist Witwe – ihr Ehemann, der Humorist Stano Radič, verstarb 2005. Sie spricht fließend Englisch und Russisch und hat auch Deutsch- und Polnischkenntnisse.[8]

Von der Opposition wurde Rádičová oft als schwache Regierungschefin und Marionette ihres Parteichefs Mikuláš Dzurinda kritisiert.[9]

Rádičová kündigte am 11. Oktober 2011 an, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, da sich ihr Koalitionspartner SaS einer notwendigen Zustimmung zur Erweiterung des europäischen EFSF-Rettungsschirms verweigerte.[10] Da die SaS zudem auch die Verknüpfung dieses Themas mit der Vertrauensfrage ablehnte, kündigte deren Vorsitzender Richard Sulík an, dass sich seine Partei nicht an dem Votum beteiligen werde. Somit stimmten nur 55 der 150 Abgeordneten für die Ausweitung des Rettungsschirms und sprachen damit auch der Ministerpräsidentin das Vertrauen aus. Notwendig zur positiven Beantwortung wäre eine Mehrheit von 76 Stimmen gewesen. Mit diesem Ergebnis zerbrach die Koalition und endete Rádičovás Amtszeit. Noch vor der Abstimmung hatte Oppositionsführer Robert Fico von den Sozialdemokraten angekündigt, im Falle eines Scheiterns der Regierung bei einer zweiten Abstimmung eine Zustimmung seiner Fraktion zum Rettungsschirm zu empfehlen, um dessen Inkrafttreten schließlich doch noch zu ermöglichen. Bedingungen seien Neuwahlen oder eine Regierungsumbildung. (siehe Staatsschuldenkrise im Euroraum). Die Einigung zwischen Rádičovás geschäftsführenden Regierung und der Opposition auf eine Neuwahl des Nationalrates am 10. März 2012 ging mit dem Ziel einher, dem Rettungsschirm am 14. Oktober 2011 im Parlament eine Mehrheit zu verschaffen.[11]

Weblinks

 Commons: Iveta Radičová – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Iveta Radičová – die erste slowakische Premierministerin auf Radio Slovakia International vom 9. Juli 2010 abgerufen am 26. Juli 2010
  2. vgl. Agence France-Presse: Gasparovic als slowakischer Präsident wiedergewählt bei google.com, 5. April 2009
  3. Radičová sa rozlúčila, aby sa mohla vrátiť SME, abgerufen am 23. Juni 2010
  4. Slovenský prezident pověřil vytvořením vlády Radičovou. Fico přiznal prohru iDnes.cz, abgerufen am 23. Juni 2010, tschechisch
  5. orf.at, abgerufen am 8. Juli 2010
  6. auf ORF vom 8. Juli 2010 abgerufen am 8. Juli 2010 Frau an der Spitze der SlowakeiSlowakei: Radicova als Regierungschefin angelobt
  7. atlas.sk: Kabinet Ivety Radičovej dostal dôveru, 10. August 2010
  8. Radičová dostala poverenie zostaviť vládu SME, abgerufen am 23. Juni 2010
  9. Radičová za rok vo funkcii zvážnela. Menej žartuje, www.aktualne.centrum.sk, vom 2. Juli 2011
  10. http://www.euractiv.de/finanzplatz-europa/artikel/slowakei-radicova-stellt-vertrauensfrage-005478
  11. http://diepresse.com/home/politik/eu/700625/Slowakei-wird-EFSF-doch-noch-absegnen?direct=691335&_vl_backlink=/home/index.do&selChannel=573

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