Ivy Mike

Ivy Mike
Kernwaffentest
Ivy Mike
Ivy Mike (Eniwetok-Atoll - 31. Oktober 1952).jpg
Pilzwolke der Explosion
Informationen
Nation Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Testserie Operation Ivy
Testort Insel Elugelab
Datum 31. Oktober 1952
19:15 Uhr GMT
Testart Oberflächentest
Testhöhe 3 Meter
Waffentyp Wasserstoffbombe
Sprengkraft 10,4 MT

Ivy Mike war der Codename des ersten erfolgreichen Tests einer amerikanischen Wasserstoffbombe während der Operation Ivy. Der Test fand am 1. November 1952 um 7:15 Uhr (Ortszeit) auf der Insel Elugelab im nördlichen Eniwetok-Atoll, damals zum Treuhandgebiet Pazifische Inseln gehörend, statt. Die Explosion hatte eine Stärke von 10,4 Megatonnen TNT-Äquivalent und war damit die zum damaligen Zeitpunkt stärkste, heute viertstärkste Kernwaffe, die die Vereinigten Staaten jemals getestet haben.[1]

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Der Befehl zur Entwicklung der Wasserstoffbombe wurde von Präsident Truman am 31. Januar 1950 erteilt, noch unter dem Eindruck des ersten sowjetischen Atomtests am 29. August des Vorjahres.

“It is part of my responsibility as Commander in Chief of the Armed forces to see to it that our country is able to defend itself against any possible aggressor. Accordingly, I have directed the AEC to continue its work on all forms of atomic weapons, including the so-called hydrogen or Super bomb.”

„Es ist Teil meiner Verantwortung als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, dafür zu sorgen, dass unser Land sich gegen jeden möglichen Aggressor verteidigen kann. Ich habe daher die Atomic Energy Commission angewiesen, die Arbeit an allen Arten von atomaren Waffen fortzusetzen, inklusive der sogenannten Wasserstoff- oder Superbombe“

Harry S. Truman, 31. Januar 1950[1]

In der Folgezeit machten sich verschiedene amerikanische Wissenschaftler im Los Alamos Laboratory daran, Entwürfe für Fusionsbomben zu komplettieren. George Gamows Entwurf, der eine Deuterium/Tritium-Kapsel im Zentrum einer scheibenförmigen Fissionsbombe vorsah, wurde mit Greenhouse George am 8. Mai 1951 getestet und brachte es auf Sprengkraft von 225 kT TNT-Äquivalent. Die Bombe war allerdings rein experimentell, für einen Waffeneinsatz war sie zu unförmig und schwer. Edward Teller und Stanisław Ulam beendeten im März 1951 ihre Arbeit an ihrem Entwurf einer Fusionsbombe, das sogenannte Teller-Ulam-Design sollte weitaus mehr Energie und damit Sprengkraft als alle bisherigen Entwürfe erzeugen. Für den eigentlichen Bau und das konkrete Design holte sich Teller Richard Garwin, der in Chicago Erfahrungen im Bau von Blasenkammern mit flüssigem Wasserstoff gesammelt hatte und außerdem ein Elektronikexperte war.

Am 24. September 1951 testete die Sowjetunion ihre zweite Atombombe; in den Vereinigten Staaten wurde dieser Test durch die Bekanntgabe des Weißen Hauses am 3. Oktober publik. Zwei Tage später traf sich zum ersten Mal das „Panda-Committee“ unter der Leitung von Marshall Holloway, das bis Ende 1952 die erste amerikanische Wasserstoffbombe nach Tellers und Ulams Entwurf bauen sollte. Eine der ersten Fragen, die zu klären war, war die des zu verwendenden Fusionsbrennstoffs. Zur Auswahl standen flüssiges Deuterium, Lithiumdeuterid und deuterierter Ammoniak. Da bei den beiden letzten die Handhabung zwar einfach wäre, die physikalischen Effekte jedoch nicht abzuschätzen waren, entschied man sich trotz des großen nötigen technischen Aufwandes für das flüssige Deuterium, zudem wäre Lithiumdeuterid in den benötigten Mengen nicht vor 1954 zu beschaffen gewesen.[2]

Sämtliche Berechnungen während der Konstruktion der Bombe mussten von Hand durchgeführt werden, da MANIAC I, der Großrechner des Los Alamos Laboratory, bis zum Frühjahr 1952 nicht einsatzbereit war. Trotz diverser Probleme, auch durch Tellers persönliche Abneigung gegen das Projektteam und Interventionen gegen den Entwurf hervorgerufen, stand im Januar 1952 der vorerst endgültige Entwurf der Bombe fest – aufgrund der technischen und physikalischen Voraussetzungen war sie rein experimentell und für einen Waffeneinsatz viel zu schwer und groß. Der Testtermin wurde nun, auch auf Tellers Wunsch hin, auf Juli 1952 festgelegt. Im März wurden dann jedoch Fehler in der Konstruktion der Bombe entdeckt, die eine Neukonstruktion nötig machten; der Testtermin verschob sich deshalb auf Ende Oktober/Anfang November.

Im Herbst 1951 wurde mit der Herstellung der Dewargefäße, die für den Transport und die Lagerung des flüssigen Fusionsbrennstoffs benötigt wurden, begonnen. Diese Gefäße hatten eine Kapazität von 2.000 Litern, waren doppelt isoliert und mit einer Kühlanlage versehen, die flüssiges Helium als Kühlmittel verwendete. Sie waren auf LKW-Aufliegern montiert und schockdämpfend gelagert, zudem war ein eigener Dieselgenerator an jedem Auflieger angebracht, der die Technik mit Strom versorgte. Nach eingehender Erprobung in der Wüste Kaliforniens wurden die Dewargefäße im Sommer 1952 nach Eniwetok verschifft.

Die Bombe

Die „Sausage“

Die während des Mike-Tests verwendete Bombe, von den Projektmitarbeitern aufgrund ihrer Form zumeist „Sausage“ (dt. Wurst) genannt, war 6,19 Meter hoch und maß 2,03 Meter im Durchmesser. Inklusive der 20 Tonnen schweren Kühlanlage für das flüssige Deuterium wog sie 82 Tonnen.[2] Die zylindrische, oben und unten abgerundete Ummantelung war aus 25 bis 30 Zentimeter dickem Schmiedestahl gefertigt und innen mit Blei und Polystyrolschaum ausgekleidet. Diese sollten durch die Röntgen- und Gammastrahlung innerhalb der Anordnung zu Plasma umgewandelt werden, welches die Fusion in Gang setzt. Am oberen Ende der Anordnung befand sich eine TX-5-Atombombe mit 50 kT Sprengkraft, die die Zündungsenergie für die Kernfusion liefern sollte. Der Fusionsbrennstoff selbst war in einem doppelt isolierten Dewargefäß untergebracht, in dessen Zentrum sich eine „Zündkerze“ aus hochreinem Plutonium, gefüllt mit Tritium, befand. Umhüllt war das Fusionsmaterial, das über flüssiges Helium gekühlt wurde, mit einem fünf Tonnen schweren Mantel aus Natururan (238U). An der Außenhülle der Bombe waren sechs Rohre angeschweißt, durch die die Strahlung der beginnenden Reaktion zu Messgeräten geführt werden sollte.

Vorbereitungen

Karte des Eniwetok-Atolls

Als Ort für den Mike-Test war das Eniwetok-Atoll im Pazifik gewählt worden, auf dem schon 1948 während der Operation Sandstone und 1951 während der Operation Greenhouse amerikanische Nuklearwaffen getestet worden waren. Im März 1952 wurde die Joint Task Force 132 unter dem Kommando von Major General P. W. Clarkson gegründet. Die Task Force setzte sich aus Einheiten der US Army, die den Versuch leitete, der US Navy, der US Air Force sowie zivilen Wissenschaftlern der Atomic Energy Commission zusammen. Noch im März 1952 begann man mit dem Ausbau der Stützpunkte auf den Inseln Eniwetok und Parry im Süden der Insel. Auf Parry wurde eine Anlage zur Produktion von flüssigem Wasserstoff und zur Destillation von Deuterium errichtet, die schon vorhandenen Anlagen zur Produktion flüssigen Stickstoffs wurden vergrößert. Die Produktion wurde von der Ohio State University überwacht und geleitet.

Der Test selbst sollte auf Elugelab, einer kleinen, weniger als einen Quadratkilometer großen Insel im Norden des Atolls, etwa 40 Kilometer von den Stützpunkten entfernt, stattfinden. Zu diesem Zweck wurde Elugelab und seine Nachbarinseln Teiter, Bogairikk und Bogon mit einem Damm verbunden, die Inseln selbst wurden von Vegetation befreit und eingeebnet. Auf Elugelab wurde eine sechs Stockwerke hohe Halle errichtet, in der später die Bombe untergebracht wurde. Neben dem sogenannten „shot cab“ wurde ein 114 Meter hoher Stahlgitterfunkmast errichtet, mit dem später Telemetriedaten der Bombe zu den Kontrollstellen übertragen werden sollten. In der direkten Umgebung des „shot cabs“ selbst, auf Flößen in der Lagune und auf 30 benachbarten Inseln wurden insgesamt 500 verschiedene Sensoren zur Druck- und Temperaturmessung installiert. Das auffälligste Messinstrument während des Versuchs war jedoch die „Kraus-Oogle-Box“, eine 2,4 auf 2,4 Meter große und 2,7 Kilometer lange rechteckige Röhre aus Multiplex-Platten, in der sich mit Helium gefüllte Polyethylenballons befanden. In dem Gas sollte die Röntgen- Gamma- und Neutronenstrahlung der beginnenden Reaktion zu einem mit Messgeräten bestückten Bunker auf der knapp 2,5 Kilometer entfernten Insel Bogon geführt werden. Rund um die Bombe wurden zudem verschiedene Metalle an langen Ketten platziert, um ihr Verhalten nach dem zu erwartenden Beschuss mit Neutronen zu erforschen.

Testgebäude, im Hintergrund der Funkmast

Die Bombe selbst traf am 11. September in Einzelteilen zerlegt auf Eniwetok ein, wurde dann per Landungsboot durch die Lagune nach Elugelab befördert, wo sie in der „shot cab“ zusammengebaut wurde.[2] Nach dem erfolgreichen Zusammenbau wurde am 10. Oktober die Kühlanlage eingeschaltet, um die Auswirkungen der extremen Kälte von 23,5 Kelvin (−250 °C) auf die Anordnung und die Zündelektronik zu überprüfen. Die Befüllung der Bombe mit dem Fusionsbrennstoff begann am 26. Oktober, die auf LKW-Anhänger montierten Dewargefäße wurden per Landungsboot von Eniwetok zum Testgelände gebracht. Auch die TX-5-Fissionsbombe, die die Bombe „starten“ sollte, wurde kurz vor dem Test noch einmal modifiziert. Sie erhielt einen neuen Kern mit geringerem Plutoniumgehalt, was einer „Frühzündung“ und dem damit möglichen Scheitern des Tests vorbeugen sollte.

Am 29. Oktober erteilte Präsident Truman, der sich auf Wahlkampfreise befand, endgültig die Zustimmung für den Test, das National Security Council stimmte am folgenden Tag der Durchführung des Mike-Tests zu.

Nachdem das flüssige Deuterium eingefüllt worden war, wurde noch einmal getestet, ob die Kälte irgendwelche Auswirkungen auf die Zünd- und Überwachungstechnik hatte, am Nachmittag des 31. Oktobers wurde dann die TX-5-Atombombe in das obere Ende der „Sausage“ eingesetzt und mittlerweile verflüchtigtes Deuterium noch einmal nachgefüllt. Die letzten Techniker verließen Elugelab kurz nach Mitternacht am 1. November, nachdem alle Tests und Arbeiten an der Bombe abgeschlossen waren. Sie wurden nach Eniwetok geflogen, wo sie an Bord des Kommandoschiffs der amphibischen Einsatzkräfte B-29 und C-54. Eine B-36 und eine B-47 sollten die Auswirkung einer thermonuklearen Explosion auf ein Trägerflugzeug überprüfen, ein Dutzend F-84 sollte Luftproben aus der Pilzwolke und der Umgebung sammeln.

Um 7:00 Uhr Ortszeit, 15 Minuten vor H-Hour, begann der automatische Countdown.

Explosion

Feuerball der Explosion

“It is now 30 seconds to zero time. Put on goggles or turn away. Do not remove goggles or face blast until 10 seconds after the first light”

Mit dieser Lautsprecherdurchsage wurden die Beobachter an Bord der Flotte angewiesen, ihre Augen vor dem Lichtblitz der Explosion zu schützen. Die letzten zehn Sekunden des Countdowns wurden laut heruntergezählt, um 7 Uhr 14 Minuten 59 Sekunden und 4 Zehntelsekunden Ortszeit[2] erfolgte die Zündung der Bombe.

Innerhalb von wenigen tausendstel Sekunden liefen die gesamte Kernspaltung der ersten Stufe und die Fusionsreaktion der zweiten Stufe ab, der Feuerball der Explosion wuchs in wenigen Sekunden auf fast 5 Kilometer Durchmesser an (im Vergleich: der Feuerball der Little Boy hatte einen Durchmesser von 160 Metern). Im Feuerball wurden alle Elemente des Periodensystems erzeugt, aber auch neue, von denen zwei, Einsteinium (Ordnungszahl 99) und Fermium (100), erstmals im Fallout der Bombe nachgewiesen wurden.[3] Die Insel Elugelab und alles, was sich auf ihr befand, verdampften vollständig, die umliegenden Inseln wurden durch den Feuerball und die Druckwellen bis in 10 Kilometer Entfernung leergefegt. Anstelle der Insel Elugelab klaffte ein Krater im Riff, über 3 Kilometer im Durchmesser und 60 Meter tief. Der Messbunker auf Bogon überstand die Explosion schwer beschädigt. Insgesamt wurden etwa 80 Millionen Tonnen Erdreich aufgeschleudert.

Pilzwolke

Die Pilzwolke der Explosion erreichte nach 90 Sekunden eine Höhe von über 17 Kilometern, nach zweieinhalb Minuten, als die Schockwelle der Explosion die Flotte südlich des Atolls erreichte, war die Wolke bereits 30 Kilometer hoch. Die höchste Ausdehnung der Wolke betrug über 43 Kilometer bei einem Durchmesser von 150 Kilometern.[4]

Die kreisenden B-47- und B-36-Bomber maßen die Auswirkung der Druck- und Hitzewelle auf mögliche Trägerflugzeuge; kurz nach der Explosion flogen mehrere F-84 in die Pilzwolke, um Luftproben zu sammeln. Hierbei wurde eine sehr hohe Radioaktivität gemessen, weitaus höher, als von allen Wissenschaftlern erwartet worden war.[2]

Edward Teller, der nicht zum Test nach Eniwetok gereist war, beobachtete die Auswirkungen der Explosion auf einem Seismometer im Keller des Lawrence-Livermoore-Instituts.[2]

Auswirkungen

Mit einer ermittelten Sprengkraft von 10,4 Megatonnen TNT-Äquivalent war Ivy Mike wesentlich stärker als von den Wissenschaftlern erwartet. 77% der Sprengkraft (8 Megatonnen) stammten jedoch – wider Erwarten – aus der schnellen Spaltung des Mantels aus 238U, der die Bombe abschirmte. Mike war also die erste erfolgreiche Wasserstoffbombe und zugleich die erste dreistufige Nuklearwaffe (Fission-Fusion-Fission). Aus diesem Umstand ergab sich zudem auch ein sehr starker radioaktiver Fallout, der jedoch durch günstige Winde zum großen Teil auf den offenen Ozean nordöstlich des Atolls hinausgetragen wurde.

Eine Stunde nach der Zündung stiegen Sikorsky-S-55-Hubschrauber vom Geleitflugzeugträger USS Rendova auf, die auf den Inseln im nördlichen Atoll Proben sammelten und Filmaufnahmen machten. Untersuchungsteams fanden in der Umgebung der Explosionsstelle bis in über 20 Kilometer Entfernung Seevögel, vor allem Seeschwalben, die auf den Inseln beheimatet waren, mit angesengten und verbrannten Federn. Viele Vögel litten unter der Strahlenkrankheit. Nahezu alle Pflanzen und Bäume auf den Inseln waren auf der der Explosion zugewandten Seite durch die starke Hitze angesengt, auf den näher liegenden Inseln verbrannt.

Eines der Flugzeuge, das Luftproben sammeln sollte, stürzte auf dem Rückweg zum Luftwaffenstützpunkt wegen Treibstoffmangels ins Meer, der Pilot Captain Robinson kam ums Leben. Ihm zu Ehren wurde der Flugplatz auf Eniwetok in „Robinson Air Force Base“ umbenannt.[5]

Einzelnachweise

  1. a b nuclearweaponarchive.org; Stand: 4. Juli 2007.
  2. a b c d e f Richard Rhodes: Dark Sun: The Making of the Hydrogen Bomb. New York: Simon and Schuster 1995, ISBN 0-68480400-X, S. 482 ff.
  3. P. R. Fields, M. H. Studier, H. Diamond, J. F. Mech, M. G. Inghram, G. L. Pyle, C. M. Stevens, S. Fried, W. M. Manning (Argonne National Laboratory, Lemont, Illinois); A. Ghiorso, S. G. Thompson, G. H. Higgins, G. T. Seaborg (University of California, Berkeley, California): „Transplutonium Elements in Thermonuclear Test Debris“, in: Physical Review, 1956, 102 (1), S. 180–182; doi:10.1103/PhysRev.102.180.
  4. Michael Light: 100 Suns, 2003.
  5. arcnet.com, Kondolenzbrief von General Clarkson an die Witwe des Piloten; Stand: 4. Juli 2007.

Weblinks

 Commons: Operation Ivy – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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