Jack Merridew

Jack Merridew

Herr der Fliegen (englischer Originaltitel: Lord of the Flies) ist ein 1954 erschienener Roman des englischen Schriftstellers William Golding.

William Goldings erster Roman war sein erfolgreichster. In seiner nur von Jungen bevölkerten Robinsonade zeigt Golding, wie sich eine Gruppe von Sechs- bis Zwölfjährigen verhält, die schlagartig von jedem Einfluss durch Erwachsene abgeschnitten ist. Von Kultur und Zivilisation geprägt, verhalten die Kinder sich mehr und mehr nach ihrem jeweiligen Charakter und es entwickelt sich ein gewalttätiger Konflikt.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Eine englische Gruppe sechs- bis zwölfjähriger Jungen wird aufgrund eines Atomkrieges evakuiert, das Flugzeug stürzt ab und nur die Kinder überleben. Eine kleine Gruppe der Kinder, der „Chor“, kommt aus einer Eliteschule und hat bereits einen festen Anführer, Jack. Die anderen kennen niemanden und schließen sich auch zu einer Gruppe zusammen. Es herrscht von Anfang an eine Auseinandersetzung, ein kleiner „Krieg“ zwischen den Gruppen. Ralph, der zuerst zum Anführer gewählt wird, versucht Ordnung in die Gruppe zu bringen. Er wird von Piggy, einem dicklichen, intelligenten Jungen, und Simon, der von Albträumen heimgesucht wird, unterstützt. Ein Muschelhorn, das Piggy am Strand findet und mit dem Ralph jeweils die Übrigen zu Gemeinschaftstreffen zusammenruft, wird zum Symbol für die Ordnung, die Ralph aufrechtzuerhalten versucht.

Der rothaarige Jack ist aggressiv und bevorzugt „Spaß und Action“ gegenüber notwendigen Aktivitäten. So möchte er lieber auf die Jagd nach wildlebenden Schweinen gehen, statt Hütten zu bauen oder auf das Feuer auf der Bergspitze aufzupassen, das als Signal für vorbeifahrende Schiffe dienen soll. Dies sorgt bereits für erste Konflikte. Jack schikaniert Schwächere und hat sich dafür insbesondere Piggy ausgesucht. Jack schließen sich immer mehr Kinder an, die sich als „die Jäger“ bezeichnen. Die Gruppe entfremdet sich zusehends, als unter den kleineren Kindern das Gerücht aufkommt, dass sich auf der Insel ein Monster befinde. Dies ist jedoch ein mit einem Fallschirm abgestürzter Soldat, der sich in einem Baum verfangen hat. Der Wind lässt den Fallschirm wehen, sodass es den Kindern wie ein Monster vorkommt.

Im letzten Drittel der Handlung trennt sich Jack mit seinen „Jägern“ von Ralph, lässt sich auf einer „Felsenburg“ genannten Halbinsel auf der anderen Seite der Insel in einem neuen Lager nieder und kann schließlich die Mehrheit der Inselbewohner auf seine Seite ziehen. Schließlich stehen nur noch Piggy, Simon, die Zwillinge Sam und Eric (auch genannt Samneric, da sie die für Zwillinge typischen Merkmale, wie etwa das synchrone Reden und Denken, verkörpern) sowie einige Jüngere an Ralphs Seite. Am Ende sind es nur noch Sam, Eric und Piggy, denn Simon wird nachts, in der Annahme er sei das Monster, getötet. Er war allerdings auf dem Weg zu den Anderen, um ihnen das wahre Geheimnis über das Monster zu berichten, welches er gelüftet hatte. Danach werden die Zwillinge gefesselt und gehören von da an auch zu Jacks Gruppe. Kurz darauf wird Piggy, diesmal gezielt, ermordet. Schließlich versuchen Jack und seine „Krieger“ Ralph ebenfalls zu töten. Auf der Jagd nach ihm stecken sie die gesamte Insel in Brand. Im letzten Moment wird Ralph von einem Marineoffizier, der mit seinem Kriegsschiff gerade angelandet ist, gerettet. Das Schiff nimmt die Kinder von der Insel mit.

Thema

Die Hauptthematik der Geschichte ist die angeborene Gewaltbereitschaft des Menschen. Im Roman wird die Situation dadurch überspitzt, dass die Protagonisten Kinder sind, die eigentlich Symbol für Unschuld und Reinheit sind. Je mehr die Kinder den Bezug zu Zivilisation und Gesetz verlieren, desto mehr schwindet ihre scheinbare Unmündigkeit.

Thematik im Detail

Die anfängliche Beschreibung der Insel und des Sonnenlichts auf dem Wasser legt ein Paradies nahe, in dem die (unschuldigen) Kinder, die gerade aus einer Kriegssituation evakuiert wurden, eine neue Chance bekommen. Doch das Verhalten der einzelnen - und besonders das Gruppenverhalten - transformieren die Insel bald in das genaue Gegenteil: Ein höllisches Inferno.

Zu beachten sind vor allem die Umstände, in denen die Gewalt in gewissen Situationen eskaliert: Die Charaktere alleine weisen keine gewalttätigen Züge auf (bis auf Jack, den Anführer der Jäger, und Roger). Zu Beginn der Geschichte überwiegt die militärische Disziplin, man singt und arbeitet zusammen. Doch im Verlauf der Geschichte entsteht in Konfliktmomenten eine gefährliche Gruppendynamik: einzelne Stimmen werden zu einem Stimmengewirr, die Menge wird logischen Argumenten unzugänglich. An mehreren Stellen passiert dies besonders drastisch: Als die Jäger nachts um das Feuer tanzen und vom "Monster" singen, welches auf der Insel leben soll, mutet dies fast schon ekstatisch an. Simon findet zwar heraus, dass dieses Monster der Pilot des Flugzeugs war, der nun tot ist - als er den Jägern jedoch davon berichten will, halten diese ihn im Rausch für das Monster und töten ihn. In einer anderen Situation will Piggy seine Brille von den Jägern wiederhaben, nachdem diese sie ihm gewaltsam weggenommen haben, und der Streit eskaliert und ein Junge (Roger) tötet Piggy mit einem riesigen Felsen, den Roger absichtlich auf ihn fallen lässt, als Piggy verzweifelt versucht, den Jungen noch einmal ihre schwierige Situation klar zu machen.

Die meisten Kinder sind keine starken Charaktere und werden Mitläufer der attraktiv erscheinenden Jäger-Gruppe. Diese verwehrt sich jeder Logik und ist in ihrer Gesamtheit aggressiv. Dieses Bild erinnert unter anderem an totalitäre und autoritäre Herrschaftssysteme der Moderne. Es gibt einen resoluten Anführer, Jack. Die Gruppe will sich nicht den langwierigen, mühseligen Aufgaben des Hüttenbaus und des Signalfeuers stellen, das Jagen scheint viel spannender und bringt direkte Resultate. Der Konflikt zwischen Ralph, dem Verfechter der Demokratie und Zivilisation, und Jack, symbolisch für menschliche Aggression in Perfektion, eskaliert in einer gnadenlosen Hetzjagd auf den letzten Nicht-Jäger Ralph, in dessen Verlauf die Kinder die ganze Insel anzünden.
Die Rettung von der Insel, die die Kinder im allerletzten Moment erfahren, geschieht durch einen Marineoffizier von einem Kriegsschiff. Damit ist die Jagd und das Töten aber nur kurzfristig beendet, denn beides wird nur auf eine andere Ebene - den Krieg zwischen den Erwachsenen - gehoben.

Allerdings lässt sich diese Thematik nicht direkt auf reale Herrschaftssysteme beziehen, sondern auch auf fundamentalere Ebenen. Golding betont zu stark metaphysische und psychologische Aspekte, als dass der Roman als rein politische Kritik angesehen werden kann. Außerdem gibt es einen Verweis auf den Kalten Krieg. Es geht allgemein und in auffallend symbolischer Form um Ursprünge von struktureller und physischer Gewalt. Angst und Hilflosigkeit lässt die Kinder der Gruppe folgen.

Symbolik

Wie schon der Titel andeutet, finden sich verschiedene Symbole und Namenssymbolismus im "Herr der Fliegen."

  • Als Herr der Fliegen wird auch der Beelzebub, der Teufel, bezeichnet. Der alttestamentliche Herr der Fliegen, der Ba'al Zevuv (בעל זבוב), meint dabei eine der Ba'al-Varianten, wie sie von den Phöniziern der Stadt Sidon oder laut 2. Könige 1,2 auch von den Philistern als Wetter- und Fruchtbarkeitsgott verehrt wurden. Er steht in der alttestamentlichen, um den Glauben Mose zentrierten Deutung, wie alle Ba'ale und Astarten, in höchst negativer Konnotation für die »falsche Gottheit« und die Verführbarkeit des Menschen. Bei Golding wird Ba'al Zevuv, der ein Kriegsgott war, zum Symbol für die kulturferne Gewaltbereitschaft des Menschen. Personifiziert durch einen aufgespießten Schweineschädel voller Fliegen enthüllt er seinen wahren Charakter: Das "Tier" in allen, das darauf wartet, den Menschen zum Schlimmsten zu treiben. Der fern seiner Zivilisation wieder in den Bellum omnium contra omnes (Krieg aller gegen alle) verfallende Mensch soll als nicht sozialisiertes Gewaltwesen entlarvt werden - womit Goldings Roman seine Zivilisationskritik entfaltet.
  • Ralph kommt vom althochdeutschen Radulf ("rad" oder "rat", d.h. der Rat, der Ratschlag, der Ratgeber; "ulf" (Wulf), d.h. der Wolf), etwa in der Bedeutung ein mächtiger Ratgeber, etwas, das Ralph mehrfach versucht, was aber von den anderen niedergeschrieen wird.
  • Der Name Simon stammt von dem hebräischen Wort Shim'on ab, was "erhören","hörend" bedeutet. Simon ist der Wissende, der im Fieberwahn von einem von Fliegen umschwirrten, aufgespießten Schweinekopf die Wahrheit über die menschliche Natur hört.
  • Jack ist ein Name wie ein Schrei - kurz, laut, dominant - und ist lautmalerisch zu sehen, wie ein auftreffender Schlag.
  • Roger ist die englische Form des germanischen Rutger/Rüdiger, und besteht aus den Teilen hrod (Ruhm) und ger (Speer), er ist der berühmte Speerjäger, der nur die Jagd und das Töten kennt.

Wirkung

Ähnlich wie Jerome D. Salingers Roman Der Fänger im Roggen wurde auch Goldings Roman in Großbritannien kontrovers diskutiert, in den USA hingegen allgemein sehr gut aufgenommen, was zur Folge hatte, dass es dort schnell zum Kultbuch avancierte. Allerdings blieben die religiösen, psychologischen und soziologischen Aspekte des Romans vorerst unbeachtet, und er wurde ausschließlich bezüglich seines Charakters besprochen. Darüber hinaus ist Goldings Werk jedoch auch eine Parabel über das Ende menschlicher Unschuld, deren mythisch-symbolische Bedeutung des Geschehens noch durch seine lyrisch bestimmte Sprachgebung vertieft wird. Golding gelingt es, trotz all seiner symbolischen Überhöhungen seine anthropologisch zentrale Fragestellung nie aus den Augen zu verlieren.

Verfilmungen und Beeinflussungen

Der Roman wurde 1963 zum ersten Mal in Schwarz/Weiß verfilmt. Ein Remake folgte 1990.

In inhaltlicher Anlehnung an "Herr der Fliegen" wurde am 15. Februar 1998 die Simpsons-Episode "Das Bus" (dt. "Der blöde UNO-Club") ausgestrahlt.[1] Hier stranden einige Kinder der Grundschule Springfield, die sich auf dem Weg zu einem Modell-Uno-Treffen befanden, auf einer einsamen Insel und bilden analog zu "Herr der Fliegen" erste Strukturen gesellschaftlichen Zusammenlebens heraus, ehe sich anarchistische Tendenzen entwickeln.

In Neuseeland entstand 1999-2003 die vom "Herrn der Fliegen" inspirierte Fernsehserie The Tribe - Eine Welt ohne Erwachsene, in der ein Virus alle Erwachsenen tötet und die zurück bleibenden Kinder sich zu Stämmen (engl. Tribes) zusammen schließen.

"Der Herr der Fliegen" beeinflusste[2] auch die US-Mystery-Fernsehserie Lost, die seit 2004, über mehrere Staffeln ausgewalzt, von den (erwachsenen) Überlebenden eines Flugzeugabsturzes erzählt. Einige der Grundideen des Romans kommen auch in der TV-Serie vor, darunter die Bildung von zwei Gruppen unter zwei Anführern, von denen der eine mehr der Demokratie, der andere mehr der Diktatur zugeneigt ist. Das Motiv des "Fallschirmspringers im Baum" wird in Lost bildlich zitiert. Eine weitere Parallele zum Herrn der Fliegen ist das Inselmonster: Von den Kindern nur erfunden, existiert es in Lost tatsächlich und tötet einige Protagonisten; die ganze Insel wird gar mehr und mehr zum mitwirkenden Charakter.

Auszeichnungen

1983 wurde William Golding für seine Romane mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt.

Literatur

  • Poppe, Reiner: William Golding: Herr der Fliegen (Lord of the Flies). Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 332). Hollfeld: Bange Verlag 2005. ISBN 978-3-8044-1710-6

Einzelnachweise

  1. Die Simpsons: "Der blöde UNO-Club
  2. David Bernstein: "Cast Away" (Chicago Magazine, Aug. 2007)

Weblinks


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