Johann Christian Zais

Johann Christian Zais
Christian Zais (1770-1820)

Christian Zais (* 4. März 1770 in Cannstatt; † 26. April 1820 in Wiesbaden) war ein klassizistischer Architekt und Städtebauer. Zais studierte nach einer Steinmetzlehre vier Jahre Architektur an der Stuttgarter Karlsschule. 1805 wurde er als Bauinspektor von Nassau nach Wiesbaden durch die Förderung des nassauischen Staatsministers Ernst Franz Ludwig Freiherr Marschall von Bieberstein berufen, der ebenfalls Württemberger und Absolvent der Karlsschule war. Sein Sohn Wilhelm Zais war liberaler Politiker und nassauischer Landtagsabgeordneter.

Wirken in Wiesbaden

Christian Zais prägt mit seinem gesamtplanerischen Stadtentwurf bis heute die Innenstadt von Wiesbaden. Darüber hinaus entwarf und errichtete Zais eine Reihe bedeutender Bauten in der Kurstadt, namentlich zwischen 1808 und 1811 das frühere Kurhaus (das in der wilhelminischen Zeit durch das heutige Gebäude ersetzt wurde), 1813 das Erbprinzenpalais an der Wilhelmstraße (heute Industrie- und Handelskammer) sowie das durch alliierte Bomber im Februar 1945 zerstörte Hotel "Vier Jahreszeiten".

1818 entwickelte Zais für die wachsende Hauptstadt einen Generalbebauungsplan. Dieser umschloss den historischen Stadtkern mit neuen Straßenzügen in Form eines Fünfecks (Historisches Fünfeck) und bestimmte damit die städtebauliche Entwicklung in Wiesbaden bis fast zum Ende des Herzogtums Nassau im Jahre 1866.

Das 1808 bis 1811 von Zais erbaute Alte Kurhaus in Wiesbaden
Das 1813 bis 1817 von Christian Zais erbaute Erbprinzenpalais in Wiesbaden

Bei den Wiesbadenern der damaligen Zeit war Zais alles andere als beliebt. Als er 1805 nach Wiesbaden kam, gab es zwar bereits ein bescheidenes Kurwesen, das auf mittelalterlichen und sogar römischen Traditionen beruhte, jedoch war die Stadt weit von ihrem späteren Ruf als "Weltkurstadt" entfernt. Wiesbaden hatte zu dieser Zeit kaum 3.000 Einwohner und war - abgesehen vom Kurbetrieb - vor allem landwirtschaftlich geprägt. Auf Grund des gerade entstehenden nassauischen Verwaltungssitzes betrieb der Herzog von Nassau aus seiner Residenz in Biebrich (Biebricher Schloss) den Ausbau zu einer Residenzstadt, wobei man sich vielfach über die alten Rechte der Stadt und ihrer Bürger einfach hinwegsetze. Es gab erbitterte Streitigkeiten zwischen dem mit einflussreichen Bürgern besetzten Stadtrat und dem Fürstenhaus, die sich vor allem an der für verfehlt gehaltenen Stadtplanung entzündeten.

Bereits mit seiner ersten Maßnahme, dem Bau des Kurhauses, verärgerte Zais vor allem die Wiesbadener Bade- und Gastwirte. Das Gebäude wurde außerhalb der damaligen Stadtgrenzen und abseits des damaligen Kurzentrums praktisch auf der grünen Wiese errichtet. Die als schmutzig und veraltet empfundene Innenstadt wurde von dem neuen Kurzentrum durch eine breite Querstraße (der heutigen Wilhelmstraße) abgetrennt. Ursprünglich sollte der Bau des Kurhauses durch den Verkauf von Aktien finanziert werden - indessen kaufte kein einziger Wiesbadener auch nur einen der Anteilsscheine. Die "Actien" des Kurhauses übernahm schließlich mehrheitlich das Herrscherhaus.

Besonders verärgerte er die Wiesbadener Gast- und Badewirte durch Pläne für ein eigenes, geradezu gigantisches und repräsentatives Badehaus für höchste Ansprüche an der heutigen Wilhelmstraße, wobei er dies schon bei dem Bau des Kurhauses vorgesehen hatte. Die Realisierung dieses ursprünglichen Großprojektes scheiterte an der Aufhebung staatlicher Zuschüsse für Neubauten durch die nassauische Ständeversammlung 1818. Jedoch errichtete er dann selbst das 1821 fertiggestellte, luxuriöse Hotel und Badehaus "Vier Jahreszeiten" mit immerhin noch 140 Zimmern. Der Bau riss die Familie Zais nahezu in den Ruin. Sieben Jahre nach der Eröffnung hatte die Familie noch Schulden in Höhe von über 210.000 Gulden.

Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Hotel und Badehaus "Vier Jahreszeiten" in Wiesbaden (fertiggestellt 1821)

Die Wiesbadener legten dem Baumeister alle denkbaren Hindernisse in den Weg. Als er eine bis dahin kaum genutzte Quelle seinem neuen Badehaus zuführen wollte, wurden in der Nacht vom 13. auf den 14. August 1818 die bisherigen Leitungen der Heilquelle in einem Aufstand zerstört. Die Streitigkeiten eskalierten zunehmend. Als Zais später eine andere Quelle erschließen wollte, kam es zu offenen Drohungen mit blanker Gewalt, wobei schließlich auch das Dillenburger Hofgericht eingeschaltet wurde.

Die Badewirte manipulierten sogar ihre eigenen Quellen so, dass sie zu versiegen schienen, und behaupteten, die Grabungen von Zais seien dafür verantwortlich. Es kam darüber schließlich zu einem Aufruhr, über den Details nicht bekannt sind, der jedoch mit der Zerstörung der bisherigen Arbeiten an der Quellfassung endete und die Familie Zais in Gefahr brachte.

Zais erkrankte unterdessen schwer und verstarb noch vor der Fertigstellung der "Vier Jahreszeiten", wenige Tage nach der Zerstörung seiner Kanalanlagen.

Christian Zais wurde zunächst auf dem Kirchhof an der Heidenmauer beigesetzt, nach dessen Schließung wurde sein Leichnam 1832 auf den Friedhof an der Platter Straße überführt. Sein Grab existiert nicht mehr, nur in der Mauer neben dem Eingang findet sich noch seine Grabplatte.

Zais war an der Begründung Wiesbadens als Kurstadt mit Weltruf maßgeblich beteiligt. Die Konflikte zwischen ihm und der Bürgerschaft spiegeln auch die Gegensätze zwischen den Anhängern des alten Rechts und denjenigen des aufgeklärten, modernen Prinzips des Rationalen, das Zais im Sinne des Klassizismus und als Karlsschüler umsetzen wollte.

Literatur

  • Berthold Bubner: Christian Zais in seiner Zeit (1770–1820). Wiesbaden 1993

Weblinks


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